Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Dörner, Gerald [Bearb.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (23. Band = Schleswig-Holstein): Die Herzogtümer Schleswig und Holstein — Tübingen: Mohr Siebeck, 2017

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41731#0455
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Einleitung

1. Die Bauernrepublik Dithmarschen bis 1559
Dithmarschen erstreckt sich im Süden von der Elbmündung entlang der Nordseeküste bis zur Eidermün-
dung. Nach der Schlacht von Bornhöved 1227 wurde Dithmarschen (terra Thitmarsie) endgültig unter die
Lehnshoheit der Erzbischöfe von Hamburg-Bremen gestellt. Das Lehnsverhältnis bestand jedoch lediglich
nominell, da Dithmarschen - neben der Eidgenossenschaft - eines der wenigen genossenschaftlich organi-
sierten Gemeinwesen im ländlichen Raum war.
Die verfassungsrechtliche Sonderstellung des auch als Bauernrepublik bezeichneten Landes beruhte
unter anderem auf den naturräumlichen Gegebenheiten, da bei der Besiedelung der Marsch und dem damit
erforderlichen Deichbau sowie anderen Landsicherungsmaßnahmen genossenschaftliche Strukturen erfolg-
reicher waren als die erzbischöfliche Vogtherrschaft1.
Die Kirchspiele nahmen in Dithmarschen eine besondere Rolle ein. Nachdem im Zuge der Christiani-
sierung der Sachsen noch vor 826 die erste Dithmarscher Kirche in Meldorf errichtet worden war, die zu den
ersten Taufkirchen Nordelbingiens zählte2, waren um 1140 weitere Kirchen in Tellingstedt, Weddingstedt,
Süderhastedt, Uthaven, Büsum und Lunden hinzugekommen. Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts waren
schließlich die 24 Dithmarscher Kirchspiele entstanden, die zur Erzdiözese Hamburg-Bremen gehörten3.
Sämtliche Pfarreien waren in fünf Döfften zusammengefaßt, der Wester-, Mittel-, Oster- und Süder- sowie
der Meldorfer Döfft4.
Die Kirchspiele fungierten nicht nur als geistliche Sprengel, sondern führten seit dem 12. Jahrhundert
auch Deich- und Landsicherungsaufgaben durch und nahmen zunehmend politische sowie gerichtliche Auf-
gaben wahr. So stellten die Kirchspiele auch politische Bezirke sowie Verwaltungs-, Gerichts-, Polizei- und
Steuerdistrikte dar, die den Ratskollegien in Hansestädten vergleichbar waren. Die politische Selbständig-
keit der Dithmarscher Kirchspiele ging so weit, daß sie Verträge, etwa mit der Hansestadt Hamburg,
abschlossen5. Lediglich auf die Einsetzung der Geistlichen, die Gottesdienstordnung und die geistliche Ju-
risdiktion hatten die Kirchspielskollegien keinen Einfluß, da diese Bereiche dem Hamburger Dompropst
unterstanden6.
Die Kirchspiele wurden repräsentiert durch die jährlich gewählten Schlüter (Schließer / clavigeri), die
ursprünglich die Aufgabe hatten, die Kirchengüter zu verwalten, und die Swaren (geschworene/iurati), die
ein Aufsichtsorgan kirchlicher Angelegenheiten darstellten. Schlüter und Swaren stammten aus den Reihen

1 Chalybaeus, Geschichte, S. 5-62.
2 Koppen, Kirche in Dithmarschen, S. 66-68, 73;
Gaasch, Pfarrorganisation 1952, S. 40-44; Chaly-
baeus, Geschichte, S. 29.
3 Koppen, Kirche in Dithmarschen, S. 68-78; Elsner,
Verwaltungsform, S. 23-25; Arends, Gejstligheden III,
S. 120-134. Zur Entstehung des Dithmarscher Pfarrei-
wesens siehe Stoob, Kirchspiele, S. 97-111; Gaasch,
Pfarrorganisation 1952, S. 56-81; Bolten, Geschichte 4,
S. 23-30; Missfeldt, Staat und Kirche, S. 57.
4 Hansen, Topographie, S. 256-259; Elsner, Verwal-
tungsform, S. 25-30; Bolten, Geschichte 4, S. 120f. Zur

Topographie der Kirchspiele Dithmarschens siehe ebd.,
S.191-221.
5 Elsner, Verwaltungsform, S. 30-35, 56-58; Wülfing,
Dithmarschen, Sp. 1130f.; Missfeldt, Staat und Kir-
che, S. 57f.; Stoob, Kirchspiele, S. 125; Rolfs, Kirch-
liche Verfassung, S. 165; Bolten, Geschichte 4,
S. 116-119.
6 1223 hatte der Bremer Erzbischof die geistliche Gerichts-
barkeit in Dithmarschen an den Hamburger Dompropst
delegiert, der seit dieser Zeit die Pfarrstellen besetzte,
Missfeldt, Staat und Kirche, S. 66f.; Stoob, Kirch-
spiele, S. 124.

435
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften