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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0089
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Kurländische Kirchenordnung von 1570.

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profitiert und für frucht geschaffet, darzu, wie
allenthalben haus gehalten, ob sie auch fleissig
zur kirchen gehen, gottes wort lernen, gottselig
und christlich leben, und die sacramenta andechtig
entfangen, item, ob sie auch mit abgötterei,
zeuberei, unzucht, gottes verachtung und lesterung
behaftet, unehlich zusammen wohnen, sich unter
einander hassen, beneiden, verfolgen, achterreden,
und was des mehr sein mag, das sol alles fleissig
von den amtstragenden kirchendienern angemerket,
erkundiget und erforschet werden, welchs gewiss-
lich ohne sonderliche heilsame nützigkeit nicht
abgehen wird, wenn nach notturft und gelegenheit,
vermahnung, unterrichtung, glimpfliche und gebür-
liche strafe darauf ernstlich erfolget. Und so
hochnötig solchs erachtet, eben so ernsthaftig
sol durch den superintendenten solchs alles von
den pfarhern und ihren capelanen jerlich ohne
jenige verseumnus gefördert und ausgerichtet
werden, darinnen sich denn die pastores gehor-
samlich gegen gott, darnach gegen die gebürliche
obrigkeit so wol als darzu bestalten superinten-
denten und die andern fürnehmen inspectores
sollen wissen zuverhalten, das dar keine klage
uberkommen, und der landesfürst, der solch heil-
wertig werk nicht wollen unterwegen lassen
bleiben, zur scherpferer aufmerkung verursachet
werde.
Derhalben wolte sich ein jeder prediger und
getreuer diener göttlichs worts für allem seines
amts erinnern, das er zum wechter uber das haus
Israel gesetzet, wie Ezechiel cap. 33. geschrieben
stehet und stets zu gemüte füren die regel des
heiligen geistes von sanct Petro, mit folgenden
worten fürgebildet. Da er wil, das die herde
Christi sol geweidet werden, nicht gezwungen,
sonder williglich, nicht um schendlichs gewinsts
willen (den wir den genzlich in dieser visitation
ebenmessig als in andern kirchendiensten und ge-
scheften abgeschaffet und verboten haben wollen),
sonder von herzen grund, das ist aus feurigem
eiver des hauses gottes, worvon psalm 69. Item
nicht als die über das volk herschen, sonder
werdet fürbilde der hirte, so werdet ihr, spricht
der heilig apostel, wenn der erzhirt erscheinen
wird, die unverwelkliche krone der ehren emp-
fahen. Ungezweifeltes hoffens, ein jeder gott-
seliger diener Christi werde sich der gebür wissen
zuverhalten, das er nicht für einen stummen hund
gescholten und für einen unwissenden blinden
hirten gestrafet werde, worvon der prophet Esaias
cap. 56. und Jeremias 34.
Ebenmessig sol solche fleissige aufsicht nicht
alleine bei dem armen undeutschen paursvolke
geschehen, sondern die prediger sollen auch die
deutschen allerseits in acht haben, wie sich die
Sehling, Kirchenordnungen. V.

haupt und amtleute auf den schlössern und höfen,
desgleichen die vom adel in ihrer behausung und
gewarsam, so wol als die andern gemeinen deut-
schen , ingesessene handwerker und hausleute,
gegen gott und den kirchendienst und alle erbare
redligkeit insgemein und in sonderheit verhalten,
das sie davon gute wissenschaft haben, alle laster,
sünde, ergernus und schande strafen, an allen
hürischen, unzüchtigen, ehelosen, unverschamten
amtleuten und ihren schendlichen, schmelichen,
gotteslesterigen, ergerlichen meyerschen, den heil
und treulosen schand belgen, scheusslichen laster-
wensten, unreinen hofhuren, palmeseln und schlam-
secken, davon viel junges volk der armen un-
deutschen so jemmerlich mit allerlei bösen exem-
peln geergert und zu aller unzucht gereizet, an-
zufangen und durch alle andere stende ohne scheu
zu procediren, und mit nichten, da sie sich nicht
bessern wolten, dem superintendenten gebürliche
mittel hierinne fürzuwenden, unangezeigt lassen.
Denn also stehet geschrieben in der 1. Thes.
3. cap.: So aber jemand nicht gehorsam ist unserm
wort, den zeichnet an durch einem brief und
habet nicht mit ihme zuschaffen, auf das er scham-
rot werde. Doch haltet ihn nicht als einen feind,
sonder vermanet ihn als einen bruder. Und
Christus selbst wil allen fleiss angewant haben,
unsern bruder zu gewinnen, Matth. 18. Desgleichen
Paulus 1. Cor. 9. Worzu den auch sollen und
müssen von den predigern die gebürliche und
ordentliche mittel gebraucht werden, das ein jeder
bleibe in terminis suae legitimae vocationis, damit
niemand geschmehet, verunglimpfet und mit
scheltworten angegriffen, nicht zu wenig oder zu
viel in der strafe fürgenommen und nicht alzu
weit zur linken oder zur rechtern geschritten,
sonder secundum decorum die mittel strasse ge-
gangen werde, denn es stehet geschrieben: Fratrem
tuum arguendo ne afficias opprobrio. Und ad
Gal. 6. Wil der apostel, das die irrenden mit
sanftmütigem geiste angenommen werden. Darum
denn auch derselbige apostel 2. Timot. 2. spricht :
Ein knecht aber des herrn sol nicht zenkisch sein,
sondern freuntlich gegen jederman, der auch die
bösen vertragen kan, mit sanftmut und strafen die
widerspenstigen, ob ihnen gott der mal eins busse
gebe, die warheit zuerkennen und wieder nüchtern
würden, aus des teufels strick, von dem sie ge-
fangen, zu seinem willen. Worzu denn kein
besser processus dienet, als von Christo selbst
vorgeschrieben Matth. 18. Wenn aber solchs
nicht helfen wil, so heists: Peccantes coram
omnibus argue, die, welche da sündigen , strafe
für jederman 1. Timot. 5. Item, predige das
wort, halt an oportuno vel imortuno tempore, zur
rechter oder unrechter zeit, strafe, dreue, ermane

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