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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Dörner, Gerald [Oth.]; Arend, Sabine [Oth.]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0276
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Die Ordnungen des königlichen Anteils

„Kirchenordnung“, bei der es sich aber lediglich um eine Zusammenstellung der Aufgaben des Pfarrers,
Kaplans und Küsters handelt79.
Die Heiligenstedtener Ordnung zeigt das für diese Zeit übliche starke Gefälle zwischen Pfarramt und
Kaplanei und die Abhängigkeit des Kaplans vom Inhaber der Pfarrpfründe. Die Bezeichnung „Kaplan“
wurde aus dem Mittelalter übernommen. An seine Stelle trat in den deutschsprachigen Gebieten der Her-
zogtümer erst im 17. Jh. der Begriff „Diakon“; im dänischsprachigen Raum hielt man dagegen am gewohn-
ten „Kaplan“ fest80. Nach den Berechnungen von Jensen gab es Ende des 16. Jh. 72 Kaplaneien in Schles-
wig und 56 in Holstein81.
Die Kapläne bzw. Diakone waren wie die Pfarrer ordinierte Geistliche. Ihre Stellen waren aber in der
Regel deutlich schlechter ausgestattet als die der Kirchherren. Ernst Feddersen spricht von „regelrechten
Hungerstellen“82. Hinzu kam die starke Abhängigkeit der Kapläne: Nach den Bestimmungen der „Kir-
chenordnung“ durfte der Heiligenstedtener Kaplan nur mit der Zustimmung des Pfarrers Gottesdienst
halten und predigen, die Beichte hören und Krankenbesuche machen. Die Pfarrer behielten sich vor allem
die Taufen, Kopulationen und Begräbnisse vor, weil mit den Kasualien die sogenannten „Stolgebühren“
verbunden waren, die bis ins 19. Jh. hinein einen wichtigen Teil der Einnahmen eines Geistlichen ausmach-
ten83. Während die Pfarrer den Hauptgottesdienst am Sonntagmorgen feierten, blieben den Kaplänen meist
nur die Neben- und Wochengottesdienste. In ihre Zuständigkeit fiel vor allem die Katechismusunterwei-
sung, die üblicherweise am Sonntagnachmittag stattfand. Darüber hinaus war den Kaplänen auf dem Land
durch die Schulordnung König Christians III. vom 25. Mai 1544 (Nr. 8) die Abhaltung der Kirchspiel-
schulen aufgebürdet worden84.
Vielfach versahen die Kapläne neben ihrer Stelle noch das Küsteramt85. So wurden auch dem Heiligen-
stedtener Kaplan von der „Kirchenordnung“ die Aufgaben des Küsters übertragen, wenn sich kein Inter-
essent für die Stelle fand. Darüber hinaus mußte der Kaplan die Vertretung des Pfarrers übernehmen, wenn
dieser wegen Krankheit oder Altersschwäche sein Amt nicht mehr versehen konnte oder gestorben war.
Eine Aufstockung des Verdienstes scheint mit den zusätzlichen Aufgaben nicht verbunden gewesen zu
sein86.
Angesichts der wenig attraktiven Bedingungen war die Verweildauer der Kapläne auf ihrer Stelle im
16. Jh. meist sehr kurz. Viele kehrten Heiligenstedten nach nur zwei Jahren bereits wieder den Rücken87. Im
17. Jh. scheint sich dann die Situation der Kapläne in Heiligenstedten und auch anderenorts etwas gebessert
zu haben. Nach Feddersen machte sich unter den Kaplänen bzw. Diakonen im 17. Jh. ein verstärktes
Standesbewußtsein bemerkbar. Zum einen strebten sie danach, den ungeliebten Schulunterricht loszuwer-
den; zum anderen drängten sie auf eine Beteiligung an den Kasualien und den damit verbundenen Einnah-
men. Diese Bestrebungen führten zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen mit den Pfarrern88.
Im Jahr 1652 entschied König Friedrich III. von Dänemark für die Propstei Münsterdorf, zu der auch
Heiligenstedten gehörte, daß den Kaplänen in Zukunft das Taufen, das Hören der Beichte und der Besuch

79 Beim Antritt ihrer Tätigkeit sollte ihnen die Ordnung je-
weils vorgehalten werden.
80 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 391.
81 Vgl. Hans Nikolai Andreas Jensen / J. Asmussen,
Historische Nachrichten über unsere Diaconate, in: Ar-
chiv für Staats- und Kirchengeschichte der Herzogthümer
Schleswig, Holstein, Lauenburg 1 (1833), S. 265-320.
82 Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 392.
83 Zu den Stolgebühren vgl. Lex. d. MA. 8, Sp. 190f.; HRG 4
(1990), Sp. 2005f.; LThK3 9, Sp. 1017f.; TRE 1, S. 335
(s.v. Abgaben); RGG4 7, Sp. 1746.
84 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 392. Zur Un-

terrichtsverpflichtung der Kapläne s. Nr. 8, S. 152: dat de
cappelane up dem land sülvest de schole holden.
85 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 392 mit Anm.
10.
86 Siehe dazu die Bemerkung: de Pastor edder nach sinem
afjsterven de wedewe [...] nicht hoger schall bemoyet und be-
sweret werden, alse obgesettet [gemeint sind die 45 Mark,
die der Pfarrer dem Kaplan gewöhnlich für seine Tätig-
keit zahlte].
87 Vgl. den Überblick in Arends, Gejstligheden 3, S. 139.
88 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 393f.

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