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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (3. Band): Die Mark Brandenburg, die Markgrafenthümer Ober-Lausitz und Nieder-Lausitz, Schlesien — Leipzig: O.R. Reisland, 1909

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https://doi.org/10.11588/diglit.26784#0145

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Visitations- und Consistorialordnung von 1573.

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trefflich unfleissig sein, von deswegen mannicher
junger knabe sehr verseumet wird, das er wol
könte in einem vierteljahre so viel lernen, das
er sonst zwei oder drei jahr uber zubringen muss,
oder die eltern eigene schulmeister und gesellen,
wo sie anders ihre kinder nicht wollen gar ver-
seumen lassen, mit grossen schweren unkosten in
ihren heusern oder sonst zu halten verursacht
werden. Darum wollen wir, das die pfarrer und
rath darauf achtung geben und sie ihres amts
erinnern oder desselbigen genzlich entsetzen sollen.
Damit auch unter dem gemeinen man, kirchen-
und schuldienern unterscheid sein und einer vor
dem andern erkant werden möge, sollen sie sich
hinfüro aller leichtfertigen, kurzen, zerhackten
und zerschnittenen kleidung, auch ubermessigen
verbremung derselbigen enthalten.
Zu dem sollen sie hierin und sonst ihren
discipeln kein ergerliche exempel geben, sondern
sich vor schampharen worten und thaten in ihrer
gegenwart mit fleisse hüten, auch ire leben und
sitten also anstellen und dahin richten, das die
discipel in gottfürchtigkeit und tugenden von inen
können anleitungen haben , in ansehung, das die
jugend gemeiniglich iren praeceptorn in ihren
wandel, gott gebe der sei gut oder böse, pfleget
zu folgen, in meinung, das es ihnen also auch
gebühre und wol anstehe.
Und weil es im menschlichen kreften nicht
stehet, solchs alles wider des teufels fallstricke
auszurichten, sollen die preceptores gott aufs
fleissigste bitten, das sie mögen dasjenige aus-
richten, was ihr stand erfordert und allewege ge-
denken, das gott und die engel zusehen, wie sie
die jugend erziehen.
Dise und andere nutzliche statuta, die zu
gottes ehre, erbar sitten, zucht und guten exem-
peln dienstlich sein und das die jugend ehrlich
zur kirchen gehe, predigt höre, nicht fluche, lester-
lichen rede, füllerei und unzucht meide, gebühr-
liche kleider bis unter die knie, nicht zerhauen
oder sonst zu prechtig, trage und was mehr zu
der schulordnung gehörig und nötig, werden unsere
visitatores neben dem rathe, pfarrer und schul-
meister, nach eines jeden orts gelegenheit, mit
hülfe des allmechtigen zu machen und anzurichten
wissen.
Von den discipeln.
Die discipel sollen gott aus grund ires herzen
anrufen, das er ihre studia dahin wolte richten,
das die mit der zeit zu der kirchen oder gemeinen
nutzen gereichen möchten.
Darnach sollen sie ihre praeceptores fürchten,
ehren, gros und werth halten und alles guts von
ihnen reden, ihre vermahnung und strafe gerne

dulden, fleissig zur schule gehen, ihre lectiones
ofte repetirn und keinen tag vergeblich und ohne
nutz und zunehmen vorbei gehen lassen. Dess-
gleichen sollen sie feine erbare ungebremte kleider
und keine pluderhosen tragen, auch züchtig und
messig leben und sich gegen ihren eltern, wirten
und sonst jedermenniglich fein eingezogen und
reverenter halten.
Und weil die schüler einstheils arme gesellen
sein und keinen freien tisch haben, sollen die
pfarrer die leute in predigten adhortiren, das sie
den armen fleissigen knaben, die vor den thüren
die almosen suchen, mildiglich nach ihrem ver-
mügen geben und die ander müssiggenger und
schulflüchtige bettelbuben hinwegweisen, in an-
sehung, das dieselbigen alleine ihren müttern und
andern weibern zutragen, die daheim faulenzen
und solchs in unzucht verzehren.
So seind auch etliche schüler, so auf den
schulen und in andern heusern liegen, die vor den
thüren ohne unterlass betteln, und wann sie was
bekommen, desselbige des abends verschwelgen
und doch dabei nichts studieren; allein, das sie
des bauchs unzucht und büberei wahrnehmen,
darum sollen die pfarrer und caplene jedes orts
darauf sehen, das dieselbigen weggetrieben und
ihr betteln abgeschafft werde, dann wann es von
bürgern erfahren, werden sie den schülern zu
geben unwillig und müssen also die frommen und
fleissigen knaben solcher müssiggenger entgelten.
Von der jungfer schulen.
Die jungfrauenschulen seind sehr nützlich
und wol erdacht; darum sollen die bürger ihre
töchter darinne lesen, schreiben, beten und christ-
liche gesenge lernen lassen und zu erhaltung der-
selbigen schulen, den vorwaltern ihren lohn treu-
lich und unverzüglich geben.
So sollen auch die rethe in stedten sie nach
gelegenheit mit freien wohnungen und etlichen
holz versehen und mit keinen schossen belegen,
auch sonst ihnen alle mügliche forderung wider-
fahren lassen.
Von den stiften, mönchen- und jung-
frauenclostern.
Die visitatores sollen den stifts- und closter-
personen ernstlich befehlen und auflegen, das sie
sich den pfarrkirchen in predigen, communion
und andern christlichen ceremonien gleichförmig
machen und sonderlich, wie solchs unsere christ-
liche kirchenordnung und brevir mitbringet, auch
sonst alle missbreuche der opfermess, heiligen
anrufen, gelübten, samt andern gotteslesterungen,
genzlich abthun und abschaffen, und wo in stiften
 
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