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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0069
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Kurländische Kirchenreformation von 1570.

53

Caput II.
Kirchen fundation , wie die kirchen,
schulen, hospitalien erbauet und an -
gestiftet werden sollen.
Nachdem aber der kirchen, prediger und
seelsorger im fürstenthum viel zu wenig, das auch
an vielen örtern dieser lande billich leider mit
dem propheten aus dem 74. psalm mag geklaget
und gesprochen werden: Signa nostra non vide-
mus amplius, iam non est propheta et non est
nobiscum, qui doceat usque quo? Unsere zeichen
sehen wir nicht, und kein prophet prediget mehr,
und kein lerer leret uns mehr. Und prouerb.
am 29. cum cessat propheta, dissipatur populus,
wenn die weissagung aus ist, so wird das volck
wild und wüste. Und wegen solcher ursache der
wahre gottesdienst ganz ubel versehen, darzu auch
nicht wol müglich, das sonderlich der abgelegen-
heit halben die vielheit der undeudschen armut
gefüglich dazu zubringen, das sie auf die feirtage
die kirchen besuchen, durch die predigt des worts
sich unterrichten lassen und also unserm herrn
gott seinen dienst leisten, als haben wir für rath-
sam angesehen und geschlossen, das nicht eine
geringe anzal der neuen kirchen an den örtern,
da es die hohe notturft erfordern wil, nebenst den
andern alten hauptkirchen sollen fundirt, gestiftet
aufgerichtet und erbauet, desgleichen auch hospitaln
und schulen, als nötig sein wil, angerichtet werden.
Wie denn solche örter und stelle der neuen
kirchen, gottsheuser, schulen und hospitalen in
unserm gemeinen verordenten kirchenbuche ver-
zeichnet und namkündig gemacht sind, darzu (gott
lob) der meiste theil solches gebeuts albereit ins
werck gestellet, vollenzogen und verfertigt ist und
ferner ohne einige verseumnus sol vermittelst gött-
licher hülf bald vollendet werden, darmit hernach-
mals alle zeit der gottesdienst gepflegen, das arme
volck zur kirchen kommen und in der waren er-
kenntnus gottlichs wesens und willens mit sonder-
licher befürderung ihrer seelenseligkeit beide son-
tags und werckeltags unterrichtet werden müge.
Wollen auch allen müglichen fleis anwenden
lassen, das kirchen und kirchhöfe nicht ungebür-
licher weise andern profan stedten gleich gehalten,
wie leider hiebevorn geschehen, sondern es sol
und mus mit göttlicher hülf alles in eine besser-
liche verneuwerung kommen und gebracht. Der-
balben die kirchen genzlich renovirt, die alten
altare, alle abgöttische bilde und was des mehr
sein wird, abgetan und, wie es sich gebueret,
weg gereumet werden, denn es seind gotts tempel
und sollen bleiben gebedeheuser, Esa. 56, Lucae 19,
darinne gott keinen misbrauch leiden kan, Jerem. 7.
Die kirchhöfe aber, welche seind die ruhe-
kammern der heiligen gottes, Esaiae 26 und 56,

sollen auch wol verzeunet, christlich von allen
weltlichen profan pletzen unterscheiden und ab-
gesondert, auch nicht lenger in den wölden und
gemeinen velden von den undeudschen gehalten,
sondern bei den alten kirchen bleiben und bei
den neuwen angerichtet werden, doch also be-
scheidentlich, das gleichwol die alten begrebnussen,
sie sein wor sie wollen, also verzeunet, vermacht
und verwaret bleiben, das der heiligen gebeinte
daselbst ohne ergernus ruhen und der frölichen
auferstehung gewarten mügen.
Die befreiung der kirchen, kirchhöfen, pfar-
heusern, der schulen und hospitaln wollen wir nach
alters christlichen ernsthaftigen gebrauche und
eifer der voreltern und dieser lande sowol als
anderer wolgeordenten furstenthümen löblichen
exempeln nach in ihren ehren und wirden bleiben
und beruhen lassen, das sich hinferner niemand
jennige gewalt darinne an den pfarhern oder
andern zubeweisen bei vermeidung höchster strafe
(darnach sich menniglich, wes standes er auch
sein mag, zurichten habe) zu unterstehen jenniger-
lei weise vorneme.
Caput III.
Von den schulen.
Was an christlichen, wolgeordenten, fleissig
bestalten und nützlich angestifteten schulen zu-
gleich dem geistlichen und weltlichen regiment
ins gemein und einem jedern, wes standes er
auch sein mag, in sonderheit gelegen ist, solte
billich ein jeder christ stetes in guter achtung
haben und für allen dingen aus den schriften des
theuren seligen mans gottes D. Martini Lutheri
sich ungezweifelter meinung zubescheiden wissen,
darzu aus den exempeln aller verstendigen und
vernunftigen heiden, die sich der schulen und
guter künste stets für allen befleissiget, zu gemüte
füren, in was ehren und wirden unangesehen
jennigerlei unkost von ihnen gymnasien gehalten,
wir geschweigen anderer christlicher und löblicher
regenten, so uns in geistlichen und weltlichen
historien fürgebildet, die sich dieses fürnemen
gottesdienstes eiferig angemasset, herliche und
nützliche schulen erbauwet und angerichtet haben,
wie solchs auch in der evangelischen historie die
gelarten jüden rühmen und ihrem centurioni des
für Christo zeugnus geben, his uerbis intercedentes :
Dignus est, ut ei hoc praestes, diligit enim gentem
nostram et synagogam ipse aedificauit nobis.
Dem zu folge erachten wir auch für heilsam
und nützlich, das bei allen haubtkirchen unsers
fürstenthums aller fleis angewandt werde, die
alten schulen in den stedten und flecken nicht
alleine zu renovirn, zuerbauen und zuerhalten,
besondern der massen zu provisionirn, das düchtige
 
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