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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0110
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Kurland.

predigten das volk, ja gesinde bei gesinden zelen
und uberrufen, damit angemerket, wer da kömt
oder aussen bleibet. Die ungehorsame und ver-
echter sollen in eine zimliche und mügliche geringe
geltstrafe genommen werden, und dar die nicht
helfen würde, müste man zu andere mittel trachten,
doch also bescheidenlich, das es der christlichen
billigkeit gemes were und christlich zuginge. Da-
von in der visitation alzeit wird weitleuftiger ge-
handelt werden.
Das zehende stücke, von der heiligen
taufe und derselben ceremonien.
Den schrecklichen, ergerlichen und sched-
lichen missbrauch, das man in diesen landen alleine
um des hoffertigen geprengs und schendlichen
geizes willen, die kindlein hat etzliche wochen
und lange zeit ungetauft liegen lassen, sol nicht
alleine von den predigern ernstlich gestrafet,
sonder auch genzlich verboten und ein jeder dahin
gehalten, das die lieben kindlein balde nach der
geburt dem herrn Christo, dem nach irer seligkeit
herzlich verlangt, wie er selbst bezeuget Marci 10.
durch das bad der widergeburt und verneuerung
des heiligen geistes zugebracht werden, in der
kirchen, zu welcherer des kindes eltern gehören,
mit den gewönlichen exorcismis, gebeten und
ceremonien in deutscher oder sonst bekanter un-
deutscher sprache, nach gewönlicher ordnung,
welche bei leben Lutheri stetes gebreuchlich ge-
wesen und auf uns geerbet.
Und damit es allenthalben gleichförmig ver-
handelt werde, sol niemand von den pfarherrn,
mit sonderlichen predigen oder vermanungen, wes
besonders die taufe anzufahen, vornemen, sonder
auf folgende weise (wie solch formular in der
wittenbergischen , mechelbürgischen , preussischen
und andern kirchenordnungen verfasset) die leute,
so kinder zur taufe tragen, anreden und vermanen.
Sequiter formula exhortationis.
(S. Bd. I dieser Ausgabe, S. 266, Spalte 1,
Zeile 13—49.)
Diese vorgeschriebene vermanung sollen die
prediger ausgeschrieben stets in ihrem taufbüchlein
gefüglicher zugebrauchen bei sich haben.
Qua finita orditur baptista totam actionem
baptismi ab exorcismo in catechismo praescriptam,
et propter consensum nostrarum ecclesiarum etiam
subscriptam.
(Es folgt das Taufbüchlein Luthers 1526,
s. Bd. I dieser Ausgabe, S. 22, Spalte 1, Zeile 22
bis zum Schlusse.)
Zum elften, von paten oder gefattern.
Die gefattern genant patrimi oder compatres
und die taufpaten genant fideiussores sollen red-

liche und christliche personen sein, die nach der
natürlichen fleischlichen geburt den kindlein aus
Christi bevehlich, Marci 10., behülflich sein zu
der geistlichen widergeburt. die ihnen durch das
bad der taufe und verneurung des heiligen geistes
mitgetheilet und reichlich von gott geschenket
wird Tit. 3.: darum sie auch compatres, gefattern
geheissen werden, das gleicher weise, als die
kinder von den natürlichen eltern, alleine menschen
geboren werden, also durch hülfe und dienstbar-
keit der gefattern und des taufers kommen sie
zum christenthum, das sie nicht schlechte menschen,
sonder christen, das ist gottes kinder und erben
Roma. 8. sein und ewiglich bleiben mügen, zu
einer zeugnusse solcher grossen gnade und her-
ligkeit, die wir christen in der taufe anfenglich
erlangen, und um Christi willen uberkommen,
bittet man den kinderchen, paten und fideiussores
et testes stipulationis baptismi 1. Pet. 3. gewisse
zeugsleute ihrer heiligen taufe.
Dieser mans und frauen personen sollen um
des schendlichen geizes und geprengs willen nicht
so uberflüssig viel gebeten werden, denn es ist
gnug, das in zweier oder dreier zeugen münde
alle sachen bestehen, spricht gott Deut. 19. und
Christus Mat. 18., Pau. 2. Cor. 13.
Derhalben sol wider den eingerissenen miss-
brauch stetes von der canzel geredet, auch endlich,
so viel müglich, abgebracht und durch die pre-
diger aus den kirchen weg gereumet werden, mit
dem unmessigen, uberflüssigen und unordentlichen
brassen der unnötigen unkosten, und sich ein
jeder halte an den gebrauch der kirchen anderer
wolgeordenten lendern, fürstenthumen und evan-
gelischer stedten, dar nicht uber drei oder fünf
zu eines ehrlichen kindes gefatterschaft gebeten
und gestattet werden.
Diese gefattern oder paten sollen kein ge-
zank bei der taufe des namens halben anrichten,
wie von vielen unbescheidenen geschehen pfleget,
sonder die gewalt der namen, wie die kinder
sollen genennet werden, gehöret den eltern zu,
nach den exempeln der heiligen schrift, sonderlich
Zachariae und Elisabet Lucae am 1. cap.
So viel der undeutschen gefattern und paten
anlangt, sollen uber drei oder zum höchsten
fünfe nicht zugelassen werden, die gefatterschaft
zubedienen.
Des sollen die pastores die undeutschen ge-
fattern alzeit für der taufe in dem catechismo
examinirn und fragen, ob sie auch die zehen ge-
bot, den glauben, das vater unser können, und
was sie von der taufe wissen oder verstehen , da
man alzu ungeschickte pauren findet, sie von der
taufe verweisen und an ihre stadt andere tüchtige
personen annemen und erwehlen.
 
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