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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0417
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Kirchenordnung von 1585.

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zeit, ohne versaumnuss, nach einer tüchtigen per-
sonen sich umbsehen, welchem das ministerium
wortes und der heiligen sacramenten zur erbauung
sicherlichen und wol nützlich möge vertrauet
werden können, und darin mit nachsehen, an sich
keinen verzug erscheinen lassen. Wo aber der
patronus etwa auf besehene anmahnung und er-
innerung des superintendenten, oder auch des
kirchspiel volkes, hierin nachlessig oder seumig
sein würde, oder mit diesen sachen wider gottes
wort unrichtig (wie man doch zu beschehen, zu
niemande sich versehen wil) umbgehen würde, so
zeiget und hat die heilige schrift deutliche helle
exempel, dass in solchen fellen der superintendens
oder auch die pfarrkinder mit wissen des super-
intendenten wol mögen macht haben, umb einen
guten mann sich umbzuthunde, und denselbigen
dem leenherrn (damit dem an seinem gebürlichen
rechte gleichwol nichts benommen werde) nam-
kündig zu machen und praesentiren.
Damit aber, in dem man sich an gott wider
sein heiliges wort und ordenunge durch des leen-
rechtes missbrauch nicht versündige, und zu schweren
göttlichen ungnaden, strafen auch der pfarrkinder
unheil keine ursache gegeben werde, sollen die-
selbige, welche man zu pfarrherrn oder predigern
nemen und fürstellen wil, nach gottes befehl und
willen dermassen qualificiret und geschicket sein,
wie folget:
Erstlich sollen sie gelert und des heiligen
göttliches wortes erfahren sein. Denn wo es dem
mangeln würde, wie könte er der gemeine gottes
nützlichen mit lehren und sacrament reichen für-
stehen? Mit was gewissen könte man ihm die
seelen sorge vertrauen?
Zum andern, sol er auch die gaben von gott
haben, dass er bescheidentlich und vorstendiglichen
die lehre dem volke fürtragen könne, dass sie es
von ihm einnehmen, vorstehen und zu besserunge
gebrauchen und behalten mügen. Denn wo es
hie auch feilen solte, were den zuhörern , ob er
gleich gelart, mit ihme wenig oder nichts ge-
dienet.
Zum dritten sol er auch eines erbarn, red-
lichen, aufrichtigen lebendes und bekanten unerger-
lichen wandels sein, und wo er ehelich, on
ergernusse der ganzen gemeine, und den zuhörern
zu gutem exempel, mit den seinen christlich haus-
halten und derwegen, wo er frembd und anderswo
her erfordert würde, sol er seines vorigen wandels
und vorhaltens bestendige unverdechtige zeugnusse
entweder von seinen praeceptoribus oder obrig-
keiten, oder collegis, bei denen er bisher gelebt,
fürzulegen haben, und in diesen allen sol in der
wahle nichts hinterlassen werden.
Wenn nun der superintendens mit vorwissen
der obrigkeiten und gemeine oder auch der patronen
Sehling, Kirchenordnungen. V.

in der patronat kirchen, oder auch nach beschaffener
gelegenheit die patronen (oder wo nicht patronen
sein würden) die gemeine selbst solche düchtige
persone dem superintendenten und obrigkeit an-
zeigen und vorschlagen würden, und also darauf
die nominirte person mit einhelliger des patroni,
superintendenten, kirchspiel volkes bewilligunge,
mündlich oder schriftlich, zu dem vacirenden
kirchen ampt erfodert würde, sol dieselbige persone,
alsbald sie erscheinet, von seinem patrono oder
obrigkeit dem superentendenti gen Lowenburg zu-
geschickt werden, der darauf seines amptes pflicht
nach getreulich mit guten reinen gewissen die
praesentierte personen erstlich zur Lowenburg für
dem lands fürsten, superintendenten und kirchen,
und hernach auch für der gemeine, deren prediger
er sein sol, ein, oder (wo es not) mehr mal sich
hören, und eine probe predige thun lassen, dass
man daraus vernemen, und auch bei den carspel
leuten müge erfahren, ob die ernente person der
gemeine nütze und dienstlich sein, die lehre nach
notturft fürbringen, und sie etwas von ihn fassen
können oder nicht.
Darnach zum andern sol der superintendens
in gegenwart etlicher ander mehrer darzu er-
förderten pastoren, auch des patroni selbst, und
etlicher der obrigkeit in den stedten, die vocirte
persone fleissig examiniren, bevorab in den jtzigen
streitigen religions puncten, wie er gegen die ge-
gründet, ob er auch in der lehre rein, und nicht
mit einigen schedlichen irrthumb behaft, sei, und
da er sie nicht gelesen, sol sie ihm zu lesen für-
gelegt, und umb sein judicium davon, mit fleisse
gefragt und fleissig aufachtung zugleich gehabt
werden, wie er die fundamenta doctrinae christianae
in allen artikeln vorstehe, und ob er auch die
nötige zeugniss der heiligen schrift, so zu der
warheit befestigunge, von ihm fürgebracht werden,
in der bibel selbst gelesen habe, auch capitel,
ort und stette zeigen könne. Denn es endlich
der kirchen zu gefehrlichen nachtheil gedeiet,
wenn die examinanden selbst in der bibel nicht
leuftig noch belesen, auch nicht textuales noch
locales sein, wie man solche leute oft für die
hand bekumpt, welche auch nicht ordentlichen
die bücher erzelen und nennen können, viel
weniger bericht wissen, was eines jeden buchs
allgemeine, und jedes capitis summa oder inhalt
sei, oder wie viel in jedem buche capitel sein,
dessen wir in gehaltener visiiation mit schmerzen
fast alle tage befunden und beseufzet haben.
Derwegen der superintendens, und die, so neben
ihm dem examini jederzeit beiwonen werden,
hiemit sollen ihres gewissens für gott und des
heiligen apostels S. Pauli ernsten vormanungen er-
innert sein , dass sie nicht unbedachtsam, leicht-
fertig die hende auflegen, noch falsch zeugnus
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