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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0066
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50

Kurland.

heidnischen wesen erwachsen und also zu höchster
seelen gefahr hingestorben, sondern auch der
eiverige zorn und grim seiner göttlichen gerechtig-
keit wegen solcher grossen mutwilligen verseumnus
und ohne das vielfeltigen schweren sünden und
unbusfertigkeit gegen uns armen entzündet und
angebrant. Auch wir mit schweren strafen und
ruten, vielfeltigen blutvergiesslichen kriegs, pesti-
lenz, teurung und anders unglücks nun lenger
denn ganzer vierzehen jar heimgesucht und der-
massen bestürzet, das diese herliche provinz und
für etzlichen hundert jaren her gewesenes pro-
pugnaculum und fürmaur der christenheit ganz
jemmerlich und wunderbarlich zerrüttet, von-
einander gerissen, zernichtiget und verderbet, das
die zal der ubergebliebenen gar klein und gering
worden, die es auch der langmütigen barmherzig-
keit desselben gnedigen himlischen vaters billich
zuschreiben, das sie nicht zugleich mit aufgerapfet
und hingangen seind. Sondern derwegen billich
mit dem propheten Esaia sprechen: Wenn uns
der herr Zebaoth nicht ein wenig liesse uber-
bleiben, so weren wir wie Sodom und gleich wie
Gomorrha. Item Threnorum 3. spricht der heilige
Jeremias: Misericordiae domini, quod non con-
sumpti sumus. Die güte des herrn ists, das wir
noch ubrig geblieben seind. Welcher ewiger,
gnediger und barmherziger gott dennoch, gleich
wie er nach dem prophetischen lieblichen spruch
in Sionsein feuer und seinen camin und herth in
Jerusalem gehabt, auch in dieser armseligen
provinz seine durchs wort gesamlete kirchen und
ausserwelten hat, um deren willen er väterlich ver-
schonet, nicht das man im vorigen sündigen wesen
und unbussfertigkeit bleiben, sondern sich war-
haftig zu ihme bekeren, und was mutwilliglich
gesündiget und verseumet, in besserung richten,
und also seine veterliche güte wiederum zu uns
zu keren verursachen solle nach dem apostolischen
spruch Rom. 2: Weistu nicht, mensch, dass dich
gottes gütigkeit zur busse fürdert?
Demselbigen zufolge haben wir aus schüldiger
gebür unsers von gott bevohlenen und tragenden
amts nicht unterlassen sollen, sorgfeltiglich und
mit fleis zu uberleggen und zubetrachten, wie wir
gott dem einigen herrn zu ehren und unserm
fürstenthum zu gedei ufnehmen und wolfart auch
vielen menschen zu heil und seligkeit, beide in
religion und prophan sachen, so viel in diesen
noch schwebenden krigsleuften immer müglich mit
hülf und beistand götttlicher gnaden heilsame
reformation und ordnung anrichten möchten.
Haben auch auf solche veterliche getreue
fürsorge auf etzlichen gehaltenen tagleistungen
in massen dann mehrmaln zuvor geschehn euch
den anwesenden unsern rethen, ritterschaft und
andern unterthanen nicht allein ratlich zuerwegen,

ubergeben, sonder auch nach notturftigem, reifen
bedencken durch einhellige verwilligung beschlossen
und vorabscheidet, das wir, was der kirchen-
ordnung wegen mit inen vor fürstendig nottürftig
und heilsam angesehen, auch völgig durch ge-
bürende mittel und wege solten exequirn und
vollenstrecken.
Demnach wollen wir in dem namen des all-
mechtigen zu desselbigen glori, preiss und ehre
diesem heilwertigen werck hiemit seinen anfang
machen und seine göttliche allmacht mit warer
demut herzgründlich anrufen und bitten, uns
hierinnen göttliche gnade, segen, kraft und
wirckung des heiligen geistes zuverleihen und
mitzutheilen, damit solchs alles zu obgemeltem
ende, welchs wir suchen und für augen haben,
uns gedeien, glücklich angehen auch so viel mög-
lich und gott der herr gnade verleihet ad ex-
emplum imitationis bei den benachbarten, da es
nicht weniger hoch nötig wol geraten und grosse
frucht schaffen müge.
Sintemal denn bishero der mangel an dem,
das die, denen der liebe gott land und leute,
dem einen viel, dem andern wenig, zuverwalten
aussgeteilet und gegeben aus epicurischer sicher-
heit und verachtung gottes gar wenig betrachtet
oder sich dessen mit ernst angenommen, was sie
denselben iren leutlein, die sie ernehren und
ihnen fürarbeiten müssen, fürnemlich zu thun
schüldig. Nemlich, das sie die solten zu dem
Herren Christo füren, ohne welchen (und dem er
es offenbaret) niemands den vater kennet noch
zu ihm komt, Matth. II, Johan. 6, 14.
Die zufürung aber zu dem herrn Christo
und die erkentnus des vaters geschicht in keinem
andern wege oder durch andere mittel als allein
durch das gehör des gepredigten oder mündlich
fürgetragenen worts und aussteilung der heiligen
hochwirdigen sacramenten, durch welche ver-
ordente mittel der heilige geist ist thetig und
kreftig, der in uns wircket und entzündet einen
waren glauben und zuversicht an den sohn gottes,
der mit alle seinen gütern und uns erworbenen
gaben in dem wort und sacramenten eingewickelt
und verborgen ligt.
Diese zufürung aber durch das mündliche
wort ist leider an vielen örtern und bei vielen
bevorab der undeudschen armut so gar nicht im
gebrauch gewesen, das deren nicht wenig nicht
allein gottes wort ihr lebenlang nie gehöret oder
dasselbige zuhören von der obrigkeit nie ver-
mahnet oder dazu gehalten, sondern es seint als
obgemelt ihrer auch viel ungetauft entwider dahin
gestorben oder wenn sie schon die taufe erreicht,
ohne weitern bericht gleichst den wilden, un-
vernunftigen thieren und baumen auferwachsen
ohne alle religion und gottesdienst, ohne was sie
 
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