Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]; Dörner, Gerald [Oth.]; Arend, Sabine [Oth.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0341
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Einleitung

Während der Jahre 1607 und 1608 kam es zu weiteren Aktionen der lutherischen Geistlichkeit gegen die
Täufer. Eine der treibenden Kräfte war dabei der neue Eiderstedter Propst Georg Crusius (Cruse)258, der
den Kampf gegen die verschiedenen täuferischen Gruppen sehr viel rigoroser führte als sein Vorgänger
Pistorius259. Den Auslöser für die Untersuchungen bildete dieses Mal eine Anzeige des Tönninger Pfarrers
Anton Werner260, der verschiedene Mennoniten und Joriten der Häresie beschuldigte. Die Beschuldigten
wurden daraufhin von den Visitatoren vorgeladen und nach ihrer Vernehmung zur Vorlage eines schriftli-
chen Glaubensbekenntnisses aufgefordert. Daraufhin reichten vier Täufer (zwei aus Tönning: Johann Clau-
sen Coodt, Bouwen Adrians, und zwei aus Oldenswort: Peter Adrian Bouwens, Simon Lammers) gemein-
sam ein 14 Artikel umfassendes Bekenntnis ein261. Die Verfasser bestritten darin den Geistlichen das Recht,
über ihren Glauben zu urteilen, weil nur Gott Richter sein könne. Das Bekenntnis schloß mit den Worten:
Wy geloven alles, wat Christen schuldig sin um tho geloven, und alles, wat von Godt und sinen propheten und
apostel geleret worden; dat is unser geloven und fast betruwen; und alse wy dat hebben, so fragen wy nichtes darna,
wat de minschen uns lästern und schulden, wente unse gelove und faste vertruwen is an Godt262.
Vom Propst Crusius wurde das Bekenntnis als unzureichend zurückgewiesen, weil in ihm auf die von der
Lehre der Kirche abweichenden Punkte gar nicht oder nur unzureichend eingegangen worden sei263. Neben
dem genannten wurden noch zwei weitere Bekenntnisse übergeben: ein kürzeres von Cornelius Jakobson aus
Oldenswort in niederdeutscher Sprache und ein in niederländischer Sprache verfaßtes, in dem vor allem die
Bedeutung der guten Werke hervorgehoben war264. Für den 31. August 1607 wurde eine Disputation ange-
setzt265.
Am Morgen des 31. August fand zunächst eine Unterredung mit den vier Unterzeichnern des gemein-
samen Bekenntnisses statt. Nach einem über das Gespräch angefertigten Bericht wurden die vier Menno-
niten zu den Themen Kindertaufe, Erbsünde, Abendmahl, Rechtfertigung, Inkarnation, Kirche, Beichte,
Ehe, Obrigkeit und Eid befragt. Am Nachmittag wurden dann neben Cornelis Jakobson aus Oldenswort,
der sich selbst als Mennonit bezeichnete, fünf Anhänger des David Joris angehört266. Entgegen den Erwar-
tungen der Geistlichen waren die Täufer nicht zum Widerruf bereit. Vielmehr richteten sie ein Schreiben an
Johann Adolf, in welchem sie den Herzog um Schutz baten267.
Ein Jahr später nahmen der Staller Hermann Hoyer und die Eiderstedter Geistlichkeit einen neuen
Anlauf. In einer Eingabe forderten sie die Gottorfer Regierung zum Einschreiten auf, weil sie in den Täu-
fern (Mennoniten und Davitisten und andere spranten) eine Gefahr für die Einheit der Kirche und für das
Seelenheil der Gläubigen erblickten. Sie warnten den Herzog nachdrücklich vor einem neuerlichen Umsich-
greifen des spiritus Munsterianus268. Da sich die Täufer aber ihrerseits in einem Schreiben an Johann Adolf
gewandt und ihre Bereitschaft zu einem neuen Gespräch erklärt hatten, wies der Herzog am 7. Juni 1508
seinen Kanzler, den Generalpropst sowie den Eiderstedter Staller und den Eiderstedter Propst an, ein
friedliches [...] Colloquium mit den Täufern abzuhalten269.

257 Vgl. Hansen, Wiedertäufer in Eiderstedt, S. 180f. und
185.
258 Vgl. Arends, Gejstligheden 1, S. 177 und 3, S. 77. Cru-
sius (1544-1619) hatte in Wittenberg studiert und war
dort zum Mag. art. promoviert worden. 1574 wurde er
Pastor in Kotzenbüll. 1605 trat er die Nachfolge des ver-
storbenen Propstes Johannes Pistorius an.
2o9 Vgl. Hansen, Wiedertäufer in Eiderstedt, S. 181 und
187.
260 Zu Werner vgl. Arends, Gejstligheden 2, S. 359.
261 Vgl. Hansen, Wiedertäufer in Eiderstedt, S. 187f.
2b2 Abdruck des Bekenntnisses ebd., S. 188-191 (Zitat
S. 191).

263 Ebd., S. 191.
2b4 Abdruck von Jacobsons Bekenntnis ebd., S. 192f., des Be-
kenntnisses in niederländischer Sprache, S. 193-198.
265 Vgl. Nippold, David Joris, S. 661f.
266 Abdruck des Berichts in Hansen, Wiedertäufer in Eider-
stedt, S. 202-206 (Handlung mit denen, so man Wiedertäu-
fer nennt-, Hactenus Mennonitae), und ebd., S. 206-208
(Folgen etlfich] von den Davidisten).
267 Ebd., S. 208.
268 Abdruck des Konzepts der Eingabe ebd., S. 210-214.
269 Vgl. Nippold, David Joris, S. 663; Hansen, Wiedertäu-
fer in Eiderstedt, S. 215.

321
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften