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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0107
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Kurländische Kirchenordnung von 1570.

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des gottesdiensts am sontage genzlich geendigt
und beschlossen werden.
Dieser ordnung nach sol es in den stedten
und fürnemen haubtkirchen gehalten werden, da
schulen und diaconi verhanden, so viel immer
müglich sein kan und sonderlich das des catechismi
predigte fleissig zu deutsch und undeutsch ver-
handelt werde.
In den andern kirchen sol in der visitation
fürnemlich auah dahin von dem superattendenten
getrachtet, das solche exercitia bei dem armen
paurs volke des nachmittags angerichtet werden,
darinne jedermenniglich, sonderlich die liebe
jugent in den kurzen fragstücken des catechismi
erfahren , in dem gebete geübet und in den lob-
gesengen geschicket werden mügen.
Es sollen aber für allen andern psalmen sich
die undeutschen pfarherren der ordnung des cat-
echismi befleissigen und den leuten singen leren.
1. Die zehen gebot, Dis sind die heiligen zehen
gebot.
2. Den glauben, Wir gleuben all einen gott.
3. Das vater unser, Vater unser im himmel-
reich .
4. Die taufe, Christ, unser herr, zum Jordan
kam.
5. Das sacrament des altars, Jesus Christus,
unser heiland. Gott sei gelobet.
6. Das gloria. Allein gott in der höhe sei ehr.
Dis sollen sie ersten nacheinander, das eine
stücke für, das ander nach, singen leren, und in
den gebrauch bringen, bis das undeutsch volk
mehr lernen und proficirn mag.
Zum achten, von werkeltages predigten
und communion, item von der letania
und bettagen.
Der heilige geist gebeut zu den Coloss. am
dritten, das gottes wort reichlich unter uns wohnen
sol, in aller weissheit, mit leren, vermanen, psalmen,
lobgesengen und geistlichen lieblichen liedern,
dem herrn zu singen in unsern herzen und alles
zuthun in worten oder werken, das es geschehe
im namen dus herren Jesu, und danken gott dem
vater durch ihn.
Darum sollen stetes die eltern, vater und
mutter, herrn und frauen von den predigern ver-
manet werden, das sie ihren kindern und ganzem
hausgesinde mit christlicher lehr und gottseligen
exempeln treulich dienen und wol fürstehen, wie
auch Paulus zu den Ephesern am 6. vermanet:
Ihr veter reizet euere kinder nicht zu zorn,
sondern zihet sie auf in der zucht und vermanung
zu dem herrn. Derhalben sol in den heusern
wöchentlich durchaus gottes wort gelesen, gehöret
und verhandlet werden, die gebet und lobpsalm

fleissig gesungen, der catechismus ernstlich ge-
trieben, und jederman, sonderlich die jungen kinder,
zum morgen und abentsegen gehalten werden, und
dasselbig ohne verachtung des heiligen creuzes
zeichens, welche ohne jenige superstition seind
signa fidei, religionis et confessionis nostrae, der
christen pannier und veldzeichen. Und derwegen
in vitis patrum wird das zeichen des heiligen
creuzes zum oftermal scutum fidei genennet, und
inexpugnabilis murus credentium. Als denn der
heremita Antonius ganz trotzlich wider den satan
redet: Signum enim crucis et fides ad dominum
inexpugnabilis nobis murus est. Angesehen, das
wir selbst mit allen creaturn gottes, die mit dank-
sagunge entpfangen, gesegnet und geheiliget werden
durch das wort gottes und christlich gebete der
gleubigen 1. Timot. 4. Und dieser ursachen
halben je der mittags und abendmalzeit benedicite
und gratias nicht vergessen oder verseumen sollen.
Des so auch in der wochen zweimal, des
mitwochens und freitags, den einen tag zu deutsch,
den andern auf undeutsch gepredigt werden, und
zum sermon solche materia sonderlich aus dem
catechismo verordnet und auf das einfaltigste dis-
ponirt, die dem gemeinen volke nützlich sein
können, wie das die pastores mit dem herrn super-
attendenten und die andern mit den vice inspec-
toribus zubereden und davon zu conferirn haben.
Zu hofe, da das fürstliche hoflager gehalten,
sol auch wöchentlich, sonderlich des freitags, ge-
predigt.
Vor der deutschen werkeltags predigt sollen
zwen kurze lectiones fürher gehen, eine aus dem
alten und die andere aus dem neuen testamente.
Vor der undeutschen predigt sol der catechis-
mus loco lectionis fleissig verhandelt werden.
Wenn communicanten verhanden seind, mag
man das ganze officium der communion halten,
oder man singet schlecht die ersten zwen verse
von Gott sei gelobet, darauf folget die consecratio,
und werden für dem volke gesprochen die worte
der benedeiung uber das brod und wein, wie oben
angezeigt, und balt darnach singet man das Gott
sei gelobet ferner ganz aus, darunter werden die
communicirt, so verhanden.
Sonst, so nicht communicanten verhanden,
singet man nach dem sermon einen christlichen
psalm.
Den freitag aber, so die letania stetes als
einen sonderlichen dazu geordenten gebettage ge-
sungen werden, also das zwen oder drei knaben
für dem altar kniende intonirn und die schule mit
der gemeine darauf gewönlicher weise antworte.
Dar aber solche knaben nicht verhanden, sol
der prediger die letania selbst anfangen und durch-
aus mit dem pfarvolke bis zum ende singen und
mit einer collecten beschliessen.

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