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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0112
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96

Kurland.

Zum dreizehenden , von den ungetauften
kindern und ihrer begrebus.
Der selige man gottes D. Iohannes Bugen-
hagius hat einen sehr herlichen trost von diesen
kindern geschrieben, und anno 51. zum letzten
der ganzen welt durch den offentlichen druck mit-
geteilet, welchs büchlein ein jeder christ, bevorab
die diner göttlichs worts haben und fleissig lesen
solten, aus welchern dieser kurzer bericht sol an-
gemerket werden.
Zum ersten, das die eltern, so von gott mit
leibs frucht begabet, nicht ihren kreften oder
jenigerlei geschickligkeit die zurechnen oder zu-
schreiben sollen, sondern bestendig gleuben, das
kinder zeugen gottes gaben seind, psalm. 127.
Sie aber alleine gottes werkzeug zu der natür-
lichen geburt verordnet, Genesis 1.
Darnach zum andern, Constituta hac hypo-
thesi. Wenn man dis gewisse ist, sollen ferner
die eltern aus feuriger herzgrüntlicher zuversicht
sich halten an dem ersten artickel unsers glaubens,
eigentlich schliessend, weiln gott selbst der vater
ist, der solchs in ihnen anfahet und wirket, das
er sich aus veterlicher liebe, fürsorge und barm-
herzigkeit, auch ferner sein angefangen werk
werde lassen bevohlen sein, nach der lehre Job. 10.,
psalm. 139.
Zum dritten, müssen sich die lieben eltern
und die schwangern beschwerten frauen sonder-
lich dis wissen zubescheiden, das sie sich stetes
selber für ihr eigen person mit leib und seele
samt der frucht durch das heilige, feurige, christ-
liche gebet, müssen auf gottes warhaftige zusage
ihm bevehlen und tröstlich bevehlen lassen und
nicht zweifeln, was sie also bitten und gott dem
herrn bevehlen, das sie gewisslich erhöret, Matth. 18.,
Johan. 16.
Zum vierden, sollen sich auch die eltern
alzeit, sonderlich wenn die frauen schwanger seind,
befleissigen eines christlichen, gottseligen, buss-
fertigen lebens, das gott unerzörnet, und die liebe
leibsfrucht mit sonderlichen lastern, feilen oder
gebrechen unverletzet bleibe, auch mit der heiligen
absolution und des herrn nachtmale also gefast
machen, das sich die eltern eines guten gewissens,
göttlicher gnedigen gegenwertigkeit und hülf ver-
trösten und alzeit erwarten können.
Darauf zum fünften, wenn die schmerzen zur
geburt verhanden, sol man nicht ablassen, gott
anzurufen und anrufen zu lassen, auch allen müg-
lichen gehorsam neben bestendiger gedult erzeigen,
das ihnen von den hebammen geholfen und von
andern treuherzigen, nach treulicher gelegenheit
und allerlei beschedenheit gedienet werden müge.
Esaiae 30. In silentio et spe erit fortitudo vestra,
durch stille sein und hoffen werdet ir stark sein,

vernemet, wenn das kind geboren und die angst
vergessen ist, um der freude willen, das der mensch
zur welt geborn, Johan. 16.
Zum sechsten, alle dasjenige, was ihnen gott
der herr, nach seinem wunderbarlichem und un-
erforschlichen rathe, es sei glück oder ungelück,
das lebend oder der tod, zugefüget, mit gott-
seliger gedult für gut annemen, tröstlich schliessend,
das denen, die gott lieben, als mus zum besten
geraten, Roma. 8. Und das sie selig sein durch
kinder zeugen, 1. Timot. 2. Item, sie leben oder
sterben, so seind sie des hern, Roma. 14.
Und ob schon keine gewisse ausdrückliche
zeugnusse der schrift von den ungetauften kindern
verhanden, das dennoch der eltern gebet für die
kinder gesprochen, von gott gewiss erhöret, Joh. 16.
gott an kein sacrament verbunden, sondern sie
aller ein herr, reich uber alle, die ihn anrufen,
Roma 10., Ephe. 2. Stosse auch niemands von
sich hinaus, der zu ihm gebracht wird, Johan. 6.
Derhalben sol man sich in solchen wegen der
ungetauften und verstorbenen kinderchen wissen
zu trösten und zufrieden geben, es dem lieben
gott bevehlen, denn er weis es wol zu machen,
und wenn er uns versuchet, weis er gleich wol,
was er thun wil, daselbst Johan. 6.
Zum letzsten, was nun der verstorbenen un-
getauften kinderchen begrebnus anlanget, sollen
sie nicht an sonderliche, von der christen begreb-
nussen abgesonderte örter zur erden bestetigt,
sonder unter die andern christen begraben werden,
doch in honorem baptismi ohne besondere gesenge
oder andere ceremonien, sonder schlechthin. Dar
man aber den jamer gesang des 51. psalms: Er-
barm dich meiner, o herr gott, uber die begreb-
nusse singen wolte, ist frei und niemands ver-
boten.
ABOMINABILIS ABUSUS INTRODUCTIONIS
PURIFICANTIUM.
Die introductio oder einfürung des papisti-
schen kirchgangs, wenn die frauen aus den sechs
wochen zur kirchen gehen, sol genzlich verboten
sein und jedermenniglich von den sechswocherinnen
nach löblichem gebrauch der christlichen und
rigischen kirchen zu einem gottseligen, ehrlichen
kirchgange dieser gestalt vermanet werden, das
man die nechsten gefreunden, gefatterschen und
nachberschen darzu bitte, und sich mit demütigem,
dankbarlichem herzen zur kirchen verfüge, gott
herzgründlichen danke und danken lasse, für alle
erzeigte wolthat, ihnen den sechwöcherinnen samt
den jungen getauften kinderchen widerfaren, auch
dem exempel Mariae nach, die rechten opferung
in den tempel zu gottes ehre und mit milden
almosen, zu unterhaltung der armen, thetig ins werk
richte, sicuti eiusmodi fines requiruntur Levit. 12.
 
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