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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0289
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Rostock.

273

Damit hatte der Rath alle wichtigeren Ausflüsse des juristischen Regiments, das Ver-
ordnungsrecht in kirchlichen Dingen, sowie das gesamte Personalwesen in die Hand genommen,
und einer Rathsdeputation zur Erledigung übertragen. Dieses Rathsregiment sollte aber nicht un-
angefochten bleiben. Mit zwei Faktoren hatte der Rath in Zukunft zu kämpfen, mit den
Landesherrn und mit dem allmählich erstarkenden Ministerium, dessen Befugnisse in obiger
„Vollmacht“ arg beschnitten waren, und das nur bei den gottesdienstlichen Anordnungen und
auch da nur „befragt“ werden sollte. Diese „Vollmacht“ stand übrigens im Zusammenhange mit
Streitigkeiten, die unter den lutherischen Geistlichen schon im Jahre 1531 ausgebrochen waren.
Oldendorp hatte die Punkte zusammengestellt, über welche die Geistlichkeit sich nicht einigen
konnte; sie betrafen die Privatbeichte, die Zeremonien und den Gebrauch des Lateinischen;
man holte Gutachten von Luther und Melanchthon, Bugenhagen und Urbanus Rhegius ein. Die
Gutachten befinden sich im Original im Rathsarchiv Rostock, nämlich dasjenige Luthers und
Melanchthons vom 10. November, dasjenige Bugenhagens, aus Lübeck geschrieben, vom 24. No-
vember, dasjenige von Rhegius, aus Celle geschrieben, vom 8. November. Luthers Brief ist bei
de Wette 4, S. 313; Schröder, a. a. O. 1, S. 193 abgedruckt. Offenbar hatte man bei den
Anfragen die Zeremonien, wie sie thatsächlich gehandhabt wurden, beschrieben. Luther und
Melanchthon billigten sie. Eine eigentliche „Ordnung“ scheint nicht vorgelegt worden zu sein.
Man vergleiche zu diesem Streite: Koppmann, Gesch. d. St. Rostock S. 143 ff.; Wiechmann-
Kadow, Der Zwist der evang. Prediger zu Rostock im Jahre 1531 und Johann Bugenhagens
Gutachten darüber in Jahrb. des Vereins für Mecklenb. Gesch. 24, S. 140 ff.
Gegen die Wiedertäufer wurde auch in Rostock das Mandat, welches auf dem Hamburger
Konvente 1535 beschlossen worden war, publizirt. Ein Original des gedruckten Plakats findet
sich im Rathsarchiv Rostock, Kirchenreform. Vol. II, ein Abdruck bei Schröder, Evang.
Mecklenburg 1, S. 303 f.
Im Jahre 1538 erliess der Rath ein neues Mandat dagegen. (Rathsarchiv Rostock.
Kirchenreform Vol. III.) Aus späterer Zeit finden sich gegen Wiedertäufer und Sakramentirer
zahlreiche Mandate, z. B. vom 23. Mai 1562 (Rathsarchiv Mand. II Vol. IV fasc. 2); gegen
Reformirte ein solches von 1567 (Rathsarchiv Mand. II Vol. IV fasc. 2). Zur Geschichte der
Wiedertäufer in Rostock s. Wiechmann, Mecklenburgs alt-niedersächsische Litteratur, Theil III,
bearbeitet von Hofmeister. Schwerin 1885.
Aus der Interimszeit finden sich mehrere Akten im Rathsarchiv. Kirchenreform Vol. III.
Diese unruhige Zeit spiegelt auch ein interessantes Notariats-Instrument auf Pergament vom
11. Mai 1547 wider, inhalts dessen der Rath den Predikanten vor Zeugen eine Verordnung
verkündigen lässt, „Wie sich die Prediger in Rostock im Predigen und sonsten verhalten sollen“.
Der Rath zeigt hierin an, dass sie zwar der heiligen Schrift gemäss predigen, auch die Sünden
im Allgemeinen rügen sollten, sich aber der in letzter Zeit vorgekommenen namentlichen An-
griffe gegen Kaiser, Kurfürsten, Fürsten und auch einzelne Katholiken zu enthalten hätten.
Darüber, dass die Geistlichen erklärten, dass das Predigtamt frei sei, könne sich der Rath in
keinerlei Disputation einlassen. Die Geistlichen sollten ihre Beschwerden an den Rath bringen.
In dieser Angelegenheit finden sich verschiedene Stücke, u. A. Schreiben der Städte unter ein-
ander im Rathsarchiv.
II. Der erste Zusammenstoss mit den Landesherrn erfolgte aus Anlass der landesherr-
lichen Visitationen. So sehr man sich mit den Zielen der Visitationen einig wusste, so
wenig passte dem Rathsregiment dieser Eingriff des Landesherrn. Die Visitation von 1541
führte zu einer Verordnung der Visitatoren (vgl. oben S. 131), die aus St.-A. Schwerin. Kirchen-
visitation gen. 1541/42 Bl. 109a—110a abgedruckt wird (Nr. 43); auch die Visitation von 1557
brachte einen Abschied, der sich u. A. in zwei zeitgenössischen Abschriften im Rathsarchiv
Rostock, Ecclesiastica II C. Vol. I fasc. 4 b, vorfindet und bei Schröder, a. a. O. 2, S. 180
gedruckt ist, und hier nach den Handschriften im Archiv wieder abgedruckt wird (Nr. 44).
Sehling, Die Kirchenordnungen. V. 35
 
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