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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0451
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Kirchenordnung von 1585.

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derwegen gar bald geschehen könne, dass wir
armen diener Christi unsers ampts uberdrussig,
trege und hinlessig werden, und nicht mit solchem
eiverigem ernste nach dem fürgesetzten ziel, dahin
alles sol in lehren, predigen und ermanungen
gerichtet werden, uns umbsehen und eilen,
und wenn also einiger weise wir müde werden,
und embsig durch gut und bös gerüchte, durch
freund oder feindschaft allen widerstand und der-
gleichen im ampt fort zu fahren, uns vordriessen
lassen, oder nur allein der scheflein milch und
wolle, und unsern geniess und ehre suchen, und
dagegen der scheflein nicht treuherzige sorge ge-
tragen, dass sie für dem hellischen wolfe fleissig,
so wol wider falsche lehre als gottloses vordam-
liches leben und wandel, gehütet und vorwaret,
sondern in der irre beiderseits gelassen, und also
dem wolfe zu teile werden, und durch ihrer seel-
sorger vorseumniss und fahrlessigkeit an ihrer
seligkeit vorkürzet, vorderben und umbkommen,
sie hierumb einen harten, schweren, schrecklichen
stand am offenberligen tage des ernsten gericht-
stuls Jesu Christi ausstehen, hiefür scharfe, ge-
naue rechenschaft geben müssen, und der vor-
warloseten blut, gar schrecklichen von ihren henden
werde gefodert werden. Und also an solchen
untreuen seelsorgern ergehen, wie der teuer
mann gottes Lutherus, heiliger gedechtnuss, zu
sagen pfleget: wenn ein prediger seiner person
halben so rein und unschüldig vor gott sein
möchte, wie der erzengel Gabriel, so müste er
doch vordampt sein und bleiben ewiglich, wo
er wissentlich in seinem ampte, jemandes selig-
keit vorseumen würde.
Dass derhalben in betrachtung und steter er-
wegung ihres ampts, und dieses allen sie sich
wol fürsehen, treue sein, und nichts auf sich
laden wollen. Zu dem in vorrichtung ihres ampts
sachen sich dermassen mit ehrerbietung, andacht
und erbarigkeit mit allen geberten erzeigen, wie
es bei den zuhörern zur erbauunge im christen-
thum nutz und nötig, und aller leichtfertigkeit,
bei gewisser ernster strafe des consistorii, uber
gottes zorn sich eussern und enthalten. Und mit
ihren, und ihrer weiber, kinder und hausgesindes,
leben und vorhaltunge, den zuhörern mit guten
christlichen exempeln fürgehen, und mit keinem
ungöttlichen oder unchristlichen streflichen wesen
oder wandel ergern, und zu böser nachfolge ur-
sache und anleitunge geben. Dieweil die schrift
gar hart denen drauet und strafet, qui faciunt
peccare populum dei. Damit auch solche veter-
liche treuherzige vormanunge umb so viel mehr
bei ihnen statt finden und gelten müge, erinne-
runge thun, mit was reichen und gewaltigem geiste,
dergleichen vermanunge der apostel Paulus zu
Mileto in Caria auch gethan, dahin er die kirchen-

diener von Epheso fürnemlich wegen solcher er-
manung zu sich uber die zwelf guter teudsche meil
weges erfodert hatte, Actor. 20. Und was die
pastores hierauf zu thunde bedacht, sol der super-
intendens eines jeden antwort erfodern, und damit
sie der gnaden gottes befehlen.

Das vierte teil dieser kirchenordnung.
Von dem kirchenrat oder consistorio.
Das auch neben den bestimpten christlichen
visitationibus der kichen und schulen hoch nötig
und nütze sei, einen gewissen bestelleten kirchen-
rat oder consistorium anzuordnen und erhalten,
zeuget die tegliche erfarunge. Sintemal gar weinig
oder auch wol nichts überall den kirchen unsers
fürstenthumbs die visitationes und erkundigung
der ergernussen, mengel und gebrechen zum
besten und heil gedeien würden, wo nicht mit
allem getreuen dazu gethan und dahin geraten
würde, dass die vormerkete feile abgeschaffet, und
mit ernster achterfolgung und execution den sachen
ihrer beschaffenheit nach wirklichen nachgesetzet
würde. Derwegen, dass unsern lieben getreuen
untersassen in sachen das christliche gewissen der
kirchen und schulen wolfahrt angehende, an rat,
hülfe und trost nichts, so viel immer menschlich
und müglich, mit ihrem nachtheil dissfalls mangeln
müge, als haben wir auch in diesem stücke uns
von gotte befohlenes und tragenden ampts halben
erinnert, hierin die notturft, mit anordnungen eines
bestendigen consistorii, welches jerliges zum
weinigsten zu zweien malen, eins zur Lauen-
burg, das ander zu Ratzeburg auf gewisse be-
stimpte zeit sol gehalten werden, zubeschaffen,
und sol dis unser consistorium folgender gestalt
und masse bestellet sein.
Erstlich. Sol es besetzet werden mit etlichen
politischen und auch theologischen oder geistlichen
personen, dieweil für diss geistliche kirchengericht
solche hendel gehören und kommen, welche nicht
alleine gewissens, sondern zum teil auch weltliche
sachen mit sein, welche die ehefelle, der kirchen
und schuldiener güter, vorsorgung, unterhalt, auch
so wol der zuhörer als der lehrer leben und
wandel antreffen, und also oft causae mixtae hie-
her gelangen.
Derwegen sollen von unsern hofreten zwei
gelarte politici, als der canzler, sampt noch
einem, hie zu vorordenet sein, wie dann auch
zwei oder drei gelarte aufrichtige, gottesfürchtige
theologi, denen auch von unsern secretarien einer
sol zugegeben werden. Und umb so viel mehr
ansehens willen sollen auch immer zu von der
ritterschaft zwene, so oft consistorium gehalten
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