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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0191
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Kirchenordnung von 1552.

175

Bitten, man woll davon nicht wortgezenk machen.
Das deudsche wort buss ist tunkel, man braucht
es aber auch fur das wort conversio.
Und mag zu anleitung die bekerung oder
conversio oder buss oder poenitentia also erkleret
werden, das sie drei stück furnemlich in sich
fasset.
Das erste, in conversione, ist genant, con-
tritio, das man sonst nennet reu und leid von
wegen der sünden, das ist eigentlich warhaftig
erschrecken fur gottes zorn wider die sünd. Davon
Ezechias spricht: Wie ein leu hat gott alle meine
gebeine zerschmettert. Und das diese angst nicht
faule gedanken sind, lernen endlich alle menschen
in grausamer erfarung.
Das ander stück, in conversione, ist gleuben,
das dir deine sünden vergeben sind, und das dir
gott widerum gnedig sei um des herrn Christi
willen, one deine verdienst, gratis.
Wenn das herz also mit glauben und ver-
trauen uff den son gottes getröstet wird, so wirkt
der son gottes im herzen leben und freud und
gibet dir seinen heiligen geist.
Denn dieweil es bekerung sein sol, so müssen
wir nicht in der angst und hell stecken bleiben,
da flucht und zorn wider gott ist, sondern wir
müssen widerum zu gott komen, der uns leben,
gnad und gerechtigkeit mitteilen wil, durch den
son. Und das dieser trost auch nicht ein fauler
gedank sei, wissen die christlichen herzen, die
aus der grossen angst, durch glauben erquicket
sind. Wie Paulus spricht: So wir durch glauben
gerecht sind, haben wir frieden bei gott.
Und denn verstehet man den spruch Augustini:
Credens scit se credere.
Von diesem glauben ist zuvor gesagt, das er
das evangelium, das ist die verheissung der gnaden,
anschauet. Und dienet dazu die absolutio, welche
auch das evangelium den geengstigten herzen, die
trost begeren, furtregt und adplicirt. Und spricht:
Nicht allein andern, sondern auch dir sind deine
sünden gewislich vergeben, so du uff den herrn
Christum vertrauest.
Und solt die absolutio, als die stimme des
evangelii, annemen. Wie David seine absolutio
anzunemen und zu gleuben schuldig war, da
Nathan sprach: Der herr hat deine sünd weg-
genomen.
Und ist der befehl, sünden zuvergeben, aus-
gedruckt Joh. 20.: Welchen ir die sünd vergebet,
denen sind sie vergeben, und welchen ir sie be-
haltet, denen sind sie behalten. Und Matth. 18.:
Wie oft sol ich vergeben? etc. Siebenzig mal
sieben mal.
Darum, wiewol die leut wissen sollen, das
erzelung der sünden in der beicht nicht nötig ist,
und niemand dazu sol gedrungen werden, sol den-

noch die privat absolutio in der kirchen erhalten
werden. Welche alle betrübten, gesund oder
krank, begeren mögen, so oft sie wollen. Und ist
dieser brauch etlicher kirchen nützlich, das jede
person in sonderheit vor der communio, die privat
absolutio suchet. In diesem gesprech kan man
das junge volk vom glauben fragen und unter-
richten. Und diesen brauch wollen wir in unsern
kirchen auch behalten. Und sollen die pastores
niemand, der in öffentlichen lastern, die notoria
sind, beharret, zur communio zu lassen.
Das dritte stück ist angefangener gehorsam.
Das du nach der bekerung furthin nicht widerum
in sünden wider gewissen lebest. Denn sünd
wider gewissen stossen den heiligen geist aus und
werfen den menschen widerum in gottes zorn.
Sondern die angefangen bekerung sol in dieser
regel bleiben, davon Paulus spricht: Ube eine
gute ritterschaft, erhalt glauben und gut gewissen.
Item, Rom. 6.: Die sünd sol nicht herrschen in
eurem leibe, sondern euere gliedmas sollen waffen
sein der gerechtigkeit. Wir sollen gottes wonung
bleiben, das er uns fur und fur mehr erleuchte
und reinige, das anrufung und die erkentnis des
herrn Christi, und recht vertrauen uff den son
gottes in uns sterker werde, und wir unsere un-
reinigkeit mehr erkennen und beklagen, und die
sünde und ursachen der sünden meiden, und nicht
widerum, wie die hunde, ufflecken, was wir ge-
spien haben.
Was strafen wir furnemlich in der bepstlichen lere in diesem
artikel von der penitentia?
Die bepstliche lere von der poenitentia ist
ein grundsuppe vieler grossen irthum. Und ist
bei inen selb also verwirret, das sie sich selb nicht
verstehen. Haben auch damit viel menschen uff
falsch vertrauen oder in verzagung gefüret.
Sie nennen drei teil: Contritio, confessio und
satisfactio.
Von der contritio haben sie diese zween grau-
same irthum, die man strafen mus, das sie sagen,
man mus gnugsame reue und leid haben. Item,
die selbige gnusame reue und leid verdiene ver-
gebung der sünden.
Dagegen sollen wir wissen, das kein mensch
gnugsame reue haben kan. Und so die reu und
schrecken wachsen , und das herz nicht trost hat
an Christo, so versinkt es ganz in die hell. Und
wissen die bepstlichen nicht, was sie reden.
Weiter ist noch ein gröber irthum, das sie
ausdrücklich schreiben und leren, die reu verdiene
vergebung der sünden. Dieses ist öffentliche
lesterung des herrn Christi. Und ist die bepst-
liche lere in diesem artickel hoch zu strafen, das
sie in der bekerung ganz kein meldung thut vom
glauben, dadurch allein die erschrockenen herzen
 
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