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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0040
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Livland.

diese damit zufrieden sein und einwilligen würden; ehe die Namensnennung geschehe, müsse
ihnen aber eine Notel vorgelesen und ihre Zustimmung zu dieser eingeholt werden. Die Gilden
wünschten die Verlesung, und nachdem sie erfolgt war, zogen sie sich zur Berathung zurück.
Zurückgekehrt erklärten sie, dass sie mit der Aufbesserung der Geistlichen zwar an sich zu-
frieden seien, aber Bedenken trügen wegen des gemeinen Kastens, denn einige Vorsteher hätten
ihnen mitgetheilt, dass der gemeine Kasten diese neue Belastung nicht tragen könne, es sei
denn, dass man die Zahl der Kirchendiener verringere; wenn der Rath aus seinen Mitteln dem
Kasten Zulage machen wolle, hätten sie nichts einzuwenden; dagegen könnten sie von einer
„Beschatzung der Bürgerschaft“ nur dringend abrathen. Der Rath trat nun wieder in Be-
rathung ein über den Zustand des gemeinen Kastens. Dabei wurde der Vorschlag des Aus-
schusses, dass der jeweilige älteste Kastenvorsteher eine Summe vorschiessen und von seinem
jeweiligen Amtsnachfolger wieder ersetzt erhalten solle, für gut befunden. Johann Engelstede
erklärte bei der Berathung, wenn man ihn zum Kastenvorsteher mache, werde er Rath zu
schaffen wissen. — Den wieder einberufenen Gildenvertretern wurde eröffnet, dass der Aus-
schuss des Rathes zusammen mit den Kastenvorstehern die betreffenden Beschlüsse über Ver-
besserung des Einkommens der Kirchendiener gefasst habe; es sei nicht angängig, die Zahl
der Kirchendiener zu verringern, eher sei das Umgekehrte nöthig; wenn man die jetzigen
Kirchendiener behalten wolle, müsse man ihnen die Aufbesserung gewähren. Endlich willigten
auch die Gilden in diese Aufbesserung ein. Jetzt wurde ihnen der Name desjenigen mitgetheilt,
der vom Rathe „einstimmig“ nach fleissiger Berathschlagung der Kirchendiener ausersehen sei;
die Gilden als „die dritte part“ möchten sich denselben mit gefallen lassen (hier erscheinen
Rath und Kirchendiener als die zwei anderen Parteien). Die Gilden waren offenbar über die Wahl
überrascht; ihr Kandidat war nicht gewählt worden, und wenn der Rath immer liebenswürdig von
den drei Parten gesprochen hatte, die bei der Wahl zusammenwirken sollten, so hatte doch die
Ansicht der Geistlichen höchstens die Bedeutung eines Gutachtens gehabt, und die Gilden sollten
jetzt nur der vollendeten Thatsache ihre formelle Zustimmung geben. Sie liessen daher ziemlich
deutlich ihren Verdruss merken, gaben aber doch nachher klein bei. Zunächst erklärten sie dem
Rathe, dass, wenn das Werk auf diese Weise erledigt werden solle, es besser gewesen sei, sie
ganz aus dem Spiele zu lassen; wenn nun aber nichts mehr daran zu ändern sei (ihre formelle
Competenz steht also nach ihrer eigenen Ansicht auf schwachen Füssen!), so liessen sie es ge-
schehen, lehnten aber jede Verantwortung dafür ab, denn es sei ihnen in dieser Angelegenheit
keine geringe Verkleinerung geschehen. Der Rath suchte sie durch allerlei schöne Reden zu
beschwichtigen, sie wollten aber die Rathsstube verlassen; endlich liessen sie sich bereden, zu
bleiben. Nun wurden die sämmtlichen Kirchendiener einberufen und wurden „zwischen den
Rathspersonen, wie zuvor zu geschehen pflag, nach stade und grade gesetzt“ (vgl. über diese
Platz-Ordnung die Ordnung vom 8. November 1553, Nr. 5 in dieser Ausgabe). Es wurde ihnen
die Notel über ihre Aufbesserung mitgetheilt und zugleich eröffnet, dass, wenn sie damit ein-
verstanden seien, der Name des gewählten Pastors lautbar gemacht werden werde. Die
Geistlichen traten ab, beriethen und liessen durch den Pastor zu St. Johannis ihre Zustimmung
zur Notel aussprechen, mit der Einschränkung, dass der Pastor zu St. Johannis dieselbe Auf-
besserung erhalten solle wie der zu Unserer Lieben Frauen. Nunmehr erklärte der Syndikus,
dass nach fleissig fortgestelltem Gebete, durch Wirkung des heiligen Geistes, nach Berath-
schlagung mit sämmtlichen Kirchendienern, „auf ganzer gemeinten mitbewilligung“ von dem
Rath Crispinus gewählt worden sei. Er wurde dazu beglückwünscht und gebeten, von seiner
Stelle aufzustehen und sich neben den Syndikus zu setzen (also neben den höchsten städtischen
Beamten). Als er sich zunächst wegen seiner Jugend entschuldigte, hielt ihm der Syndikus
einige biblische Beispiele vor, und er nahm dann an, wurde auf seine gebührliche Stelle ge-
setzt, beglückwünscht und feierlich von zwei Vertretern des Rathes und den sämmtlichen
 
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