Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0099
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kurländische Kirchenordnung von 1570.

83

stocketer blindheit nicht verstehen: Quod non
dissensionis deus sed pacis. Das gott nicht ist ein
gott der unordnung und zwispaltung, sonder des
friedes 1. Cor. 14.
Weiln aber aus grosser uberschwenglicher
gnade des barmherzigen gottes in diesen landen
eine lange zeit die lehre des göttlichen worts,
ohne alle corruptelen lauter und rein, in dem
herlichen hellen lichte und glanz des heiligen
evangelii uber die vierzig jar hero geleuchtet und
geschienen hat, und in der christlichen gemeine
der ehrenreichen, löblichen und weitberümten stadt
Rijga eine herliche kirchenordnung für langen
jaren von dem seligen herrn Brismanno gemacht,
und mitler zeit von vielen der heiligen schrift,
hochgelarten theologen, predigern und getreuen
seelsorgen, bis auf diese unsere zeit erhalten
worden, die auch nun den unterthanen dieser
lande am besten bekant, so sol es allerseits, so
viel sonderlich die ceremonien der kirchen an-
langt, nach derselbigen Rijgischen kirchenordnung
bei uns, darnach sich jedermenniglich, bevorab die
kirchendiener, unwidersprechlich zu richten, ge-
halten werden.
Und sol vermittelst göttlicher hülf, in dem
namen unsers herrn Jesu Christi, den ceremonien
dieser kirchenordnung, diese masse nach oben ver-
zeichneten artickeln ordentlich und unterschiedlich
gegeben werden.
Ersten von des sonnabends oder feier-
abends vesper.
Nach altem löblichen gebrauch der heiligen
christlichen kirchen pfleget man des sonnabends
um vesper zeit in steden und dörfern feirabent
zumachen, dem gesinde, knechten und megden,
erbeitern und taglönern, den schweren teglichen
arbeit erlassen, um keiner andern fürnemlichen
ursache willen, denn das die ubrige zeit ihres
parasceves ihnen gegönnet werde, sich zurüsten,
bereiten und gegen des folgenden sontags heiligung
im dritten gebote bevohlen, zubequemen.
Welch alter gebrauch der christlichen kirchen
mit berürter entlicher ursache von jdermenniglich
fleissig, nicht allein betrachtet, sondern auch allent-
halben ins werk gestelt, gebraucht und gehalten
werden sol, das man es mit dem gesinde im hause,
den arbeitern, taglönern und sonderlich dem armen
landvolke um diese zeit so gnau nicht neme, wie
leider etzliche cyclopes thun, besonder zu guter
zeit enturlaube, sich gegen des folgenden tags
gottesdienst desto gefüglicher zu schicken.
Es sol auch die herschaft mit ihren dienern,
denen vom adel und andern reisigen, sich des
hetzens und jagens am sonnabent zur vesper zeit,
für allen dingen aber an den festen und sontagen,

vieler ursachen halben, enthalten. Denn das die
jacht auf die feirtage nicht allein unchristlich,
sondern auch geferlich, ist mit vielen merklichen
exempeln aus den historien zubeweisen, denn es
heist, wie der poeta sagt:
Discite iustitiam moniti, et non temnere
divos.
So ist die vesper um vorberürten ursachen
willen verordnet, zu welcher anzeigung des sonn-
abends nach mittag durch das gewöntliche glocken-
leuten ein zeichen und erinnerung gegeben wird,
des rüst und folgenden festtags.
Wenn denn um seigers zwen zusammen ge-
leutet, wird die vesper angefangen mit einer anti-
phona oder mit dem betpsalm: Nun bitten wil-
den heiligen geist.
Darnach wird intonirt und von der ganzen
schul (dar sie verhanden) und gemeine zu deutsch
gesungen:
Der 110. psalm: Dixit dominus domino meo,
Der herr sprach zu meinem herrn.
Item.
Der 4. psalm: Cum invocarem, Erhöre mich,
wenn ich rufe.
Item.
Der 113. psalm: Laudate pueri, Lobet ihr
knechte.
Item.
Der 121. psalm: Levavi oculos, Ich hebe
meine augen auf zu den bergen.
Dieser psalmen mag man nach gelegenheit einen
oder zwei oder mehr zu deutsch oder undeutsch
nemen und singen.
Auf die psalmen sol ein responsorium de
tempore oder ein anderes, dar schulmeister seind,
gesungen werden. Wo aber keine schule und
hülf verhanden, das responsorium anstehen lassen,
und so es beheglich, einen andern psalm ge-
brauchen.
Nach dem responsorio sol der pfarherr eine
kurze vermanung thun, von der bussen und beicht,
von der wirdigen bereitung zum sacrament und
desselbigen frucht und nützigkeit, um der con-
fitenten willen.
Auf solche gar kurze und einfeltige vermanung
folget der hymnus de tempore, in der Rijgischen
kirchenordnung beschrieben.
Darauf das magnificat.
Zum beschluss, nach dem magnificat, eine
collecte, und die kinder samt der gemeine singen
das benedicamus.
Diese ordnung der vesper sol des sonnabends
so viel müglich gehalten, und ob es alles in den
veldkirchen nicht könte verrichtet, sol dennoch
zum wenigsten zur vesper geleutet werden.
11*
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften