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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0078
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Kurland.

machende glaube der getauften und gottseligen
christen mus sein ein fruchtbarer baum, an die
wasserbechen gepflanzet, der seine fruchtbringet
zu seiner zeit, psalm. 1, 92, Jere. 17, Matth. 7,
und der sein licht scheinen lest für der welt, das
man die guten wercke sehe und gott den him-
lischen vater in rechter furcht und liebe preise,
Matth. 5, ihme zudienen in heiligkeit und gerechtig-
keit unser lebenlang, Luc. 1.
Derhalben mus ein jeder christ, von allen
menschen und creaturn abgewant, für sein eigen
privat person sein seel und gemüte zu gott er-
heben, psal. 25, und so gottfürchtig und ein-
gezogen anlassen, das er sich genzlich unterwerfe
dem gehorsam der ersten und andern tafeln nach
dem göttlichen bevehle. Deut. 6, Matth. 22: Du
solt gott deinen herrn lieben von ganzem herzen.
Und Micheae 6: Mensch, es ist dir gesagt, was du
thun solt und gott von dir fürdert, gottes wort halten,
liebe uben und dich demütigen vor deinem gott.
Diese dreierlei von allen ins gemein und
einem jedern in sonderheit erfürdert, wie er denn
spricht, mensch, es ist dir gesagt: Begreifen das
ganze christliche leben, wie sonst weitleuftiger
kan verkleret werden, wornach ein jeder billich
für sein eigen person sich mit grossem christ-
lichen ernst und eiver solte wissen, in dieser
gnaden zeit zurichten.
Darnach timoris et dilectionis dei subiecto
ita considerato, wenn man wüste, was einem jedern
in sonderheit zuthun were für sein eigen person,
wie angezeigt, so solte man wissen, sich hin zu
wenden zu den rechten unterschiedlichen obiectis,
das man betrachtete, und zu thun verdacht were,
was wir ersten gott dem herrn nach der ersten
in rechter furcht und liebe und darnach unserm
nechsten nach der andern tafeln zuthun und zu-
lassen verpflichtet, das wir ein christlich, heilig,
unstreflich und gottselig leben füreten, den sünden
wiederstrebten und wieder die gebot gottes und
unser gewissen nichts zuhandlen bewilligten und
fürnemen.
Dis ander stücke unsers christlichen lebens
spiegel leret das gute thun und das böse lassen und
predigt vom neuen gehorsam fide regeneratorum
der getauften und gleubigen christen und strafet
das sündliche, schendliche, scheusliche, gottlose
wesen aller bösen menschen und unbusfertigen
gnadensünder auch unter den vermeinten christen.
Das sie ablassen sollen von ihrem greulichen
sündigen vorhaben des unglaubens, abgötterei,
zeuberei, gottes verachtung, lesterung, fluchens,
scheltens, schwerens, grosser undanckbarkeit gegen
gottes wort und die heiligen sacramente.
Item des ungehorsams gegen die eltern,
obrigkeit, herrn und frauen, der tyrannei und
unbilligkeit gegen die unterthanen, des grossen

hasses, neids, zancks, zorns und alles unfriedlichen,
unleidlichen wesens, damit unser nechster an ehr,
leib, gut verletzet wird, der grossen unzehlichen
sodomitischen unzucht und unkeuscheit, aller laster
und schanden, hurerei, ehebrecherei, alles un-
ordentlichen, unmesslichen fressens und saufens,
aller ubermütigen, uberflüssigen, unzimlichen klei-
dung, ziraths, hofarts, pracht und prals, item aller
untreu und ungerechtigkeit, verfelschter land-
grenzen, unterschlagenen honnigweiden, immen-
beumen, ackern, wiesen, viehdrifften und der-
gleichen, falscher gewicht und massen in kaufen
und verkaufen, allerlei finanzerei und ubersatz
der münze, des wuchers, schinden, rauben, stelen,
aller falscheit in worten und wercken, siegeln
und briefen, zeugnussen, gerichts hendeln und
allen andern contracten und sachen, womit man
unter dem schein des rechten seines nechsten
haus und hof, weib und kind, knecht, magd, vieh,
neben allem, was sein ist, gedencket, tichtet und
trachtet an sich zubringen, welche schreckliche
laster und greuliche grosse sünde in der ganzen
weiten welt und (gott erbarms) in diesem lande
hiebevorn bei der obrigkeit und unterthanen hohes
und niedrigs standes, edel und unedel, pauren
und bürgern zu lande und in den stedten, die
uberhand ganz uberflüssig genommen, gewunnen
und uberkommen haben, bis die eiverige rache
göttlichs zorns geheufet uber uns durch jemmer-
lichen langwirigen und vierzehen jerigen krieg,
schrecklichs raubens, mords, brands und mannicher-
lei gefencknus gekommen, das wir es noch schmerz-
lich fülen und des jammers nicht mügen so halt
entledigt werden. Darum müssen sich die christen
bekeren und von allen sünden zu einem bus-
fertigen leben wenden, als uns denn das auss-
erwelte fas des heiligen geistes sanct Paulus ver-
manet zum oftermal, sonderlich in der 1. Cor. 5
und 6 und in vielen andern örtern, wie ein jeder
daselbst lesen mag.
Dis ist nun das ander theil unsers christen-
thums, genant der neue gehorsam der rechten
christen, aus einem lebendigen brunn des gleubigen
herzen und liebe gottes herfliessend. Nam timor
dei coniunctus cum fide summam vitae christianae
constituit. Wenn der glaub und gottes furcht
zusammen bei einander gesetzet, begreifen die
ganze summa und inhalt unsers christenthums, wie
aus dem 147. psalm zuersehen: Der herr hat ein wol-
gefallen an denen, die ihn fürchten und auf seine
güte warten. Und psalm 112, Proverb. 1, Syrach 1:
Die furcht des herrn ist der weisheit anfang, das
ist eine schöne klugkeit, wer darnach thut, des
lob bleibt ewiglich. Und Christus der herr nennet
es den willen seines vaters, Matth. 7, Johan. 6.
Das dritte stück unsers christenthums wird
billich genant propositum constantiae et per-
 
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