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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0310
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Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.

Über die ersten lutherischen Regungen seit 1525 s. Moritz, a. a. O. S. 10. Seit
1552 berief die Stadt evangelische Prediger. Auf Weishaupt aus Löwenberg, Richter aus
Hirschberg, folgte Arnold Knobloch, der, aus Löwenberg gebürtig, in Grünberg in Schlesien
1549 Pfarrer war. Schon vor seinem Amtsantritt schickte er eine „Vermahnung an die Zechen
der Handwerker zu Frauenstadt“. Sie ist wohl von Grünberg herübergenommen, da sich nach
Ehrhardt, Presbyterol. III, Abt. 1, S. 426, in der dortigen Kirchen-Agende eine solche von
Knobloch verfasste „Vermahnung an die Zechen“ befindet. Sie ist eine Ordnung der kirchlichen
Feiertage. Der Rath bestätigte sie mit Zustimmung der ganzen Gemeinde. Sie findet sich
handschriftlich im Kirchenbuche des Kripplein Christi. 1582—95. F. 1—3, und im städtischen
Statutenbuche. (Im St.-A. Posen findet sich unter Depositum Fraustadt, D. 223, eine Handschrift
des 17. Jahrhunderts: Plebiscitum sive statuta civitatis Wschovensis [polnischer Name für Frau-
stadt]; wir citiren sie mit Moritz: städtisches Statutenbuch). Engelmann hat diese erste
Ordnung abgedruckt. (Nr. 60.)
Über die sonstigen ersten kirchlichen Verbesserungen, die sich nur langsam von der
katholischen Zeit entfernten, vgl. Specht, a. a. O. S. 19 ff.; Moritz, Theil I, S. 14 ff.
Über die weiteren Geistlichen im 16. Jahrhundert vgl. Moritz, Theil I, S. 19 ff.,
Theil II, S. 1 ff.
Im Jahre 1576 verfasste Pfarrer Martin Arnold, dessen Bestallungsurkunde Moritz,
Anhang II, abdruckt (der Rath berief ihn „anstatt und von wegen der ganzen gemein“), nach-
dem er sich zu Wittenberg Rath erholt hatte, mit seinem Diaconus Valentin Florianus eine
Kirchenagende, die die wichtigsten gottesdienstlichen und kirchlichen Funktionen regelt.
Er überreicht sie dem Rathe, der sie am 5. Dezember 1576 bestätigte. Lauterbach, Frau-
städtisches Zion, S. 122; Moritz, Theil I, S. 27. Sie findet sich im „Kirchenbuch des
Kripplein Christi“ und ist daraus bei Engelmann abgedruckt. Mit einigen Abweichungen
steht sie im „Statutenbuche“, S. 27—34. Die Artikel 1, 2, 3, 5 sind abgedruckt bei Lauter -
bach, Leben Herbergers, S. 144 und 47. (Nr. 61.)
Im Übrigen hielt man sich nach den sächsischen Einrichtungen und erbat sich, wie
z. B. Martin Arnold bezüglich der Kirchenbusse (Lauterbach, Fraust. Zion, S. 122), von
Wittenberg Informationen. Im Jahre 1590 wurde Paulus Bernauer zum ersten Prediger gewählt;
als sein Diaconus wurde Valerius Herberger mit ihm an demselben Tage — 21. März 1590 —
installirt. Wie das Kirchenbuch, F. 106, meldet, wurde „das pastorat solemniter aufm rath-
haus in samlung aller drei tische übergeben“. Bei dieser Gelegenheit hat Bernauer die „christ-
liche regierung“ gebeten, weil er ganz fremd wäre, ihm zu berichten, wie es in Ehesachen
gehalten worden sei und in Zukunft gehalten werden solle. Die Obrigkeit liess zur Antwort
sagen*): „Weil Wir uns zur Augsburgischen Confession bekenneten, und die Stadt ohne das
auf Sachsenrecht2) were privilegiret, so hette man sich, so lange das Evangelium geprediget,
nach dem Curfurstenthum Sachsen gerichtet, derowegen sollten wir bey den constitutionibus
Mauritii bleiben. Dabey beruen wir, so lange gott und die evangelische öbrigkeit wil.“
Als Nachfolger von Bernauer wurde 1595 der bekannte Bernhard Krentzheim gewählt,
der aus Liegnitz wegen Verdachts des Calvinismus entlassen worden war (s. Sehling, Die
evang. Kirchenordnungen des 16. Jahrh. Bd. III, S. 426, unter Liegnitz); an dessen Stelle rückte
1598 Valerius Herberger, der bis 1627 wirkte. Bemerkenswerth ist, dass Fraustadt zu den
anderen protestantischen Gemeinden Grosspolens keine Beziehungen unterhalten hat; die Geist-
lichen wurden fast alle aus Schlesien berufen, ordinirt wurden sie in Frankfurt, Wittenberg
oder Liegnitz, und was das Auffallendste ist, kein Geistlicher hat an einer grosspolnischen Synode
Theil genommen. Der Anschluss erfolgte erst im 17. Jahrhundert (Moritz, Theil I, S. 29).
1) Kirchenbuch zu Fraustadt 1582—95, Fol. 106.
‘2) Gemeint ist das den meisten deutschen Städten verliehene Magdeburger Recht.
 
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