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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0239
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Processus visitationis von 1552.

223

Wirt auch dem pastor bevehl gethan, die
leute in der predigt zu vormanen, das niemant
aus der kirchen gehe, bis sie der visitatorn an-
tragen und bevehl gehort.
Nach der predigt und communio treten die
visitatorn zusamen für den hohen altar und redet
ir einer die ganze gemeine an uff solche meinung.
Erstlich, warum solche visitation oder be-
suchung irer kirchen von u. g. f. und h. befolen
und furgenommen.
Nemlich zu erkunden, wie sie mit lerern des
gotlichen worts und mit den heiligen sacramenten
versorget.
Item wie sich die gemeine jegen den lerern
und sunst in gottseligen wandel verhalten.
Uff das, wo in solchen stucken mangel be-
funden , derselbe abgeschaft und in besserung
bracht werde, was aber bei inen gut und wol
geordent befunden, dasselb bestetigt hinfurder in
seinen wesen bleibe.
Hiebei geschicht vermeldung, wie hoch solchs
von nothen und cristliche obrickeit solchs zu vor-
ordnen fur gott schuldich, auch allezeit in gots
volk und in der waren kirchen von gotseliger
obrickeit geschehen, derhalben auch unser landes-
furst hochloblich daran thue, das er solchen got-
lichen willen und lobliche exempeln der got-
seligen regenten volge und fur diese allerhoheste
not seiner underthanen sorge, wie sie nemlich die
reine lere des evangelii haben mogen, dadurch
sie einen gnedigen gott und erbschaft des ewigen
lebens bekommen, auch in diesem leben got in
rechtem erkentniss anrufen, und also die aller-
hohesten und angenemen gotsdienst got dem
heren leisten und erzeigen lebendige tempel gots
werden etc.
Item, das auch sunst offentliche ergerliche
laster wedder an den kirchendienern noch andern
gelitten werden etc.
Darauf heist man den pastor, diacon und
custos aus der kirchen entweichen und fragt als-
dann erstlich die vom adel, den rath und fur-
nehmesten und ernach das ganze volk von lere
und sitten ires pastors und der andern kirchen-
diener, wes sie streflichs wissen, das sie alda
treulich sollen anzeigen bei dem gehorsam, den
sie gott und irer obrickeit schuldig.
Und insonderheit, ob er inen das wort gots
rein und lauter one vormischung mit menschen
satzungen oder abgottischer lehre furtruge.
Ob er in seinem amte vleissig sei, zu rechter
zeit predige, beicht hore, jeden insonderheit ab-
solvire, sacrament reiche, in lere des catechismi
guten vleiss furwende, die jugent auf bestimte
zeit darin verhore, der ubergebenen kirchen orde-
nung sich gemess halte, kranken besuche etc.
Ob er im ehestand ehrlich oder sunst zuchtig

lebe, niemants mit unzucht, uneinigkeit mit seiner
ehefrauen, vollsaufen und dergleichen ergere.
Und in summa, was sie uber ine zu klagen
wissen, sollen sie dafur brengen.
Was nu da angezeigt, wirt mit vleiss an-
gehoret und bewogen, dem pastor darnach fur-
gehalten unde damit nach nottorft gehandelt.
Wo sie nichts streflichs wissen anzuzeigen,
werden sie vormanet, in destomer zu lieben, zu
ehren und gehorsam zu sein.
Den wirt der pastor widerum in die kirche
gefoddert mit den andern kirchendienern.
Und geschihet den die nachforschung von
sitten und wandel des pfarvolks aller ding laut
und vermoge der instruction und der gedruckten
kirchenordenung.
Ob jemand in offentlichen sunden lebe, in
ehebruch, unehrlicher beiwonunge etc.
Ob eheleut von einander gelaufen,
Ob eheleut in uneinickeit mit einander leben,
Ob zauberei getrieben wird,
Ob abgotterei, anrufung der bilde, walfarten
im selben orte geschehe,
Ob lesterer da sint,
Ob sich die leut auch mit vleiss zu gots wort
halten, der heiligen sacrament gebrauchen und in-
sonderheit zur predigt des catechismi kommen,
ire kinder darzu halten, das sie in vleissig lernen
und uben.
Und solchs zu erforschung werden etliche von
den jungen und alten aus dem haufen vor die
visitatores gefordert und examiniert, wie sie die
zehen gebot, die artikel des cristlichen glaubens,
das vater unser etc. kunnen und vorstehn und
wen alda mangel befunden (wie gemeinlich ge-
schicht) wirt dem pastor ernstlich darum zugeredet,
und wen er sich entschuldigt, als sei der mangel
an den zuhorern, das sie nemlich nicht in die
kirche und zur verhore des catechismi kommen
wollen, wirt die gemeine mit ernstlich worten
darum gestrafet, und solchs zu bessern vermanet
mit anzeichung, das der superattendens alle halbe
jar widerum visitieren und sie verhoren werde,
und wo nicht besserung befunden, sie nach er-
kentnis unsers g. f. und h. werden gestrafet
werden.
Auch den personen, so sich der sacrament
nicht gebrauchen, wirt angezeigt, das man sie zu
keinen cristlichen emtern, als gefatterschaft, ehe-
stand, begrebniss bei den cristen gestaden wolle.
Mehr wirt gefragt, ob widerteufer und sacra-
mentschender da sind,
Ob wucherer da sind,
Von gehorsam der pfarleut gegen den ministris,
und der kinder gegen den eltern,
Ob auch etzlich kinder ire eltern pochen,
schlagen etc.
 
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