Metadaten

Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0270
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
254

Mecklenburg.

höllische feuer begraben und Lazarus halt nach
seinem tod von den engeln in Abrahams schoss,
und nicht erst in das fegfeuer getragen ward.
Und Christus den bekehrten schecher nicht erst
in das fegfeuer, sondern stracks in das paradiess
weiset, wie er Joh. 5 von allen gläubigen spricht:
Er kommt nicht in das gericht, sondern er ist
vom tode zum leben hindurch gedrungen; darüm
ist es auch eine öffentliche abgötterei, begängnisse
zu halten für die todten. Denn wer in dem herrn
entschlafen, der ist bereit selig, wer aber nicht
gläubet an den sohn gottes, über dem bleibet
der zorn gottes ewiglich.
Es ist auch dieses ein abergläubischer irthum,
dass die closterjungfrauen und derselben eltern im
pabstthum beredet, dass der jungfräulich stand der-
jenigen, welche die tage ihres lebens nicht zu freien
gelobet haben, viel ein heiliger und gott gefelliger
stand sei, als der ehestand; dass auch die jung-
frauen dadurch eine braut unsers herrn Jesu
Christi, und demnach königin und viel ein höhere
cron von gott zu gewarten haben, denn die im
ehestand leben. So doch St. Paulus der jung-
frauen stand ausdrücklich nur in dieser welt für-
zeucht, dass sie weniger trübsal und noht und
verhinderung haben, als die eheleute. Aber vor
gott ist kein unterscheid zwischen einer gott-
seligen closterjungfrauen und gläubigen hausmutter
Sara, Rebecca, Elisabeth, mutter der sieben macca-
beer, St. Felicitas und dergleichen, welche in
ihrem ehestand ja so wohl als die closterjung-
frauen können selig werden. Wie St. Paulus nicht
von den closterjungfrauen, sondern von den ehe-
frauen spricht: die frau wird selig werden durch
kinderzeugen, so sie bleibet im glauben und in
der lieb und in der heiligung samt der zucht
1. Tim. 2. Und anderswo schreibet er von der
ganzen christlichen kirche zu Corintho, frauen und
mann, jungen und alten, eheleuten und freien,
2. Corinth. 11 : „Ich habe euch vertrauet einem
mann (Christo), auf dass ich ihm zuführet eine
reine jungfrau“, den auch der ehestand ehrlich bei
jedermänniglich, und das ehebette rein und un-
beflecket ist, wie ihn den gott selbst im paradiess
gestiftet und eingesetzet hat. Dagegen das closter-
leben, wie es itzund im pabstthum im schwang
gehet, nicht allein in gottes word nicht gestiftet,
sondern auch demselben ganz und gar wieder-
wertig ist. Ja, St. Paulus spricht ausdrücklich,
1. Tim. 4, dass es teufels lehre sei, die da ver-
biete ehelich zu werden, und zu meiden die speise,
die gott geschaffen hat, zu nehmen mit dank-
sagung den gläubigen. Wie denn in clöstern uff
bestimmte tag und jahrzeiten gewisse speise, als
fleisch, eier, butter zu meiden, ausdrücklich ge-
boten, und für eine grosse todsünde gehalten ist,
dieselbige speise alsdann zu geniessen, wider die

ausdrückliche regel des göttlichen words: Das
reich gottes stehet nicht in essen und trinken.
Essen wir, so werden wir darüm nicht besser,
essen wir nicht (fleisch), so werden wir darvon
nicht weniger sein für gott. 1. Cor. 8. Rom. 14.

Ordenskleider.
Desgleichen abergläubischer irthum ist, dass
die closterkleider oder cappen, scheppler und
weihler, mit gewissen gebetlein eingeweihet und
mit weiwasser besprenget, geistlich und herlichere
kleider sein, als andere, dadurch sie ihre sünde
vor gottes angesicht bedecken und für des teufels
anlauf als mit einem harnisch bewahret, Christum
anziehen und Christi braut und königinnen werden.
Da doch alle christen zugleich in der taufe in
einerlei geistlich kleid eingekleidet, den herrn
Jesum Christum anziehen, durch welchen allein
alle unsere sünden vor gottes angesicht bedecket
und wir alle als ein reine jungfrau dem bräuti-
gam Christo vertrauet, durch den heiligen geist re-
gieret und mit der cron der gerechtigkeit Christi
gezieret ein königlich pristerthum und heiliges volk
des eigenthums, wie Petrus saget, dass ist heilige
und gott zugeeignete könig und prister werden,
die da sünde, tod, teufel überwinden und gottes
word und willen lehren, gott anrufen und in wahr-
haftigen gehorsam in allen guten werken ihre
eigene herzen, zungen thun und lassen, und in
summa leib und leben gott aufopfern und also
gottes eigen volk und diener sein.
Damit nun dieser aberglaube und irthum,
dass die closterjungfrauen üm dieser cappen,
scheppler und weihler willen geistlich und heiliger
sein, als andere, die nicht also gekleidet sein, aus
ihrem eigenen und anderer einfältigen leute herzen
genommen und dagegen diese wahrhaftige christ-
liche meinung darin gepflanzet werde, dass die
christlichen jungfrauen, die man weltlich nennet,
und alle andern gläubige ehefrauen und christ-
liche hausmütter nicht weniger geistlich und des
herrn Christi braut und königes töchter und der
himmlischen cronen erben sind, als die frommen
closterjungfrauen solten billig alle gottselige closter-
jungfrauen nicht ein besondere, sondern mit andern
christlichen jungfrauen gemeine, ehrbare, züchtige,
jungfräuliche kleidung gebrauchen, welche in den
clöstern durchaus einerlei schwarze farb und
einerlei form konte angericht werden. Den so
diese von anderer christen gewohnheit abgesonderte
form der kleider samt den abergläubischen büch-
lein der einweihung behalten wird, wird so viel
als der leichter der alte missbrauch wiederum
einreissen und überhand nehmen.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften