Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0060
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
A. Die Ordnungen bis zur Teilung der Herzogtümer im Jahr 1544

Der Geistliche scheint den ersten Teil des Gottesdienstes, der mit einem von ihm gesprochenen Gebet
endet, auf der Kanzel zu halten und erst mit dem Anfang der eigentlichen Messe vor den Altar zu treten:
Nu geyt de prester thom altar. Das „Komm heiliger Geist“, das sich schon im ersten Teil findet, wird an dieser
Stelle nochmals wiederholt; nur heißt es hier: „Gott Schöpfer, Heiliger Geist“. Doppelt tritt auch das Kyrie
auf: Das erste Kyrie besitzt mit seinen Erweiterungen eine außergewöhnliche Form. An dieses schließt sich
unmittelbar das Gloria an. Das zweite Kyrie, hier als Kyrie dominicale bezeichnet, leitet dann unmittelbar
zum Dominus vobiscum, Sursum corda und Gratias agamus über13.
Bei den folgenden Einsetzungsworten der niederdeutschen Messe handelt es sich um eine fast wörtliche
Übertragung der Verba testamenti („Qui pridie“) aus dem mittelalterlichen lateinischen Messkanon ins
Niederdeutsche14. Die Konsekration des Brotes und des Weines sind geteilt. Diese Teilung entspricht zwar
der Anordnung in Luthers „Deutscher Messe“ von 1526, wo auf die Konsekration des Brotes zunächst
dessen Austeilung folgt, bevor der Geistliche den Wein konsekriert und ihn den Gläubigen reicht15. In der
niederdeutschen Messe treten aber zwischen die Konsekration des Brotes und dessen Austeilung noch die
Vermahnung der Kommunikanten, ein Gebet mit der Bitte um Erlösung von aller Ungerechtigkeit durch
den Leib und das Blut Christi sowie die von der Gemeinde gesprochenen Worte des Hauptmanns aus Mt
8,8. Die Vermahnung erfolgt also erst, wenn die Gläubigen bereits vor dem Altar versammelt sind16. Die
Selbstkommunion des Geistlichen ist in der niederdeutschen Messe nicht thematisiert. Auch die bei der
Austeilung von Brot und Wein üblichen Spendeformeln sind nicht überliefert. Auf Luthers „Deutsche
Messe“ von 1526 weisen die beiden Lieder hin, die während der Austeilung von Brot und Wein gesungen
werden: „Jesus Christus, unser Heiland“ und „Gott sei gelobet und gebenedeiet“17. Abgeschlossen wird die
niederdeutsche Messe mit einem Kollektengebet und dem Aronitischen Segen sowie dem Gesang eines
Psalms.
Auf das Formular der deutschen Messe folgen in dem Papierheft acht von ihrem Charakter her sehr
unterschiedliche Stücke. Ob sie alle aus einer Vorlage übernommen worden sind, ist unklar. Bei den ersten
beiden Stücken handelt sich um Übersetzungen der Ostersequenz „Victimae paschali“ und der Kollekte für
den Epiphaniastag. Es folgen die Zehn Gebote in deutscher Sprache in ihrer katechetischen Kurzform und
der von Luther gewählten Zählung sowie der Beginn des Cisiojanus. Bei der „Mysse des Warkeldages“
handelt es sich um das Formular für eine Messe ohne Kommunikanten, wie sie von Luther und anderen
Reformatoren eigentlich abgelehnt wurde18. Es schließt sich ein kurzer Abriß des Ablaufs einer Kranken-
kommunion an. Möglicherweise mit dieser zusammen hängt das folgende Gebet, in welchem Petrus, Maria
Magdalena und der Schächer als Beispiele für die sündenvergebende Barmherzigkeit Gottes erscheinen.
Den Abschluß der Sammlung bildet die Übersetzung des Beginns der Kollekte „Protector in te speran-
tium“19.
2. Bestätigung des zwischen der Gemeinde und den Geistlichen von Husum geschlossenen Vertrags durch
König Friedrich I., 17. November 1527 (Text S. 60)
In der zweiten Hälfte des 15. und zu Beginn des 16. Jh. erlebte Husum durch die rasche Zunahme des
Handels eine Blütezeit20. Von der Blüte des an der Westküste des Herzogtums Schleswig gelegenen Ortes

13 Vgl. Ficker, Niederdeutsche evangelische Messe,
S. 263f.
14 Ebd., S. 260.
15 Vgl. das in TRE 2, S. 7f. enthaltene Schema zu Luthers
„Deutscher Messe“.
16 Vgl. dagegen dessen Stellung in Luthers „Deutscher
Messe“, wo die Vermahnung zwischen Vater unser und
den Einsetzungsworten steht (Luther, WA 19, S. 95f.)

17 Vgl. TRE 2, S. 8. Die beiden Lieder stammen von Martin
Luther, s. AWA 4, Nr. 6, S. 168-170 und Nr. 4, S. 163f.
18 Vgl. auch die Einleitung zu den „Hadersiebener Artikeln“,
wo die Feier der Messe ohne Kommunikanten ausdrück-
lich untersagt wird (s. unten S. 44).
19 Ausführliche Beschreibung der acht Stücke bei Ficker,
Niederdeutsche evangelische Messe, S. 269-274.
20 Vgl. Panten, Katholische Zeit, S. 30f.

40
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften