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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0123
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Kurländische Kirchenordnung von 1570.

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Den veralteten, verlebten pfarherrn oder ihren
nachgelassenen witwen sol eine verordnung ge-
macht, und nach eines jedern kirchspils und pre-
digers gelegenheit angerichtet werden, darmit sie
ihres langen getreuen fleissigen diensts und ehr-
lich hergebrachten alters sich gebürlicher weise
ergetzen und zum ende ihres lebens behelfen und
erhalten können.
An solcher ihrer gemachter und zu rechter
zeit gereichter besoldung, und was ihnen ihr acker
und haushaltung treget, sollen sich die prediger
auch genügen lassen und wider die pauren, noch
jemand mit neuen aufsetzungen, wie oben gnug-
sam vermeldet, dringen, sondern sich erzeigen als
die diener Jesu Christi, und der ungebürlichen,
weltlichen hendel und gewerb, es sei mit kauf-
schlagen , kretzschmerei, offentlichen krügen, mit
advocirn oder procurirn sich eussern und der-
selben müssig gehen.


unterhaltung des gesindes, nach eines jedern not-
turft einzukaufen und zugebrauchen anlangt, sol
hiemit nicht verboten sein, denn es heist: Bovi
trituranti non alligabis os, du solt dem ochsen
nicht das maul verbinden, der da dreschet.
Wir verbieten hie mit dem heiligen apostel
allerlei unehrliche handierung, wie die mit allen
ihren instrumenten und gebürlicher occasion ge-
nennet werden können, die zugleich ergerlich und
dem ministerio schedlich sein.
Denn es heist, ein prediger sol unstreflich
sein. Item, spartam, quam nactus es, orna. Und
sanct Paulus sagt: Donec fuero doctor gentium,
ministerium meum honorificabo. Dieweil ich der
heiden apostel bin, wil ich mein amt preisen, in
welcherm spruch der liebe apostel sich viererlei
fürnemlich erinnert.
I.
Erstlich seiner person gelegenheit, das er aus
lauterer gnade und barmherzigkeit nicht allein
von aller phariseischen opinion und judaischer
superstition, blindheit und aberglauben zum herrn
Christo bekeret, und zu warhaftiger erkentnus
göttliches wesens und willens gekommen sei,
sondern uber das alles ein lehrer der heiden ge-
worden , den gott selbst berufen, zum predigamt
geordnet und gesand habe, das er wil zu einem
andechtigen exempel und fürbilde aller diener des
heiligen evangelii erkennen, dankbarlich bekennen
und neben allen wundern und wolthaten gottes

stets rühmen und preisen.
II.
Zum andern, betrachtet der apostel sein amt,
dazu er berufen und gesant ist, das er bei ver-
lust ewiger seligkeit unverdrossen gottes wort

lauter, rein und klar, wieder alle corruptelen neben
dem unverfelscheten gebrauch der heiligen hoch-
wirdigen sacramenten, leren, verhandlen, predigen
und ausbreiten wil. Darum sagt er: Ich scheme
mich des evangelii nicht, denn es ist ein kraft
gottes, selig zu machen, die daran gleuben. Item,
Wehe mir, wenn ich das evangelion nicht pre-
dige, thu ich es gerne, so wird mir gelohnet, thu
ich es ungern, so ist mir doch das amt bevohlen,
wie er dasselbige widerum Timotheo befihlet, als
in den beiden episteln an Timotheum zuersehen.
III.
Zum dritten, erinnert S. Paulus sich, wie das
heilige und heilwirdige amt seines apostolatus sol
und müsse gepreiset werden, wozu folgende tugende
hochnötig:
Erstlich, geschickligkeit, das man fleissig die
heilige schrift gelernet habe, und ferner darinne
fleissig studiere, desto besser ander leute die ge-
sunde und unverfelschete warheit zu leren, als
Christus selbst gebeut, Johan. 5.: Scrutamini scrip-
turas, Erforschet die schrift, denn sie zeuget von
mir. Und Paulus , 2. Timot. 2., fordert einen
rechten unstreflichen arbeiter, der zutheilen wisse
das wort der warheit. Und Syrach am 18. sagt:
Lerne vor selbst, ehe du ander lerest.
Darnach fleis, treu und arbeit, in eines jedern
predigers befohlenen amte und beruf unverdrossen
anzuwenden. Denn was nützet es, viele gelernet
haben und es nicht fleissig gebrauchen und treiben
wollen. Darum sanct Paulus seinen Timotheum
auf das fleissigste vermahnet anzuhalten mit lesen,
vermahnen und mit lehren, 1. cap. 4., angesehen,
das nichts schedlichers sein kan, als ein fauler
prediger, der nicht alleine sich selbst schedlich
ist, sondern den gottesdienst und der ganzen ge-
meine wolvart verseumet. Darum Salomon die
faulen vergleichet dem essig und rauche, welche
zugleich zene und augen verterben.
Zum dritten, wird das amt gepreiset in weiss-
licher fürsichtigket: Ut semper propria et necessaria,
vocationique convenientia fiant, das man sich nicht
verweitleuftige und in fremde hendel oder emter
stecke, sondern thu, was befolen und sich amts
halben gebüren wil. Syracidae 3. Denn was für
unheil solche vermessenheit zu wege bringe, lehret
der theure man gottes seliger gedechtnus D. Mar-
tinus Lutherus Tomo 3., Ienensi. fol. 48. Item
Tomo. 4., Pag. 433. Darum vermahnet unser
lieber praeceptor Philippus Melanthon eben recht,
da er also redet:
Nullius est foelix conatus et utilis unque
Consilium si non detque, inuetque deus.
Tune iuvat ille autem, cum mens sibi conscia recti
Mandati officii munera iusta facit.
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