Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0053
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

Schleswiger Theologen war er 1536/37 an der Ausarbeitung der „Ordinatio ecclesiastica“ beteiligt (s. die
Einleitung zu Nr. 7). Christian III. ernannte ihn zum Superintendenten der Landschaften Eiderstedt und
Nordstrand38.
Hermann Tast war Anfang 1526 auch in Flensburg tätig. Dorthin hatten ihn Anhänger der lutherischen
Lehre gerufen. Als ihm die Pfarrkirche St. Nikolai durch den einheimischen Klerus versperrt blieb, predigte
er auf dem Marienfriedhof und in Bürgerhäusern das Evangelium. Tast hielt sich jedoch nur kurze Zeit in
der Stadt auf39. Zum eigentlichen Reformator Flensburgs wurde Gerd Slewart, ein ehemaliger Dominika-
nermönch aus Kämpen in den Niederlanden. Im Unterschied zu Tast erhielt Slewart durch die Vermittlung
Herzog Christians die Erlaubnis, seine Predigten in St. Nikolai zu halten. Aufgrund der Unterstützung des
Rates gelangte die Reformation in Flensburg früh zum Durchbruch: Die altgläubigen Kleriker mußten die
Stadt verlassen. Neben St. Nikolai, zu deren Pfarrer Slewart gewählt wurde, erhielten auch die beiden
anderen Hauptkirchen St. Marien und St. Johannis evangelische Prediger40.
Im Unterschied zu Husum und Flensburg verlief die Einführung der Reformation in den Städten Schles-
wig und Kiel durch das Auftreten radikaler Prediger deutlich tumultuarischer. In Schleswig war es ein
ehemaliger Franziskanermönch, der großen Zuspruch vor allem in den unteren Schichten der Stadt fand.
Dem „tollen Friedrich“, wie er genannt wurde, gelang es mit Hilfe seiner Unterstützer, den Dom als
Predigtstätte zu gewinnen. In seiner Verkündigung übte er scharfe Kritik am Klerus der Stadt, von dem er
ein Leben in apostolischer Armut forderte. Friedrich störte die lateinischen Chorgesänge der Domherren
durch das Singen deutscher Psalmen und die Predigten des Kirchherrn am städtischen Gemeindealtar
Marquard Bulow durch laute Zwischenrufe. Anscheinend kam es auch zu Übergriffen auf altgläubige
Geistliche durch Friedrichs Anhänger41. Der Rat der Stadt wandte sich schließlich an König Friedrich I.
mit der Bitte, einen evangelischen Prediger zu entsenden, um dem ehemaligen Mönch den Boden für seine
Agitation zu entziehen42. Auf die Empfehlung Friedrichs I. hin wurde der aus einer Kieler Ratsfamilie
stammende Marquard Schuldorp nach Schleswig berufen und zum Kirchherrn am städtischen Altar im
Dom ernannt. Zum vollständigen Durchbruch kam die Reformation jedoch erst nach 1529 unter Schul-
dorps Nachfolger Reinhold Westerholt43.
Ähnlich spannungsreich wie in Schleswig verlief die Einführung der Reformation auch im holsteinischen
Kiel, der ersten Wirkungsstätte Schuldorps. Als Vikar an der Nikolaikirche hatte Schuldorp mit der Ver-
kündigung evangelischer Lehre begonnen. In Melchior Hoffman, der 1527 mit landesherrlicher Erlaubnis
nach Kiel gekommen war, erwuchs ihm aber schon bald ein radikaler Widerpart44. Ein erster Streit ent-
zündete sich an Hoffmans harscher Kritik am Kieler Rat und dessen Kirchenpolitik. Hoffman beschuldigte
die Ratsherren sogar der persönlichen Bereicherung am Kirchengut. Nach Schuldorps Bericht soll Hoffman
mit seinen Predigten aber nicht nur die städtische Handwerkerschaft, sondern auch die Bauern in der
Umgebung Kiels aufgewiegelt haben45. Hier, wie später auch in Schleswig, trat Schuldorp als Verteidiger der
Obrigkeit auf46. Neben Hoffmans Haltung zur Obrigkeit waren es vor allem seine allegorische Schriftaus-

38 Vgl. Ramm, Wegbereiter, S. 279-284; BBKL 25, Sp. 1382-
1385; Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein 10,
S. 373ff.; Babro Lovisa, Hermann Tast - Reformator in
Husum. Zu Recht gewürdigt oder zu Recht verkannt?, in:
SVSHKG 52 (2006), S. 47-76.
39 Vgl. Ramm, Wegbereiter, S. 282.
40 Vgl. Göbell, Vordringen der Reformation, S. 41f.; Flens-
burg. Geschichte einer Grenzstadt, S. 73-79.
41 Vgl. Cypraeus, Annales episcoporum Slesvicensium,
S. 418f.; Deppermann, Melchior Hoffman, S. 87f.
42 Nach persönlichen Angriffen auf den königlichen Kanzler
Wolfgang von Utenhofen und auch, weil er den Gehorsam

gegenüber der Obrigkeit in Glaubenssachen ablehnte,
mußte der „tolle Friedrich“ schließlich aus der Stadt wei-
chen.
43 Vgl. Sach, Geschichte, S. 202f.; Giltzau, Anfänge der
Reformation, S. 229-238; Rathjen, Reformation, S. 180-
182.
44 Zu Melchior Hoffman vgl. RGG4 3, Sp. 1819; TRE 15,
S. 470-473; BBKL 2, Sp. 974-978; Deppermann, Mel-
chior Hoffman, passim.
45 Vgl. Deppermann, Melchior Hoffman, S. 92.
46 Vgl. ebd., S. 89-94; Rathjen, Reformation, S. 181. In
seiner Eröffnungspredigt im Schleswiger Dom forderte

33
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften