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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0144
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Die Kirchenordnungen. Die Mark Brandenburg.

Und weil die schulmeister und ihre gesellen
an statt der eltern sein, sollen sie sich der jugend
aufs treulichste annehmen und sie im catechismo
und sonst in guten künsten mit fleisse instituiren
und wol lehren, auch die gesenge in der kirchen,
vermüge unser kirchenordnung, zu gebührlicher
zeit mit fleisse halten und singen.
Und da wir auch berichtet sein, das die
schulmeister und ihre gesellen, weil viel arbeit
zu lesung und repetierung der grammatica gehört,
zu den poeten und andern grosen lectionibus, die
lustiger zu lesen sein, dann die grammatica zu
repetirn ist, eilen oder zwei, drei, auch wol vier
jar uber der grammatica lesen, viel unnöthig
comment dabei dictirn und also die jugend ver-
seumen und verderben, sintemal sie nimmermehr
recht latine reden oder schreiben lernen können,
wo sie in den regulen grammatices ungeübet und
ihnen dieselben zu rechter zeit nicht wol ein-
gebildet werden.
Derhalben, damit diese und ander unrichtig-
keiten verhütet bleiben mügen, sollen die schul-
meister und ihre gesellen dissfals und auf die
ganze schulordnung von dem rathe und pfarrer in
gelübte und pflichte genommen und ihnen sonder-
lich mit eingebunden werden, unverdrossen zu
sein, mit den knaben alle tage grammaticam und
sintaxin zu üben, auch mit ihnen aus allen lec-
tionibus zu declinirn, coniugirn und constructiones
zu suchen und sie daneben fleissig gewehnen,
langsam, klar und unterscheidlich zu lesen und
zu reden, auch zu einer guten gemeinen leser-
lichen schrift, die wol distinguirt sei, und in
summa, sie sollen mit höchstem fleisse dahin ge-
richt sein, die jugend zu gottes erkantnuss und
furcht, auch zugleich in guten freien künsten und
sitten mit treuen fleisse zu erziehen und zu unter-
weisen, das dadurch gottes ehre vermehret, auch
der kirchen und gemeine nutz gesucht werden
möge.
Sie sollen auch mit den knaben als tyrannen
nicht umgehen, sondern mit vernunft und mass,
dieselbigen mit ruthen, ohne verwundung oder
beschedigung ihres leibs und gesundheit, züchtigen.
Und auf das die jugend zum fleisse mehr
anreizung haben möge, sollen die schulmeister sie
nach gelegenheit ihrer geschickligkeit in classes
ordentlich theilen und zu zweien monaten, ein
jeden, nach dem er in der lehr zu- oder ab-
genommen, herfürziehen oder zurücksetzen, auch
sich allewege mit dem pfarrer und dreien aus
dem rathe oder gemein, die es verstehen, was in
jedem classe vor lectiones, die den knaben wegen
ihres alters und verstande nicht zu viel oder zu
geringe zu lesen sein, vergleichen und darinne,
auch sonst in kirchenregiment und gesengen,
sollen sie der pfarrer rath leben, doch das unserer

christlichen kirchenordnung in dem nichts zuwider
fürgenommen werde.
Damit demselben auch also nachgesatzt und
die jugend christlich und wol möge instituirt und
fleissig in den schulen gelesen werden, sollen die
pfarrer, neben zweien des raths und zweien aus
der gemeine, die schulen alle monath einmal
visitirn, die knaben examinirn und gute acht
darauf haben, das sie in den fürnemsten stücken
christlicher lehre und kirchengesengen, doch am
meisten lateinisch, wol geübet werden.
Also soll auch um mehrers ansehens willen
alle viertel jahr ein gemein examen der knaben
oder disputation in beisein des pfarrers, auch des
regierenden burgermeisters, stadtschreibers und
zwene des raths und etlicher aus der gemein, so
es verstehen, gehalten werden; und darmit die
knaben mit grösserm fleisse zu studieren anreizung
haben und sich auf das examen oder disputation
freuen, auch dazu rüsten mögen, sollen etliche
groschen aus dem gemeinen kasten genommen und
denen, so am besten im examine respondirt und
sich gebessert haben, zur verehrung ausgetheilet
werden.
Auf das aber die schulmeister und ihre ge-
hülfen ihre billiche unterhaltung haben mögen,
sollen die bürger neben dem, das ihnen von
unsern visitatorn aus dem gemeinen kasten ver-
ordent, nicht alleine von ihren kindern das pre-
cium oder quartalgelt unverzüglich und treulich
entrichten, sondern auch sonst nach vermügen
und nach eines jeden orths gebrauche, als
wann die schüler am tage Martini oder neuen
jahrestage umsingen, den schulpersonen milde ver-
eherungen mittheilen und sonst gute fürderungen
erzeigen.
Und weil dann die erfahrung gibt, das die
schulmeister und ihre gesellen durch das panke-
tieren in hochzeiten und sonst die jugend nicht
wenig verseumen, soll ihnen hinfüro auf hoch-
zeiten zu gehen nicht gestattet, sondern ihnen
sonst vor ihre mühe, das sie die brautmesse und
andere gesenge in der kirchen bestellen, etwann
ein orths- oder ein halber thaler, nach des breu-
tigams vermügen, gegeben werden.
Könten aber die schulmeister oder ihre ge-
sellen, iren angeborn freunden zun ehren, zur
hochzeit zu kommen mit fuge nicht abschlagen,
sollen sie solches dem pfarrer vermelden und
andere, die ihre lectiones indes mitgewarten, be-
stellen und vormügen und der jugend desshalb
spaziren zu gehen nicht ursach geben.
Wir seind auch berichtet, das die schul-
gesellen, wann sie etwann unlustig sein oder zur
hochzeit und dem saufen nachgehen wollen, sechs
oder sieben junge knaben ihre lectiones zugleich
aufsagen lassen, auch in latin geben und sonst
 
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