Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0026
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
10

Livland.

durch Oberaufseher, superintendenten aus seiner Mitte vertreten. (Die Nachricht der älteren
Litteratur, dass der Stadtsekretär 1532 zum ersten „superintendenten“ in ecclesiasticis ernannt
worden sei, ist irrig und von Napiersky, in Mittheil. 14, S. 324 ff., richtig gestellt worden.)
Bei Napiersky wird auch die diesbezügliche Verordnung des Rathes vom 13. Dez. 1532
auszugsweise mitgeteilt. Streitigkeiten unter den Geistlichen, namentlich zwischen Knopken
und Tegetmeier, gaben dem Rath Veranlassung, in dieser Verordnung das Verhältniss der Geist-
lichen zu regeln: Vorsitz und Aufsicht über die Stadtprediger sollten zwischen Knopken und
Tegetmeier abwechseln. Der Superintendent aus dem Rathe hatte namentlich die Aufgabe,
Streitigkeiten unter den beiden Hauptpredigern zu erledigen. Was er nicht selbst entscheiden
konnte, hatte er an den Rath zu bringen. Wir haben also in diesen „superintendenten“ Depu-
tirte aus dem Rathe zu erblicken. Nur vorübergehend scheint man auch den Geistlichen im
Verhältnisse untereinander einen Kollegen als geistlichen superintendenten vorgesetzt zu haben
(Mag. Jacobus Battus † 1545), Hoerschelmann, a. a. O. S. 154.
Offenbar erledigte der Rath auch allein, ohne das Ministerium, die Ehehändel als
Consistorium oder Ehegericht. Wie die bürgerliche Rechtsprechung des Rathes durch die
Reformation beeinflusst wurde, zeigen die Entscheidungen des Rathes in Ehesachen (vgl. die
Entscheidung vom 26. Sept. 1567, in Brauer’s Präjudicaten-Sammlung; bei Napiersky, Die
Quellen des Rigaischen Stadtrechts bis zum Jahre 1673. Riga 1876. Einleitung S. C).
Erst seit dem Jahre 1577 scheint man zu den vier weltlichen Mitgliedern vier, später
drei Geistliche zugezogen zu haben. Den Vorsitz im Consistorium führt der erste Bürger-
meister. In der ersten Zeit wird sich diese rein weltliche Behörde in Zweifelsfällen mit den
Geistlichen in Verbindung gesetzt und deren Gutachten erholt haben. Ähnlich wie es der Rath
zu Breslau that, der auch selbständig entschied (Sehling, Kirchenordnungen 3, S. 393). All-
mählich wird man aber das Unzulängliche dieser Einrichtung erkannt und die Geistlichen
lieber als ständige Beisitzer zugezogen haben.
Näheres ist leider über dieses Stadt-Consistorium, welches lange Zeit das einzige in
Livland war und grosses Ansehen genoss, nicht zu ermitteln. Hierzu ist noch zu bemerken :
Der Rath wollte ursprünglich die Entscheidung allein behalten und das Consistorium nur als
gutachtliche Behörde verwerthen. Das Consistorium verlangte aber die endgültige Entscheidung
ohne Appellation an den Rath. Der Rath konzedirte dies, behielt sich aber vor, „wenn ein error
kommittirt worden“, dem Consistorium eine Revision anzubefehlen und dazu noch zwei Glieder
aus dem Rathe zu deputiren (Richter II, 1, S. 123; Dalton, a. a. O. S. 7). König Stephan
von Polen hatte bei Unterwerfung der Stadt am 14. Januar 1581 dieses Recht des Stadt-
Consistoriums bestätigt (Dalton, S. 95).
Die Ordinationen wurden in Wittenberg, später in Rostock und schliesslich in Riga
selbst vollzogen (zum ersten Male 1552).
Unter polnischer Herrschaft wusste Riga sein Bekenntniss energisch zu vertreten (vgl.
Dalton, a. a. O. S. 81 ff.).
Eine bemerkenswerte Stiftung bildet die sogenannte „Kirchenordnung“. Das war eine
Stiftung des Rathes und der Gilden aus dem Jahre 1540, welche Stipendien für die Schüler und
Beiträge zum Unterhalte der Lehrer und Prediger gewährte. Die Stiftungsurkunde befindet sich
in gleichzeitiger Abschrift im Stadtarchiv zu Riga (vgl. Napiersky, in Sitzungsberichten der
Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde der Ostseeprovinzen Russlands. 1890. S. 52;
Brachmann, a. a. O. S. 219).
Eine ähnliche Stiftung errichtete die grosse Gilde am 9. April 1558 unter dem Namen
„Die milde Gift“. Die Urkunde ist abgedruckt bei Arndt, Livl. Chronik, II. Teil. Halle 1753.
S. 244—246. Eine bei Arndt ausgelassene Stelle findet sich in Monum. Livon. antiquae IV,
Nr. 173. Beide Stiftungsurkunden werden hier nicht abgedruckt.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften