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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0261
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Kirchenordnung für Thorn von 1575.

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ist. Dabei zu merken, dass die gefangenen, wann
man sie communiciren will, aus dem stock und
strancke in des stockmeisters stube oder in ein
anderes bequemes gemach sollen geführet, aber
doch also in verwahrung gehalten werden, damit
sie weder sich noch andere beschädigen mögen,
denn der satan bei solchen geängstigten leuten
mancherlei zuversuchen pfleget. Sonderlich aber
ist höchst vonnöthen, dass an dem gerichtstage
des morgens frühe etliche stunden zuvor, ehe sie ge-
richtet werden, die kirchendiener bei solchen leuten
erscheinen, damit sie ihnen, ehe man sie angreift,
für gericht und an die wahlstadt führet, die
furcht und schande ihres todes, über welche sie
dazumahl sonderlich kämpften, zittern und zagen,
durch den trost göttl. wortes aus ihren herzen
etlicher massen, so viel gott gnade giebt, ent-
nehmen mögen; denn wo ihnen die furcht und
schande des zeitlichen todes entnommen, ist ihnen
freilich aus der schwersten marter geholfen, und
wo dargegen die ewige freude und herrlichkeit,
welches sonderlich das exempel des bussfertigen
scheuchers am creuze, deme Christus das para-
dies verheissen, geschehen mag, fleissig ein-
gebildet wird, bekummern sie sich ferner wenig,
sondern, obwohl das fleisch in ihnen noch sehr
schwach ist, so ist doch der geist auf solchen trost
willig und geduldig.
Art. 12. Von sterbenden leuten und
de roselben begräbniss.
Was das sacrament der h. taufe, als die
thüre zum leben, recht und wohl zum anfang der
kirchenordnung gesetzet ist, also wird auch der
menschen letzte hinfahrt und begräbniss recht und
wol am ende der kirchenordnung verzeichnet, mit
bericht, wie es damit solle gehalten werden. Eine
sehr gute gewohnheit ist es, dass schwache oder
kranke leute ihre ordentlichen kirchendiener und
seelsorger zu sich fordern lassen, fur ihnen zum
valet ihr bekäntniss thun, damit sie ihnen nach
ihrem abscheide desto besser zeugniss geben
können’, bisweilen begieb sichs, dass die leute
schon in letzten zügen liegen oder sich nicht mehr
versinnen können, wann die kirchendiener zu
ihnen gefordert werden. Da mag man mit ernste
gott für sie bitten, dass er ihnen ihre sünde ver-
geben und sie durch Christum selig wolle machen.
Das sacrament aber soll man ihnen, weil es der-
massen mit ihnen stehet, nicht geben, sonderlich,
wann es rohe leute gewesen, die des wortes nicht
geachtet haben, doch soll man mit dem gebet
fleissig ihrer noth sich annehmen, ob mans erretten
und erbitten könte.
Und sollen solche erschröckliche exempel dem
volke mit gelegenheit zur warnung furgestellet

werden, damit sie das sacrament zubegehren nicht
auf die letzte noth sparen, sondern bei zeiten sich
darzuschicken und bereiten. Wann aber der
kranke noch bei guter vernunft hat das sacrament
empfangen, da er doch gleich bald darauf be-
gunte mit dem tode zuringen, wo er vorhin mit
gottes wort unterrichtet, da ist nicht mehr von
nöthen, ihme lang und viel in die ohren schreien,
wie man doch gemeiniglich pflegt, sondern da
mag man den sterbenden durch ein herzliches
gebet dem lieben gott befehlen. Da nun iemand
verstorben ist, soll die leiche ehren und noth
halben tag und nacht verwahret und beherberget,
und nicht so gar geschwinde damit zum grabe
geeilet werden, sintemal man oft erfahren, dass
manche leute in grossen krankheiten viel stunden
gleich für todt gelegen und, ehe sie gestorben,
sind begraben worden.
Die im wahren erkäntniss und bekäntniss
Christi abgeschieden sein, mit denen ist es recht,
billig und löblich, dass es mit ihrem begräbniss
ehrlich und nicht ohne gebührliche ceremonien,
doch ohne fremde, irrige und abergläubische zu-
setze gehalten werde; in betrachtung der schönen
regel Augustini: Funerum ceremoniae vivorum
solatia sunt, non adiutoria mortuorum.
Wann man zum grabe lautet, sollen sich die
schuldiener und schüler, sowohl die kirchendiener,
so darzu erbeten werden, für das haus, darein
die leiche ist, versanden, alda etliche lieder und
psalmen singen, die leiche mit gesange zu grabe
geleiten, und, da eine ehrliche freindschaft eine
leichpredigt begehret, solches damit ungefehrlich
auf ein halbes stündlein angestellet werden, darauf
ferner gesungen und mit einer collecten be-
schlossen.
Die sich aber selbst beleidigen und erstechen,
erhenken, erdrücken oder sonsten verzweifeln und
in ihren sünden ohne busse sterben und ver-
derben, werden zugleich durch geistliche und
weltliche rechte von christlicher begräbniss aus-
geschlossen. Also auch andere reudige schafe, die
' mit offentlichen ärgernissen beladen sein, als
gotteslästerer, verächter des wortes und hoch-
würdigen sacramenten, mörder, ehebrecher, die
ohne busse sterben, sind nicht werth, dass sie
sollen bei frommen christen ein ehrlich begräbniss
haben. Drum sie auch weder von kirchendienern,
schuldienern noch schülern sollen begleitet werden,
zwar auch die herren kirchenväter, die das kirchen-
gelaute im befehl haben, so wohl in gemein alle
gottliebende menschen, was standes sie immer
sein, hierinnen einen christlichen eifer zuerzeigen,
schuldig sein. Die begräbnisse der christen sollen
nicht unsauber sein, noch verächtlich, welches
denn nicht allein unchristlich, sondern auch wieder
der heiden brauch ist, sondern aufs ehrlichste ge-

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