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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0348
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Die freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf.

Der Senat duldete, wie schon aus dem Vorstehenden ersichtlich, kein organisirtes
Ministerium mit irgendwie selbständigen Befugnissen. Es stehen ihm nur Superintendent
und die einzelnen Pastores gegenüber. Wenn diese sich auch gelegentlich zusammenfassend
„Ministerium“ nennen, so ist dies doch nur ein Sammelname; in der Regel unterschreiben sie
sich in den amtlichen Aktenstücken „Superintendent, Senior, Pastores und gesammte Prediger“.
Besonders streng kontrolirt der Rath das Strafamt der Geistlichen. Auch hier duldet er
keine Selbständigkeit, sondern betheiligt sich durch Deputirte. So finden wir im St.-A. Lübeck.
Archiv des Geistl. Min. Vol. I, fasc. 3 einen Akt „Examen senatus et ministerii in quosdam
suspectos de fide et vita impietata“. Am 17. November 1582 wurde dem Rath von den Geist-
lichen übergeben ein „Verzeichniss der Personen, so hiebinnen ein ergerlich leben fuhren, und
zum hochwirdigen Sakrament nit gehen, auch derjenigen, so mit calvinischen und andern irr-
thümern bezichtigt werden“; das Stück beginnt mit dem Vermerk „Anno 1582 den 27. Oktober
ist vom Erb. Rath zu Lübeck zur Inquisition deren, so ein ergerlich leben fuhren und zum
hochw. sakrament nit gehen, dan auch so offentliche Calvinisten sein, verordnet der Ehrb. her
Heinrich Storning, Rathmann, und sind nachfolgend deren Namen verzeichnet“. Das Examen
fand am 7. Januar 1583 statt; das sehr sauber geschriebene Protokoll enthält neben jedem
Namen das Ergebniss, „ob er sich bessern will oder nicht“. Das Weitere gehört nicht
hierher.
Eine ausführliche Instruktion über die Handhabung des geistlichen Strafamts gab der
Rath 1588. Es gab damals einen schweren Streit zwischen dem Superintendenten Pouchenius
und dem Pastor Rhau zu St. Marien einerseits, und dem Rektor der Katharinenschule, Crüger,
andererseits. Letzterer wurde abgesetzt. Die Geistlichen aber erhielten, nach einem Gutachten von
Tübingen, ein Rathsdekret, in Zukunft vorsichtig bei dem Strafamt zu Werk zu gehen, und gleich-
zeitig Bestimmungen darüber. Dieses am 29. Oktober 1588 ausgestellte Dekret ist in den Archiven
nicht mehr zu ermitteln. Sein Inhalt aber erhellt zur Genüge aus der sogleich zu nennenden
Deklaration. Durch das Dekret fühlte sich das Ministerium in seinem Strafamte „ungebühr-
lich“ beschränkt (siehe die zeitgenössische Aufschrift auf der „Deklaration“ im St.-A. Lübeck,
Archiv des Geistl. Min. Tom. II Bl. 179 ff.), und erbat sich daher vom Rath eine Deklaration.
Diese letztere, also zugleich eine authentische Interpretation, ertheilte der Rath am 13. Dezember
1588. Sie fiel sehr scharf und ungünstig für das Ministerium aus. Sie bildete die Grundlage
für die Zukunft und ist daher mehrfach handschriftlich erhalten, so gleich vier mal im St.-A.
Lübeck, Archiv des Geistl. Min. Vol. I, fasc. 3; auch ebenda Tom. II, Bl. 179 ff.; III, S. 233,
und wird hiernach erstmalig abgedruckt (Nr. 70). Der Rath übte jetzt strenge Controle
über die Kirchenzucht. So finden sich in den Archiven zahlreiche Aktenstücke über Kirchen-
zucht, allerdings aus dem 17. Jahrh., in denen die Geistlichen stets vorher beim Rathe an-
fragen, wenn sie eine schwere Strafe, z. B. den Bann, vornehmen wollen, z. B. St.-A. Lübeck,
Archiv des Geistl. Min. Vol. I, fasc. III (1630 wegen Calvinismus). Ein Rathsdekret vom
21. Oktober 1649 bestimmte, dass der Sünder erst vor das Ministerium gebracht, sodann vor
die Consistoriales — die Rathskommission — und erst dann die Exkommunikation öffentlich in
den Kirchen verkündigt werden solle. (Ein Beispiel einer öffentlichen Exkommunikation von
1651 findet sich, a. a. O. Vol. I, fasc. III.) Im Jahre 1664 fragen „Superintendent, Senior, Pastores
und andere Prediger“ beim Rath an, ob sie einen reuigen Sünder wieder mit der Gemeinde ver-
söhnen sollen. Dass es aber auch später ohne Conflikt nicht abging, beweist ein ganzer Akt
(St.-A. Lübeck, Archiv des Geistl. Min. Vol. I, fasc. 3 „D. Hunnii excessus in elencho
betr.“). Ein im St.-A. Lübeck (vgl. Index rer. eccl. Bl. 21) erhaltenes Stück ohne Jahres-
zahl, „Ordnung der rechtschaffenen Busse und Bekehrung“ ist keine eigentliche Ordnung,
sondern eine Aufforderung an die Obrigkeit, für Ordnung zu sorgen, z. B. Wucher zu be-
strafen u. s. w. —
 
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