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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0330
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Die Ordnungen des Gottorfer Anteils

mit Berufung auf die altkirchlichen Symbole (das Apostolicum und das Athanasianum) gegen die calvini-
stische Christologie mit ihrer scharfen Unterscheidung der beiden Naturen in der Person Jesu Christi153.
Der Predigereid von 1574 erlangte im Herzogtum Gottorf den Status einer Bekenntnisschrift154. Er
begründete die anti-calvinistische Prägung des Herzogtums155. Als Zeugnis für die Rechtgläubigkeit der
Gottorfer Kirche versandte ihn Eitzen 1576 an Kurfürst August von Sachsen und 1579 an Landgraf Wil-
helm von Hessen156. Nach einem Bericht von Eitzens Nachfolger, dem Generalpropst Jakob Fabricius d.Ä.,
aus dem Jahr 1606157 mußte der Eid von allen Kandidaten für ein geistliches Amt vor der Ordination
geleistet werden. Dies galt auch für die Geistlichen in den beiden niedersächsischen Ämtern Peine und
Steuerwald158. Anläßlich der Huldigung Herzog Friedrichs II. gelobten 1587 alle Prediger feierlich gegen-
über dem Fürsten, seinem Kanzler und seinen Räten, stets am Predigereid festzuhalten. Nach Fabricius’
Darstellung erhielt der Predigereid 1589 auf seinen Vorschlag hin einen Zusatz159, in dem sich alle Geistli-
chen verpflichteten, daß sie fleissig studiren, ihr ampt mit treuwen warten, nichtes disputirliches neuwes etc.,
viel weniger weitleuffige Disputationes, unnötige gezenck, ungewiß geruckte auff die Cantzel oder sonst unter
Leute bringen, das straff amt gebürlich führen, in Kirchen gebreuchen nichts enderen, im leben Christlich sich
verhalten160.
Fabricius sah im Predigereid von 1574 einen der Gründe für die ruhige und friedliche Entwicklung der
Gottorfer Kirche161. Mit dem Vordringen des Calvinismus am Gottorfer Hof unter Herzog Johann Adolf
war der betont gegen calvinistische Anschauungen gerichtete Eid jedoch nicht mehr haltbar. Anscheinend
gab es 1605 erste Betrebungen, ihn abzuschaffen. Als Fabricius den Eid in einer Predigt verteidigte, mußte
er das Konzept der Predigt zur Prüfung einreichen162.
Der neue Eid entstand an der Jahreswende von 1606 auf 1607, als der Hof längere Zeit in Kiel weilte,
während sich Fabricius weiterhin in Gottorf aufhielt163. Am 4. Januar 1607 erklärte Herzog Johann Adolf
die Aufhebung des alten Predigereides. Der neue Eid, der fortan bei der Ordination geleistet werden sollte,
vermied jegliche lehrmäßige Festlegung. Er enthielt nurmehr eine Bindung an die Heilige Schrift, jedoch
nicht mehr an konkrete Bekenntnisse wie die Confessio Augustana, die Schmalkaldischen Artikel oder
Luthers Katechismen. Insbesondere beseitigte er die Lehrautorität Luthers164. Zugleich entband er die
Geistlichen von der Beachtung der Zeremonien, die nicht in der Bibel enthalten sind, und damit auch von
den in der Kirchenordnung von 1542 vorgeschriebenen Zeremonien165. Den Geistlichen wurde jegliches
Wortgezenke, Scheltwort, Lesterung unnd persöhnliche Anzihung ausdrücklich untersagt. Damit griff der Eid
dem Predigtmandat des Herzogs vom 11. April 1609 vor (Got Nr. 19). Ausdrücklich betont wird in dem
neuen Eid die Verpflichtung zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit und den Visitatoren.
Nach dem Tod Herzog Johann Adolfs und der Wiedereinsetzung von Jakob Fabricius d.Ä. als Gene-
ralpropst (s. unten S. 324) wurde der alte Predigereid von 1574 wieder eingeführt. Er fand bis zum Jahr
1734 als Ordinationseid im Gottorfer Anteil Verwendung166.

153 Vgl. auch Eitzens 1590 entstandene Schrift „Unterscheidt
der lere im Artickel vom heiligen Abendmal [...] zwischen
den Calvinisten und Brentianern und den Rechtschaffen
Lutterischen“, Schilling, Paul von Eitzen, S. 51.
154 Vgl. Alwast, Kirchenregiment, S. 21.
155 Ebd., S. 23.
156 Vgl. Feddersen, Lutherische Konkordie, S. 93.
157 Jakob Fabricius’ Bericht ist ediert in Feddersen, Lu-
therische Konkordie, S. 211-213.
158 Ebd., S. 211.
159 Der Zusatz ist abgedruckt bei Lau, Geschichte der Ein-

führung, S. 261f. Lau datiert den Zusatz jedoch in das
Jahr 1617.
160 Feddersen, Lutherische Konkordie, S. 211.
161 Ebd., S. 211.
162 Vgl. Andresen / Stephan, Gottorfer Hof- und Staats-
verwaltung 1, S. 335. Zur Verteidigung seiner Position
verfaßte Fabricius den obengenannten Bericht über die
Geschichte des Predigereides.
163 Vgl. Feddersen, Kirchengeschichte 2, S. 158.
164 Vgl. Alwast, Kirchenregiment, S. 31.
165 Vgl. Feddersen, Kryptocalvinismus, S. 362.
166 Vgl. Feddersen, Lutherische Konkordie, S. 96.

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