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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0031
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Kirchenordnung für Riga von 1530.

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ist worden, weil man das testament Christi
offentlich in der gemeine one eusserliche geberde
und ceremonien nicht wohl (in diesen itzigen
leuften, als es noch zur zeit in der christenheit
stehet) handeln und dar reichen kan, one sonder-
liche verletzunge, zeige wir derhalben an, wie man
sich hir in halten müge, und wie es billich und
gut ist, das man dem heiligen evangelio zun ehren,
und dem nechsten zu dienst und nutz sich den
andern in deutschen landen, und sonst hie und
da, da man auch gottis wort lauter und klar
predigt, in dem selbigen kirchendienst, soviel es
dienstlich und müglich, vergleiche. Denn einerlei
gebär, oder eintrechtige und gleichformige weise,
ist dem gemeinen einfeltigen man zu voraus
dienstlich.
So man uns auch solchs zuthun nicht wolt
lassen frei sein, würden wir dieselbigen, so uns
diese freiheit und macht (die unserm nechsten
zur besserung, götlich gebraucht werden mag)
nemen wolten, eben so gut und frum halten, als
den bapst selbs. Denn ein teil ist so hoch wider
die freiheit, als das ander. Eins zur lincken, das
ander zur rechten seite. Eins hat allzuviel fleisch,
das ander sihet mit dem lincken auge allzu tief
in den geist. Der bapst wil sein geprenge und
kirchensatzunge von ceremonien und kleidung etc.
als den einigen rechtschaffenen gottisdienst, bei
der todsünd und verlust der seligkeit gehalten
haben, und zwinget solchs mit geboten, legt stricke
den gewissen, leret falsch vertrauen auf solchen
falschen gotisdienst. Diese aber auf der andern
seite, wollen weren, dis und jens zu brauchen,
auch der meinung, als sei es sünd, so man ein
chormantel oder röckel, ja gleich ein casel (dem
schwachen nechsten zu dienst) braucht, oder einen
lateinischen psalm sünge etc. gleich als machte die
verachtung der ceremonien ein rechtschaffenen
christen.
Derhalben woll wir, ob got wil, diese evan-
gelische freiheit uns nicht also lassen ablaufen,
durch solche geschwinde griff des teufels, sondern
frei, frei, sols uns bleiben, und sintemal kein
ordnung weder in geistlichen noch in leiplichen
sachen, sogar rund und volkommen ist, die nicht
mit der zeit, und sonderlich in etlichen fellen in
ein missbrauch kommen kan, darum sol uns auch
hir in abe oder zu zusetzen, nach notturfft der
sachen, die freiheit alzeit furbehalten bleiben.
Dann ie die ceremonien uns dienen sollen, und
nicht widerum wir den ceremonien. Dis sei ein
gemeine anzeigung und unterricht der ordnung
halben, got aber der almechtig, woll unser fur-
nemen gnediglich fügen zu lob und zu ehre seines
heiligen götlichen namens und worts, und uns und
allen unsern nechsten zu nutz und besserung.

So sei nu das der anfang im namen des
heren Jesu Christi.
Von der mess.
Wiewol es nicht allein gut und nutz, sondern
auch von nöten ist, das in den heuptstucken der
mess (als da sind die collecten oder gebet, epistel
und evangelia, sonderlich die handlung und dar-
reichung des heiligen sacraments, des leibs und
bluts Christi) zuvoraus unsere gemeine deudsche
zunge furnemlich gebraucht werde, damit sich
idermenniglich des amts der messen gebessern
möge, welche stucke alle zuvor, das bepstische
geschwirm, allein in lateinischer sprach, wie zu
Rom ganghaftig gewesen, die dann dem gemeinen
man in unsern deutschen landen unvernemlich,
nicht one mercklichen schaden der selen, hat ge-
fenklichen gehalten.
Doch die weil aus altem unstreflichem her-
kommen im anfang der mess ein introitus, oder
eingang gesungen ist worden, aus den psalmen,
möchte man die sonteglichen introit um ubung
willen der jugent (so sie nu in der schulen wird
zugenommen haben) lateinisch singen, oder an
stadt des introitus einen psalmen deudsch oder
lateinisch, als nemlich diesen, es wolt uns gott
gnedig sein etc. oder einen andern denn ie die
sprachen nicht sollen so ganz aus der kirchen
übung gethan werden, gleich wie auch S. Paul
nicht weret in der christlichen gemein mit zungen,
oder frömden sprachen zu reden (I. Cor. XIIII).
Denn es ihe gottis gaben sind, welche nicht also
höchlich veracht sollen werden, wie sie von vielen
unzüchtigen, freveln und mutwilligen, sonderlich
in diesen landen, verspott, und aufs höchst ver-
schimpft werden.
Auf den introit, singt man das kyrie eleison,
mit wenig noten (ausgenommen auf die hohen fest,
da man notam paschalem nemen mag) und were
nicht unformlich, das es in dreien zungen, kriechisch,
lateinisch und deudsch, wie man auch an etlichen
orten pfleget, gesungen würde, die weil es doch
dreimal gesungen wird.
Nach dem kyrieeleison mögen gloria in excelsis
und et in terra lateinisch oder deutsch nach be-
quemlichkeit gesungen werden, also das der diener
oder priester, das gloria, über dem altar, auch
gegen dem altar gekeret, anfahe.
Darauf keret sich der diener oder priester
zum volck, und wünscht ihm des heren gegen-
wertigkeit. Nach dem antwort folget die collecten
oder das gemeine gebet klar deudsch, mit gewön-
lichem accent, und nach ordnung der zeit.
Darnach sol die epistel gelesen werden wol
laute, verstentlich und deudsch, und sol pronun-
ciert werden one noten oder accent auf das die
 
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