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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0316
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298

Polen. Die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen.

Lissa.
Litteratur: Ziegler, Beiträge zur älteren Gesch. des Kgl. Gymnasiums zu Lissa.
Gymn.-Progr. 1855 (enthält den Abdruck des grundherrlichen Privilegs für die Schule vom
24. Juni 1579); Kirchenkalender der evang.-reform. Johannisgemeinde. 1902. Dort ist aus dem
Kirchen-Archiv das Privileg von 1580 abgedruckt; es wird darnach hier wiedergegeben. (Nr. 64.)
Vgl. auch oben S. 253 und Werner, a. a. O. S. 183 ff.; Wuttke, a. a. O. S. 355.

64. Privileg des Grafen Raphael von Leszctynski. Vom Marzellustage (16. Januar) 1580.

Im namen des dreieinigen gottes, des vaters,
des sohnes und des heiligen geistes. Amen. Ich
Raphael von der Lissa, kastellan von Schrimm,
herr und grundherr der stadt, Lissa, Golanin und
Goluchowo. Da ich das wort des herrn weiss
und erwäge, was in einem der psalmen auf-
gezeichnet ist, wodurch der geist gottes zu uns
allen redet und uns hiermit alle erweckt: Machet
die thore weit, ihr fürsten, dass der könig der
ehren eingehe! —Da ferner unser heiland Jesus
Christus uns diese ordnung lehrt und spricht:
Trachtet am ersten nach dem reiche gottes und
nach seiner gerechtigkeit, so wird euch alles übrige
zufallen: — da ich weiter auch weiss, dass keine
kaiserliche oder königliche noch päpstliche u. s. w.
aussprüche, sondern das wort unseres lieben herrn
in ewigkeit währen wird — und indem ich end-
lich diese meine christliche pflicht erkenne, als
ein guter streiter Jesu Christi in dieser welt
gottseelig und ehrbar zu leben, auch für die ver-
herrlichung gottes und für die dem worte gemässe
lautere lehre, sowohl für mich selbst als auch
durch diener gottes und christliche prediger sorge
zu tragen, dass sein heiliges evangelium gepredigt
und verkündet werde: so thue ich, kraft dieser
urkunde, kund und zu wissen allen und jedern,
dem daran gelegen ist; dass nachdem ich die
geister, dem worte gottes gemäss, geprüft habe
und auf ihre früchte gesehen, nach welchen der
herr die propheten und lehrer zu- unterscheiden
befiehlt, so habe ich unter der grossen anzahl
von lehren keine reinere, übereinstimmendere,
frömmere, in beispiel und lehre ehrwürdigere und
der ersten christenheit ähnlichere gefunden, als
unter den brüdern des Waldensischen
glaubensbekenntnisses, die sich unter den
böhmen vor der wuth und tyrannei, ja gewissens-
zwange des antichrists und der verblendeten welt
verborgen hielt. Wie ich dies denn auch ohne
scheu, unter dem beistande des allerhöchsten,
nicht nur unter vier augen, sondern auch öffent-
lich auf dem reichstage sr. majestät dem könige
von Polen, Sigismund August, glorreichen an-
denkens, desgleichen dem rathe sr. majestät, sowie
auch dem nachfolger auf dem reichstage, sowohl

mündlich vorgetragen, als auch schriftlich ein-
gereicht habe — mich deshalb erklärte und jene
lehre für den willen des allerhöchsten anerkannte,
der zur seeligkeit nöthig ist, die prediger der
benannten confession als treue hirten annahm, so-
dass ich mich für verpflichtet erachte, sie zu
hören und ein glied dieser wahren und allgemeinen
christlichen kirche zu sein, auch gedenke in diesem
allgemeinen glauben, nach dieser lehre mein
leben zu beschliessen. Weil es aber eines jeden
landesherrn pflicht ist, dass er nicht nur selbst
fromm lebe, sondern auch dieser pflicht, nach
seinem berufe und nach dem befehle seines herrn
insofern ein genüge thue, dass er erstens, seine
untersassen, kraft ihm erteilten obrigkeitlichen
ansehens und als ein wächter, laut des göttlichen
gebotes beider tafeln, von aller abgötterei abhalte;
dann ferner unter ihnen gerechtigkeit übe und
ruhe erhalte; weiter sie als schäflein, sowohl
gegen geistliche und leibliche, als auch innere
und äussere feinde schütze. Darum trage ich
sorge, habe bei mir beschlossen und setze fest,
bekräftige es auch durch dieses privilegium, dass
solche prediger nach gottes willen, und unter
seinem heiligen bestande, durch die ältesten der
böhmischen brüdergemeinde beständig zu hirten
der lissnischen gemeinde, sowie auch die lehrer
der lissnischen schule gehörig angesetzt werden,
das wort gottes predigen, die heiligen sacramente,
nämlich die taufe und das heilige abendmahl des
herrn Christi gläubigen, würdigen, der kirchen-
zucht sich unterwerfenden und gehörig vor-
bereiteten leuten auszuspenden, die kirchenzucht
aufrecht erhalten, eine gute regierung in der
kirche dem worte gottes gemäss festsetzen und
darüber halten, dass alle menschen dagegen sie
hören, ihren heiligen dienst heilsam benützen;
ferner, dass die von altersher ihnen ausgesetzte
und schuldige versorgung, dem gegenwärtigen
prediger Franz :) gleich wie auch seinen nach-
folgern im amte, welche durch die böhmischen
brüderältesten an die lissnische gemeinde werden
gegeben und gesendet werden, zu teil werde, welchem

1) der damalige Prediger Franziscus Rosentritt.
 
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