Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (4. Band): Das Herzogthum Preussen, Polen, die ehemals polnischen Landestheile des Königreichs Preussen, das Herzogthum Pommern — Leipzig: O.R. Reisland, 1911

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26785#0337
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das Herzogthum Pommern.

319

Stralsund). Zunächst behielten die Superintendenten (die auch in den Consistorien saßen) neben
den Consistorien so viel selbständige Befugnisse, und auch die General- und Particular-Synodi
blieben mit solchen Machtbefugnissen, insbesondere z. B. einer Disciplinargewalt, gegen die
Geistlichen ausgerüstet, dass für die Consistorien eine besonders einflussreiche Bethätigung nicht
möglich war. Seit dem Jahre 1593 wurden aber die General-Synoden nicht mehr abgehalten,
und im 17. Jahrhundert rückten die Consistorien in die Stelle der Generalsuperintendenten ein,
so dass endlich auch die pommersche Kirchenverfassung in die allgemeine Entwickelung ein-
mündete (Balthasar I, S. 541, 550, 579).
Bei ihrer Einführung stiessen die Consistorien vielfach auf heftigen Widerstand. Nicht jede
Stadt war in der gleichen Lage, wie Stralsund, sein eigenes Consistorium zu besitzen und zu be-
haupten. Aber die Städte mochten auf ihre städtische Jurisdiction nicht verzichten. So beschwerte
sich die Stadt Stolp 1590 — die Jahreszahl ist zugleich ein Beweis dafür, wie wenig die Kirchen-
ordnung von 1563 in das Leben getreten war —, dass ihnen die „Ehesachen nicht weiter, als
die Kirchenordnung ergiebt, zu erörtern und anzunehmen untersagt“. In eine solche Be-
einträchtigung ihrer Jurisdictionsrechte könnten sie nicht willigen; Luther habe in seiner
Schrift von Ehesachen die Ehe als eine weltliche Angelegenheit bezeichnet; sie wollten gern
in schwierigen Angelegenheiten den Rath des Consistoriums einholen, auch den Parteien ge-
statten, gegen ihre Sentenzen an den Fürsten oder an das Consistorium zu appelliren, aber,
dass in solchen Ehesachen nach der Visitatoren Andeutung unser Pastor oder Capellane als
vormeinte, dieses orts Consistorialen mächtig sein, kann dahero nicht geschehen.“ [Man
beachte die energische Sprache. Übrigens lautete der Befehl der Generalvisitatoren
anders, nämlich ganz kurz: „Keine Consistorialsachen ferner als gemelte Kirchenordnung nach-
giebt, zu erortern oder an sich zu nehmen.“ Befehl vom 7. August 1590 in demselben Acte.
Man sieht also, der Rath kämpfte um sein erstinstanzliches Jurisdictionsrecht, welches jetzt zu
Gunsten der Consistorialsachen beschränkt werden sollte.] Der Rath führte aber auch noch
materielle Gründe gegen eine Entscheidung der Ehesachen durch die Geistlichen an, woraus
man ersieht, dass der Rath schon früher mit der Concurrenz der eigenen Geistlichen zu
kämpfen gehabt hatte. Diese hätten vor wenigen Jahren zwischen Personen, die sich die Ehe
mit einander zugesagt „und also zwischen inen für gott allbereits eine beständige ehe ge-
wesen, understanden, nicht allein zu handeln, wie sie aus leiderlichen ursachen von einander
möchten getrennt werden, sondern auch sie durch einen vormeinten sich selbst widerlichen
Spruch von einander getrennt und des ehegelübdes lossgescholten, welche auch eines teils von
einander geblieben, eines teils aber auf unsere vorordnung zusammen geblieben und bis auf
den heutigen tag in bestehender friedsamer ehe miteinander leben, wie wir dessen unterschied-
liche Exempla anziehen könnten . . .“
Andererseits hat auch der Landesherr nicht immer die Competenzgrenzen respectirt.
Ein ganzer Band im St.-A. Stettin, Wolg. Arch. Tit. 63, Nr. 164, beschäftigt sich mit den
Beschwerden der Gemeinde zu Triebsees über ihren Pfarrer. Dieser muss allerdings, den
Beschwerden zufolge, das Gegentheil eines Musterpfarrers gewesen sein. Er hatte namentlich
durch Schimpfen und unchristliche Ausübung der Beichtgewalt, durch Zurückweisung vom
Abendmahl aus nichtigen Gründen (z. B. wenn das Beichtgeld nicht gross genug war) viel
Ärgerniss erregt. Hier ordnete der Landesherr, Ernst Ludwig — obwohl er zugiebt, dass an sich
die Sache vor das Consistorium gehöre —, eine direkte summarische Inquisition durch von
ihm ernannte Commissare an, damit die Gemeinde nicht etwa durch einen weitläufigen Prozess
noch länger mit diesem Pfarrer beschwert bliebe (Original-Reskript vom 4. Mai 1584, cit. loco
Bl. 100). Wie sich der Landesherr bisweilen persönlich der Angelegenheiten annahm, die vor das
Consistorium gehörten, zeigt auch eine Vorladung des Herzogs Casimir, vom 21. August 1581,
vor das „geistliche Gericht“ zu Kolberg. Ein gewisser Georg Kapup von Garin hatte einer
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften