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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (21. Band = Nordrhein-Westfalen, 1): Die Vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg - das Hochstift und die Stadt Minden - das Reichsstift und die Stadt Herford - die Reichsstadt Dortmund - die Reichsabtei Corvey - die Grafschaft Lippe - das Reichsstift und die Stadt Essen — Tübingen: Mohr Siebeck, 2015

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https://doi.org/10.11588/diglit.30663#0440
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Lippe

sich zur Ehe nemen mögen, Zum Andern, Wie die fentlich auffbieten, Gott für sie anruffen Und her-
Pfarrherrn und Seelsorger nach löblichem gebrauch nach in der Kirchen vertrawen und einsegnen sollen.
der Christlichen Kirchen Braut und Breutigam öf-

Von denen Personen, die einander mit Recht von wegen der Blutfreundtschafft, darnach auch von wegen
der Schwegerschafft mögen Ehelichen oder nicht Ehelichen

Was nu das erste stück betrifft, Nemblich von der
Blutfreundtschafft, ist zuwissen, das hierinnen alle
Eheverbindung oder vermisschung in der rechten
und geraden Linien, auff und nieder, nach Gottes
außtrücklichem Gesetze203, Auch Natürlichen und
öffentlichen, Keyserlichen geschriebenen Rech-
ten204 verbotten und keinesweges bey vermeidung
zeitlicher und ewiger Straffe zugelassen werden,
Denn zwisschen Kindern und Eltern, sie sind nahe
oder fern einander verwandt, wenn sie auch tausent
Glied, hinauff oder hinab zurechnen, voneinander
weren, wird keine Ehe zugelassen. |Bb2r|
Darnach sind in der Blutfreundtschafft alle Per-
sonen in der Linien zur seidwerts, gleich hinab oder
hinauff gehendt biß zum vierten Grad, vieler Christ-
lichen bewegenden ursach halben verbotten.
Was die Schwegerschafft belangt, ist zubehalten,
weil Mann und Weib ein Leib seind, Darümb soll
sich eines von des andern Blutfreunden als von sei-
nen eignen Blutfreunden zuverehelichen enthalten.
Denn also weit sich das Verbott in der Blutfreund-
schafft, in der seidwerts Linien hinauff oder hinab
zuzelen, erstreckt, also weit erstreckt sichs auch in
der Schwegerschafft. Drauß volgen von Schweger-
schafft diese gemeine Regel:
Alle meines Weibs Blutfreunde sind mir ge-
schwegert dergestalt: In welchem Glied der Blut-
freundschafft sie meinem Weib verwandt, im selben
glied sein sie mir Schwägerschafft halben zugethan.
Alle Blutfreunde des Mannes seind seinem Wei-
be Geschwägert dergestalt: In welchem Grade der

e Im Druck: Gebet.
203 Vgl. Lev 18,6-18; 20,11-12.17.19-21.
204 Vgl. Inst. 1.10 = ClCiv I, S. 4; Dig. 23.2, 12, 14 =
ClCiv I, S. 330-335.

Blutfreundschafft sie dem Mann zugethan, im sel-
ben Grad seind sie dem Weib mit Schwägerschafft
verwandt.
Damit aber niemand aus unwissenheit im ver-
heiraten Gottes ordnung und der Oberkeit recht-
messiges Gebote verachte oder uberschreite, Auch
sich nicht mit denen Personen, die im von wegen der
Blutfreundschafft oder schwägerschafft nahe |Bb2v|
verwandt sind, zuvorehelichen einlasse, eine Bludt-
schandt, so Gott je und allwege grawsam gestraffet
hat, begehe, sein gewissen beschwere, Gottes ewigen
zorn und seiner Oberkeit zeitliche straffe auff sich
lade, So wollen wir, das die Predigers nicht allein
alle Jar einmal in der erklerung des Evangelii, Jo-
annis 2. Cap. [1-12], welchs man am andern Sontage
nach der Offenbarung Christi205 der Kirchen fürzu-
tragen pfleget oder wo es sonst die gelegenheit inn
den Predigten des Catechismi geben wirdt, dem
Volcke diese nachfolgende richtige, kurtze Regel des
Herrn Philippi Melanchthonis206 fein langsam mit
verstendigen und begreifflichen Worten von der
Cantzel ablesen und bescheidenlich erkleren, Son-
dern das auch die gemeine, ungelerte Leute, wenn
sie der graden halben, darinn die Ehe verbotten, ir-
rig oder zweiffelhafftig sind, bey unserm Consistorio
umb guten Christlichen unterricht allzeit ansuchen
und desselbigen rathsam bedencken und endtlichen
bescheits geleben, Auff das dem einfältigen Pöbel
bekant und offenbar werde, welche Ehe eben so wol
von wegen der Blutfreundschafft als von wegen der
Schwegerschafft verbotten oder zugelassen sey.

205 Zweiter Sonntag nach Epiphanias.
206 Philipp Melanchthon verfasste 1540 ein Handbuch über
die Verwandtschaftsgrade („De arbore consanguinitatis
et affinitatis sive de gradibus dissertatio“), CR 16,
Sp.509-524.

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