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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0269
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B. Das Grossherzogthum Posen.

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synode wählte einen geistlichen Oberaufseher für die ganze Provinz (Senior primarius), der
die Provinzialsynode leitete, die Ausführung ihrer Beschlüsse überwachte und die allgemeinen
Interessen der Kirche vertrat. Vgl. z. B. bei Friese, a. a. O. II, 1., S. 236.
Aber diese Organisation war nicht überall einheitlich durchgeführt: Gross-Polen hatte
keine Bezirke; Litthauen besass keinen Senior primarius für die Provinz.
Die verschiedenen Provinzialsynoden, deren Beschlüsse bindend waren, traten jährlich
einmal zusammen. Aus besonderen Anlässen konnten allgemeine Synoden für die Kirchen einer
Confession im ganzen Königreiche einberufen werden. Sie bildeten kein regelmässiges Organ
der Verfassung, ihre Beschlüsse wurden aber allgemein beobachtet. Die lateinischen Protokolle der
kleinpolnischen Synoden sind bis 1560 erhalten und zuerst von Dalton, Lasciana , S. 396 ff.,
abgedruckt worden. Sie bieten ein ausserordentlich reiches Material für die mit den Böhmen
unirte reformirte Kirche Klein-Polens. Ein Auszug aus den Protokollen ist nicht gut an-
gängig. Es sei daher auf die Ausgabe von Daltonverwiesen. Abgedruckt sollen hieraus werden :
a) aus den Synodal-Protokollen von Xions (vom 14.—19. September 1560) die lateini-
schen Beschlüsse vom 17. September 1560 (Dalton, S. 522, Z. 6, bis S. 523, Z. 25);
b) die den Synodal-Protokollen von Xions angehängten polnischen Conclusiones, in der
deutschen Übersetzung von Dalton, S. 558, Anm., bis S. 560;
c) die polnischen Conclusiones der Synode von Pinczow, vom 27. Januar 1561 , in der
deutschen Übersetzung Dalton’s, S. 562. (Nr. 56—58.)
Vgl. auch Naunin, Die Kirchenordnungen Laski’s, in Friedberg und Sehling, I). Ztschr.
f. Kirchenr. 1909. S. 24 ff.
B. Zu den Reformirten traten bekanntlich zunächst die böhmischen Brüder in
eine engere Verbindung. Sie hatten ihre Gemeinden in einer ganz eigenartigen Weise
organisirt, den Schwerpunkt auf die Kirchenzucht legend und urchristliche Ideale zu verwirklichen
suchend. Ihre Organisation war eine bischöfliche, da sie durch die Waldenser in Italien in
ununterbrochenem Zusammenhange mit den Aposteln zu stehen behaupteten. Die Gemeinde
hatte einen Prediger, Diaconen und Akoluthen. Die Pfarrer wurden durch die Bischöfe ernannt
und geweiht, die auch die Disciplinargewalt in leichteren Fällen über sie besassen (schwerere
Fälle kamen vor eine Synode) und die halbjährigen Berichte der Pfarrer über ihre Gemeinden
entgegennahmen. Die Bischöfe oder Ältesten waren einer Anzahl Kirchen als Aufseher über-
geordnet, sie wurden von den Pfarrern gewählt; im 16. Jahrhundert wurden für Böhmen zwei,
für Mähren zwei und für Polen einer oder zwei erwählt. Sie waren die ständigen Aufseher
über Pfarrer und Gemeinden, ertheilten die geistlichen Weihen und ernannten die Pfarrer.
Einer der Bischöfe war den Bischöfen übergeordnet und führte den Titel „Präsident“ oder
„Richter“. Er führte den Vorsitz in den Versammlungen der Bischöfe, wie auf den allgemeinen
Synoden. Jedem Bischof standen zwei bis drei Mitbischöfe, Mitälteste zur Seite, die ins-
besondere mit der Prüfung der Pfarrer, Diaconen und Akoluthen beauftragt waren.
Synoden wurden sowohl für allgemeine als für örtliche Angelegenheiten berufen. Die
allgemeinen Synoden wurden zumeist in Mähren oder Böhmen abgehalten. Seit der Ver-
einigung mit den Reformirten auf der Synode von Kozminek 1555 hielten die böhmischen
Brüder ihre Synoden mit den Reformirten zusammen ab. Überhaupt wurden ihre Einrichtungen
seit dieser Vereinigung in manchen Beziehungen modifizirt. Die Akten eines Brüder-Conventes
vom 21. Juni 1577 zu Posen, die noch gänzlich ungedruckt sind, finden sich im Archive der
Johanniskirche zu Lissa A. I. (polnisch).
Vgl. für das Vorstehende: Krasinski, S. 288—295; Friese II, 1., S. 337 ff.;
Koniecki, S. 71, 174 ff.; J. Müller, in Realencyklopädie für Theologie (3. Aufl.) 3, S. 445 ff.
C. Die Synodal-Verfassung wurde als einzig mögliche Gestaltung der Verfassung in
Polen auch von den lutherischen Gemeinden angenommen.

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