Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0273
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Klosterordnung von 1572.

257

den obwol viel guter psalmen und sprüche aus
der schrift darin stehen, so sein sie doch mit den
abgöttischen gebeten und heiligen anrufungen
und andern fabeln, also vermischet und vergiftet,
dass sie ohne nachtheil der ehren gottes nicht
können geduldet werden. Desgleichen sol das
salve regina und andere abgöttische anrufungen
Mariae ganz abgethan sein. Es soll auch keine
von den jungfern mit den horis canonicis de
tempore beladen sein. Den die wahre christ-
liche anrufung und gebet ist nicht an gewisse
zeit und städte gebunden, gefält gott auch
nicht ex opere operato üm des werks willen,
sonderlich, wen es ohne vorstand in lateinischer
unbekannter sprach daher geplappert wird : son-
dern ist in wahrer erkäntniss und glauben auf
dem sohne gottes unserm mittler Jesum Christum
mit wahren herzen und mund in allen nöthen den
einigen wahren gott, vater unsers heilandes Jesu
Christi mit seinem lieben sohn und heiligen geist
anrufen und üm alle zeitliche und ewige noht-
durft des leibs und der seelen bitten und gewiss-
lich glauben, dass unser gebet üm des mittlers
Christi willen erhöret sei und unserm herrn gott
für alle wolthaten von herzen danken und ihn
nicht allein mit worten, sondern auch mit wahrem
herzlichen gehorsam in unserm ganzen leben loben
und preisen.
Damit nun diese wahre anrufung, danksagung
und lob gottes mit wahrhaftigen glauben, furcht
und liebe gottes und alle christlichen tugenden
in unsern herzen erwecket, vermehret, gesterket
und bestättigt würden, ist nützlich und heilsam
von den heiligen vätern erstlich geordnet, die
gebet und psalmen, so uns in der h. bibel für-
geschrieben sind, täglich zusprechen und alle
bücher des heiligen göttlichen wordts, dadurch
gott unserm herzen zu wahrer erkäntniss und an-
rufung gottes und unsers heilandes Jesu Christi
und zu aller gottseligkeit erkläret, regieret und
heiliget und die ewige seligkeit gibet, täglich uff
bestimte stunden in einem jahr ordentlich in den
büchern auszulesen.
Dieweil aber solche christliche und nützliche
ordnung folgender zeit durch mancherlei zum
theil abergläubische zum theil sonst unnütze zu-
sätze ungewisser historien, homilien, responsorien,
versen, antiphen etc. geendert, vermehret und
verkehret ist, dass man die bücher der h. schrift
durchzulesen keine zeit gehabt, zudem dass es
alles in lateinischer, dem volk unbekannter sprache
ohne allen verstand und frucht der zuhörer ge-
lesen ist, so haben wir in dieser reformation den
gottesdienst, wie es genennet wird, oder die täg-
lichen gesänge und lectiones der h. schrift also an-
gestellet, dass nicht es darin dann pur lauter word
der h. göttl. schrift (oder was in öffentlicher
Sehling, Kirchenordnungen. V.

und nohtwendiger folg daraus gezogen
ist) gelesen oder gesungen wird und solches in
der ordnung und der sprach, dass es beide, leser
und zuhörer, verstehen und behalten können. Den
in verständlicher teutscher muttersprach die jung-
frauen den psalter alle monat einmal, das alte
testament im jahr einmal, das neue testament
dreimal ordentlich nacheinander durchlesen sollen,
wie solches in folgenden calender, was uf einen
jeden tag für ein capitel und psalmen zu lesen,
deutlich und augenscheinlich fürgeschrieben wird.
Hic inseratur calendarium.
Ordnung des täglichen gottesdienstes
in jungfrauclöstern.
Nachdem nun in den jungfrauenclöstern fort-
hin alle woche dreitag geprediget und sonsten
in der wochen alle tage zwo lectiones aus der
heiligen göttlichen schrift, eine vormittag, des
sommers üm sechs, des winters üm sieben, die
ander nachmittag üm zwei oder drei uhr gehalten
werden, sollen die closterjungfrauen täglich morgens
früe uf bestimte stunden an ihren gewöhnlichen
ort uf dem chor zusammen kommen und alda mit
gottseligen herzen und eifer und christlicher an-
dacht ihr täglichs gebet und gottesdienst ver-
richten; also dass die domina die erste wochen
und hernach eine nach der andern, jegliche eine
ganze wochen, wen sie im chor versamlet, die
verordnete gebete und lectiones lesen, und anfangs
mit lauter stimme das gebet, welches allen christen
unser herr und heiland Jesus Christus selbst
fürgeschrieben hat, den andern fürspreche.
Darnach singet:
die jungfrau:
Herr thue meine lippen uf.
Ehre sei dem vater und dem sohne und
dem heiligen geiste.
Chor:
Dass mein mund dein lob verkündige.
Wie er was im anfang und nun und zu
ewigen zeiten.
Lasset uns beten.
Allmächtiger ewiger gott und vater unsers
herrn Jesu Christi, der du uns menschen im an-
fang zu deinem ebenbild erschaffen, und da wir
durch den fall unser ersten eltern auch unser
eigene angeborne sünde dem tod unterworfen
waren, durch deinen lieben sohn Jesum Christum
von sünd, tod und verdamniss ohne allen unsern
verdienst aus gnaden und deiner lauter barm-
herzigkeit erlöset und zu dem ewigen himlischen
reiche widergeboren und üm seinentwillen zu
kindern und erben deines reichs widerüm an-
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften