170
Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.
sich nicht auf eine geschriebene Danziger Agenda, sondern auf die katholischen Zustände be-
ziehe, an denen man mit Rücksicht auf den Hof möglichst wenig ändern wollte, so ist das ein
Irrthum; die „alte Ordnung“ ist die Ordnung von 1557.
Wenn man von der kurzen Aufzeichnung von 1557 absieht, hat im ganzen 16. Jahr-
hundert Danzig keine officielle Agende gehabt. So konnten bei der Berathung der ersten
officiellen Agende Danzigs von 1708 die Geistlichen erklären, die evangelische Kirche Danzigs
habe bis dahin keine „Agenda“ besessen — Schnaase, S. 130 —, was natürlich mit Ein-
schränkungen zu verstehen ist. Denn wo der Rath versagte, halfen sich die Geistlichen selbst.
Charakteristisch ist dabei das lange Festhalten an den alten Formen. Das erklärt sich aus
der Entstehung der Kirche, wo man über dreissig Jahre lang die evangelische Lehre neben
fast unverändertem katholischen Ritus bekannte (Hirsch 2, S. 230), und aus der Ängst-
lichkeit, mit welcher der Rath an eine Änderung gerade in äusseren Dingen heranging. So
weist denn der Gottesdienst noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts zahlreiche katholische
Formen auf, wie Metten, Messen, Vesper, Feier der meisten katholischen Feiertage, wie der
Marienfeste, Lichter, Caseln u. s. w., namentlich aber auch den fast ausschliesslichen Gebrauch
der lateinischen Sprache (Hirsch 2, S. 232). Die Anregungen, die deutsche Sprache in der
Liturgie durchzuführen — vgl. den von mir oben ausführlich besprochenen Entwurf, der viel-
leicht identisch ist mit dem von Hirsch 2, S. 231 Anm., erwähnten —, fielen beim Rathe auf
keinen fruchtbaren Boden; er mochte gerade die lateinische Sprache als ein Kennzeichen für
den Zusammenhang mit der alten Kirche betrachten, das man gelegentlich der Krone gegen-
über in das Feld führen konnte. Kein Wunder war es deshalb, dass die Prediger hie und dort
selbständige Änderungen vornahmen oder sich fremder Agenden bedienten. Aus Andeutungen
in den Schriften des Copius (Hirsch 2, S. 232 Anm.) erfahren wir auch von solchen gedruckten
oder geschriebenen fremden Agenden, z. B. der Sächsischen, Nürnbergischen und Branden-
burgischen (eine Breslauische wird nicht erwähnt). An St. Johannis und St. Marien hielt man
besonders stark an den alten Formen fest (Hirsch 2, S. 232 Anm.); man betrachtete später gerade
in den alten Ceremonien ein Kennzeichen echten Lutherthums gegenüber dem Calvinismus
(Hirsch 2, S. 233 ff.). Erst seit 1590 wurden die alten Ceremonien mehr und mehr abgeschafft,
so die lateinische Sprache in der Liturgie, die Lichter, die Privatbeichte u. s. w. (Für die
Privatbeichte wird für die ältere Praxis ein zu Danzig und Königsberg gedrucktes Beicht-
büchlein von Hirsch 2, S. 238, genannt, welches ich bis jetzt noch nicht aufgefunden habe.)
Über den durch die Abschaffung der Ceremonien entstandenen Ceremonienstreit vgl. Hirsch
2, S. 226 ff.
Ebenso wenig wie für den Gottesdienst ist für andere Theile des Kirchenrechts, z. B.
das Vermögensrecht, die Gesetzgebung des Rathes eine sehr fruchtbare gewesen. Man liess
es wesentlich beim Alten und vertraute auf die gewohnheitsrechtliche Fortbildung. Geeigneten-
falls konnte man ja immer eingreifen.
Da ist nun von hohem Interesse eine Zusammenstellung, welche die Kirchväter von
St. Marien im Jahre 1612 vorgenommen und dem Rathe zur Sanktion unterbreitet haben — die
allerdings wohl nicht erfolgt ist. Die Kirchväter stellen hier mit grossem Fleisse das Gewohn-
heitsrecht für die Verwaltungsthätigkeit der Kirchenväter in Paragraphen zusammen und
nehmen in diese ihre Aufzeichnung alle einschlagenden Erlasse des Rathes auf. Die grund-
legende Rathsordnung, von der die Kirchenväter hierbei (im Jahre 1612!) ausgehen, stammt
aus der katholischen Zeit, nämlich vom Jahre 1457. Das ist die „alte Kirchenordnung“, von
der in der Ordnung öfters die Rede ist, z. B. in den Artikeln 1, 4, 7.
Ausserdem kann diese Aufzeichnung nur noch zwei einschlagende Rathsordnungen aus
dem 16. Jahrhundert namhaft machen, nämlich einen Raths-Abschied über Zwangsvollstreckungs-
privilegien bei kirchlichen Schulden vom 16. Januar 1573 (Nr. 36) und eine Chorordnung von
Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.
sich nicht auf eine geschriebene Danziger Agenda, sondern auf die katholischen Zustände be-
ziehe, an denen man mit Rücksicht auf den Hof möglichst wenig ändern wollte, so ist das ein
Irrthum; die „alte Ordnung“ ist die Ordnung von 1557.
Wenn man von der kurzen Aufzeichnung von 1557 absieht, hat im ganzen 16. Jahr-
hundert Danzig keine officielle Agende gehabt. So konnten bei der Berathung der ersten
officiellen Agende Danzigs von 1708 die Geistlichen erklären, die evangelische Kirche Danzigs
habe bis dahin keine „Agenda“ besessen — Schnaase, S. 130 —, was natürlich mit Ein-
schränkungen zu verstehen ist. Denn wo der Rath versagte, halfen sich die Geistlichen selbst.
Charakteristisch ist dabei das lange Festhalten an den alten Formen. Das erklärt sich aus
der Entstehung der Kirche, wo man über dreissig Jahre lang die evangelische Lehre neben
fast unverändertem katholischen Ritus bekannte (Hirsch 2, S. 230), und aus der Ängst-
lichkeit, mit welcher der Rath an eine Änderung gerade in äusseren Dingen heranging. So
weist denn der Gottesdienst noch gegen Ende des 16. Jahrhunderts zahlreiche katholische
Formen auf, wie Metten, Messen, Vesper, Feier der meisten katholischen Feiertage, wie der
Marienfeste, Lichter, Caseln u. s. w., namentlich aber auch den fast ausschliesslichen Gebrauch
der lateinischen Sprache (Hirsch 2, S. 232). Die Anregungen, die deutsche Sprache in der
Liturgie durchzuführen — vgl. den von mir oben ausführlich besprochenen Entwurf, der viel-
leicht identisch ist mit dem von Hirsch 2, S. 231 Anm., erwähnten —, fielen beim Rathe auf
keinen fruchtbaren Boden; er mochte gerade die lateinische Sprache als ein Kennzeichen für
den Zusammenhang mit der alten Kirche betrachten, das man gelegentlich der Krone gegen-
über in das Feld führen konnte. Kein Wunder war es deshalb, dass die Prediger hie und dort
selbständige Änderungen vornahmen oder sich fremder Agenden bedienten. Aus Andeutungen
in den Schriften des Copius (Hirsch 2, S. 232 Anm.) erfahren wir auch von solchen gedruckten
oder geschriebenen fremden Agenden, z. B. der Sächsischen, Nürnbergischen und Branden-
burgischen (eine Breslauische wird nicht erwähnt). An St. Johannis und St. Marien hielt man
besonders stark an den alten Formen fest (Hirsch 2, S. 232 Anm.); man betrachtete später gerade
in den alten Ceremonien ein Kennzeichen echten Lutherthums gegenüber dem Calvinismus
(Hirsch 2, S. 233 ff.). Erst seit 1590 wurden die alten Ceremonien mehr und mehr abgeschafft,
so die lateinische Sprache in der Liturgie, die Lichter, die Privatbeichte u. s. w. (Für die
Privatbeichte wird für die ältere Praxis ein zu Danzig und Königsberg gedrucktes Beicht-
büchlein von Hirsch 2, S. 238, genannt, welches ich bis jetzt noch nicht aufgefunden habe.)
Über den durch die Abschaffung der Ceremonien entstandenen Ceremonienstreit vgl. Hirsch
2, S. 226 ff.
Ebenso wenig wie für den Gottesdienst ist für andere Theile des Kirchenrechts, z. B.
das Vermögensrecht, die Gesetzgebung des Rathes eine sehr fruchtbare gewesen. Man liess
es wesentlich beim Alten und vertraute auf die gewohnheitsrechtliche Fortbildung. Geeigneten-
falls konnte man ja immer eingreifen.
Da ist nun von hohem Interesse eine Zusammenstellung, welche die Kirchväter von
St. Marien im Jahre 1612 vorgenommen und dem Rathe zur Sanktion unterbreitet haben — die
allerdings wohl nicht erfolgt ist. Die Kirchväter stellen hier mit grossem Fleisse das Gewohn-
heitsrecht für die Verwaltungsthätigkeit der Kirchenväter in Paragraphen zusammen und
nehmen in diese ihre Aufzeichnung alle einschlagenden Erlasse des Rathes auf. Die grund-
legende Rathsordnung, von der die Kirchenväter hierbei (im Jahre 1612!) ausgehen, stammt
aus der katholischen Zeit, nämlich vom Jahre 1457. Das ist die „alte Kirchenordnung“, von
der in der Ordnung öfters die Rede ist, z. B. in den Artikeln 1, 4, 7.
Ausserdem kann diese Aufzeichnung nur noch zwei einschlagende Rathsordnungen aus
dem 16. Jahrhundert namhaft machen, nämlich einen Raths-Abschied über Zwangsvollstreckungs-
privilegien bei kirchlichen Schulden vom 16. Januar 1573 (Nr. 36) und eine Chorordnung von