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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0292
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276

Mecklenburg.

den Kampf mit dem fürstlichen Consistorium beschäftigt; da mochte es ihm vielleicht gar nicht
unangenehm sein, dass ein wirklich formirtes räthliches Consistorium gar nicht thätig war.
In materieller Beziehung ist zu bemerken, dass die Entscheidungen sich auf Ehe- und
Kirchenzuchtsachen beschränken. Das Material füllt zahlreiche Aktenbände des Archivs des Geist-
lichen Ministeriums zu Rostock und bedarf noch einer gründlichen Spezialuntersuchung, die ich
leider hier nicht vollziehen kann.
Eine völlige Neuregelung der Ehegerichtsbarkeit in Rostock erfolgte 1584 und 1585. Sie
hängt auf das Engste zusammen mit der Lösung des Confliktes mit den Landesherrn wegen
des eigenen Consistoriums, und dieser ist jetzt darzustellen.
Dass die Herzöge die Bildung des Raths-Consistoriums als einen Eingriff in ihre landes-
herrlichen Rechte empfanden, liegt auf der Hand. Aber erst, als das landesherrliche Consistorium
errichtet war, hatten sie eine innere Berechtigung, gegen die räthliche Conkurrenz vorzugehen.
Diese war um so eigenartiger, als das landesherrliche Consistorium ebenfalls in Rostock er-
richtet war und beide Consistorien auf die Professoren der Universität als Mitglieder rechneten.
Zwar hatte der Rath 1566 feierlich versprochen, sein Consistorium bei Errichtung des all-
gemeinen Landes-Consistoriums wieder einzustellen, aber er hielt dieses Versprechen nicht ein, und
thatsächlich haben die beiden Consistorien mehrere Jahre neben einander bestanden. Landesherren
und Rath traten dadurch in offenen Gegensatz; sie suchten jeder die Thätigkeit des anderen
Consistoriums durch Verbote lahm zu legen. So erliessen die Herzöge am 14. April 1572 drei
Befehle: einen an den Rath, bei Strafe von 10000 Thalern von der Errichtung eines eigenen
Consistoriums abzusehen, einen zweiten an das Ministerium, sich zur Aufrichtung eines räth-
lichen Consistoriums nicht brauchen zu lassen (Johann Albrecht und Ulrich schrieben: „Wir
kommen in erfahrung, dass sich bürgermeister und rath unserer stadt Rostock nicht allein von
der botmässigkeit unsers bestellten kirchengerichts nichtiglich auszuziehen auch ein eigenes ver-
mainet consistorium daselbst anzurichten, auch die ordinirung derjenigen, so zum Predigtamt
berufen werden, in unserer kirchen zu S. Marien unterstehen sollen“, und verboten dem Mini-
sterium die Mitwirkung „bei peen von 500 talern“), und einen dritten an Barckhold, Lüschow
und Schacht „bei strafe von 1000 talern, sich nicht als consistoriales gebrauchen zu lassen“.
Umgekehrt verbot der Rath den Stadteingesessenen, sich bei dem fürstlichen Consistorio ver-
wenden zu lassen, erhob feierlichen Protest gegen die Errichtung des fürstlichen Consisto-
riums in Rostock und bereitete auch sonst dem fürstlichen Consistorium allerhand Schwierig-
keiten. Allerdings ohne Erfolg. Das fürstliche Consistorium wurde errichtet. Am 7. April
1573 schrieb der Herzog an den Rath, er habe erfahren müssen, dass der Rath das Con-
sistorium noch nicht abgestellt habe, er solle das „vermeinte“ Consistorium abschaffen. Der
Rath that dies aber nicht. Erst die Erbverträge brachten, wie in vielen Confliktspunkten, so
auch hier, die Ausgleichung. Über die Erbverträge ist später besonders zu handeln; hier sei
nur so viel als zum Thema gehörig bemerkt. Zwar der Erbvertrag von 1573 traf noch keine
Regelung; wohl dagegen der von 1584. Er bestimmte: Die erste Instanz in Ehesachen bildet
der Rath; gegen dessen Entscheidungen geht die Appellation an das Mecklenburgische Con-
sistorium, und gegen dessen Urtheile die Provokation an das Mecklenburgische Hofgericht.
Damit behielt der Rath seine Ehegerichtsbarkeit, gab aber sein eigenes Consistorium auf, und
unterwarf sich dem landesherrlichen Consistorium.
Jetzt entstanden dem Rathe aber neue Schwierigkeiten durch sein Ministerium. Denn
mit der Regelung der Eherechtspflege im Erbvertrage von 1584 war dieses begreiflicherweise
unzufrieden; war ihm doch der massgebende Einfluss dadurch entzogen worden. Es machte
daher wiederholt Eingaben an den Rath; die Geistlichen wünschten darin nichts weniger als die
Wiederherstellung des eigenen städtischen Consistorium. Der Rath antwortete ihnen am 5. Mai
1584 (Rathsarchiv Rostock, Acta, betr. Consistorium Vol. II; Archiv des Geistl. Ministerium
Rostock. Tom. VII, Bl. 219); ihr Wunsch könne ohne Verletzung des letzten Erbvertrags
 
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