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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0108
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92

Kurland.

Unterzeiten auch den paraphrasin der letaniae
nemen, die im ton des vaters unsers gestellet.
Gott vater in dem himelreich,
Gott sohn, gott heiliger geist zugleich.
Denn so es zu einigen zeiten von anbegin
der welt hero nötig gewesen, durch anrufung und
demütig gebet dem lieben gott die not und an-
ligen der heiligen kirchen und ganzer christenheit
zubevehlen, so ist es jtzt zum höchsten von nöten,
die wir in diesem letzten törichten alter, der
bald hinfallenden welt, in dem erschrecklichsten
und gefehrlichsten trübsal, jammer und elende
bestürzet und uberheufet, worvon wir noch gar
wenig entledigung sehen, derhalben nicht anders
ubrig haben, denn das wir unsere augen in wahrer
reu, busse und christlicher demuth gen himel auf-
heben, 2. Paralip. 19., psalm 25. zu dem lieben
vater aller gnaden und barmherzigkeit, der nicht
wil den tod des sünders, sondern das er bekeret,
werde und lebe Ezechiel 18. Und der ursache
halben in der notb angerufen psalm 49.
ln den landkirchen sol alle oder je um den
andern sontag mit andacht die letanie gesungen
werden.
Es were auch heilsam, nütze, nötig und sehr
gut, das alle fromme christen zum oftermale die
wochen uber, sonderlich gegen die bettagen sich
mit einer christlichen, freiwilligen fasten, worvon
der herr Christus Matth. 6. 17. und die propheten
viel reden, zum heiligen, eiverigen, feurigen, an-
dechtigem und kreftigem gebete bequemeten und
bereiteten, damit das fleisch dem geiste nicht zu
stark werde, worzu die leute fleissig von der canzel
zuvermanen.
Wie es denn auch der weltlichen obrigkeit
nicht ubel anstünde, das sie vieler christlicher und
heiliger regenten exempel nach, durch gemeine
edict und ausschreiben in diesen allerhöchsten
nöten und gefehrligkeiten, den rochlosen leuten,
etzliche sondere fasteltage aufsetzten, auch mit
grossem einer und ernst daruber hielten, und die
bruchfelligen in unnachlessige strafe nemen, das
also diese teufels art, nach der anweisung des
sohns gottes, durch fasten und beten ausgetrieben,
der brennende zorn gottes gestillet, und die ob-
ligenden auch noch fürstehenden strafen mitigirt
und aufgehoben werden möchten, nicht um unser
werke oder heiligkeit, sondern blos um des einigen
mitlers und versüners willen, welcher nach der
bekerung eines neuen gehorsam und stetige ubung
aller christlichen tugent und gottseliger werk, als
ware früchte reines lebendigen glaubens von uns
erfodert und haben wil, welche er auch in diesem
leben nicht unvergolten lesset.
Des sol mit nichten verseumet werden, alle
tage drei mal, morgens, mittags und abends die
beteglocke zu leuten, dadurch jedermenniglich

zum gebet pro pace und für all ander not be-
wogen werde.
Ausdrücklich sol stetes wieder den teufel und
seine gliedmassen, tyrannen und ketzer, babst,
türken und ihren consorten das gebet gesprochen
werden.
Dar man auch den text des vater unsers für
der predige bisweiln auf der canzel wil intonirn,
und der ganzen gemeine singen lassen, wie sonst
in vielen evangelischen kirchen deutscher nation
gewönlicher, oder wenns gelegen exercitii causa,
devotionisque gratia wil gebrauchen, darzu kan
diese alte melodia vielen auslendern bekant, dienst
lich sein. [Folgen Noten.]
Vater unser, der du bist in dem himmel, ge-
heiliget werde dein name, zukome uns dein reich,
dein wil gesche auf erden wie im himmel, unser
tegliches brot gib uns heute, und vergib uns unser
schult, alse wir vergeben unsern schüldigern, und
für uns nicht in versuchunge, sonder erlöse uns
von dem ubel, amen.
Das aber die christlichen zuhörer den rechten
verstand vom gebete und desselbigen notwendigen
gebrauch und nützigkeit desto fleissiger und an-
dechtiger anmerken mügen, sol man ihnen stetes
die beschreibung des gebets fürhalten.
Das der christen gebet nicht anders ist, als
ein herzgrüntlich, feurig und andechtig colloquium
oder gesprech, darinnen sie nicht mit ihres gleichen,
sonder mit gott dem herrn selbst handlen, in warem,
bestendigen glauben, das ist im geist und warheit,
alle anligende not der ganzen christenheit, sowol
als ire eigen leibliche und geistliche beschwerlig-
keit stets ohne unterlas gott dem vater im namen
seines sons, unsers lieben hern Jesu Christi, für-
tragen, und von ihm als dem höchsten gute und
aufenglicher ursach alles guten, alle gaben und
güter bitten und erwarten, auch ihm dafür alzeit
danken.
Zu welcherer geistlichen supplication und
heiligen colloquio gehöret die rechte erkentnus
göttlichs, warhaftigen wesens und zugeneigten
willens im heiligen evangelio geoffenbaret, und
weitleuftiger in unserer praeceptoren büchern der
kirchen zu troste ferner durch das predigamt, aus-
zubreiten verkleret.
Zum christlichen gebete gehöret die demütige,
herzgründliche, christliche danksagung, davon
David psal. 18.: Laudans invocabo dominum, Ich
wil den herrn loben und anrufen, so werde ich
von meinen feinden erlöset, und psalm. 50.: Ruf
mich an in der zeit der not, so wil ich dich er-
retten und du solt mich preisen. Desgleichen
Paulus in der 1. Thes. 5.: Seid alzeit frölich,
betet, ohne unterlas, seid dankbar in allen dingen.
Danken aber heist aus herzgrüntlicher un-
verdienter wolthat erkentnus die grossen wunder
 
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