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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (5. Band): Livland, Estland, Kurland, Mecklenburg, Freie Reichsstadt Lübeck mit Landgebiet und Gemeinschaftsamt Bergedorf, das Herzogthum Lauenburg mit dem Lande Hadeln, Hamburg mit Landgebiet — Leipzig: O.R. Reisland, 1913

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https://doi.org/10.11588/diglit.27083#0467
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Kirchenordnung von 1585.

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richten, ihme gottes zorn, grimm und ungnade
wider solche sünde nach notturft fürhalten, und
zur herzlichen busse und vorsönunge mit gott er-
manen und reitzen. Wenn sich nun der sünder
hie raten lesset, gehorsamet und folget, seine
sünde klaget, besserung treulich vorheisset, ab-
solution und abendmal darauf begert, sol ihn
der pastor zu rechter, bestimbter, gewöntlicher
zeit der beicht neben andern beichtkindern in
den beichtstuel zu sich kommen lassen, mit ihme
als einen, der sich raten lesset, und sanabilis
ist, freundlich handeln, die absolution, und nach-
mals das heilige abendmal, ohne alle meldunge
von der canzel, auch ohn weiter öffentliche strafe
oder busse mitteilen.
Was aber bekante, öffentliche, unleugbare
ergerliche sünde und misshandlungen sein, die
müssen auch öffentlichen mit ernste aus gottes
worte für der gemeine von predigern gestrafet,
und nicht vortüschet werden, sintemal dieselbige
rüchtbar worden, und nun ans liecht gekommen
und ausgebrochen sein, und viele christliche herzen
in der ganzen gemeine dadurch jamerlich ge-
ergert und bedrübt sein worden. Ehe man aber
zum öffentlichen bann schreitet, wollen wir, dass
aus christlicher liebe und sanftmütigkeit, dem ge-
fallenen sitnder zu gute, und zu vormeidunge aller
beschwerlichen vordacht der rachgirigkeit, bitterig-
keit, neides oder hasses wider solche leute, der
gantzer process auch in diesem falle mit solchen
offenbaren sünden, welche man notoria facti et
notoria juris nennet, das ist, welche sich selbst
im werke und in der that dargeben, und der-
massen menniglichen unter und für augen stehen,
dass keines weges sie können vorneinet werden,
oder welche der thaten selbst bekand, oder mit
klaren, hellen, gründlichen zeugnussen uber ihm
erwiesen sein worden, nach dem befehl Christi
gehalten werde, und nicht alsbald der sünder mit
namen von der cantzel gestrafet, sondern zuvor
für seinem pastor, erstlich allein und in geheim,
darnach in gegenwart zweier oder dreier zeugen,
von kirchgeschworen oder alten leuten gefodert,
und zur busse und besserunge ernstlichen ermanet
werde, und wo er solches nicht achten würde,
sol darauf er dem superintendenten vormeldet
werden, dass er ihn ferner dem consistorio an-
zeige, damit er citiret, vorhöret, und durch seinen
pastoren, und die dazu gezogen gewesen, uber-
wiesen , und also hierüber einhellig geschlossen,
und dem pastori, wes er sich hierin zu verhalten
haben solle, befehl werden müge.
So aber bei einem solchem auch öffentlichem
sünder des pastoris oder aber des consistorii er-
innerung und ermanen frucht schaffet, und der
schüldiger seinen fall bekennet, gnade und vor-
zeihunge bittet, absolution und das heilige abend-

mahl begeret, so bedarf es weiter des bannes
nicht, davon zuvor meldunge gethan ist, sondern
sol ihm gnade und wiederumb annemunge in
die christliche gemeine widerfahren, und nicht
vorweigert werden. Aber also und dermassen, dass
er sich für der absolution und communion mit
der gemeine gottes öffentlichen vorsüne, welche
er so greulich mit seinen offenbaren sünden ge-
ergert hat, und mit wissen auch rat des super-
intendenten oder auch des consistorii sol die re-
conciliatio und aussünunge mit der kirchen ge-
schehen, folgender gestalt:
Es sol der pastor den öffentlichen sünder in
der kirchen in gegenwart unsers amptmannes oder
seines gesandten und des patroni der kirchen,
auch der kirchgeschworen, sampt andern ehr-
lichen christlichen leuten hiezu erfödert, als für
einen ausschuss, nicht aber für der ganzen ge-
meine zu gelegener zeit fodern, und für ihnen
allen ihn fragen:
Erstlich, ob er auch bekenne und festiglich
gleube, dass er mit dieser seiner sünde N. und
beharrlicher unbussfertigkeit gott den allmechtigen
schrecklichen wider sich erzürnet, auch die vor-
damniss vordienet, und die christliche gemeine
höchlig und hart geergert habe.
Zum andern, ob ihm solche seine sünde sampt
den gegeben schweren ergernissen, auch mit
ernste und von herzen gereuen und leid sein.
Zum dritten, ob er auch wegen dieser und
seiner andern sünden allen, neben dem ergernisse,
von gott dem allmechtigen umb Christi willen
gnade und vorzeihung aller solcher seinen sünden,
und der ewigen strafen genzliche erlassunge, und
der zeitlichen, leiblichen strafen gottes linderung
wündsche, und die öffentliche absolution herzlichen
begere, auch mit der kirchen, so er geergert,
sich gerne und willig vorsönen, und die ge-
ergerte gemeine umb christliche vorzeihung solches
ergernisses fleissig wolle bitten lassen.
Zum vierten, ob er auch mit dem herzen
gemeinet sei, und gott angeloben wolle, hinfurt
solcher sünden und ergernissen sich zu enthalten,
mit ernst sich bekeren, ein christlichs ehrbar-
lichs leben führen, und sein leben zur besten-
diger besserunge wenden wolle.
Zum fünften, ob er zum zeugnuss seiner buss-
fertigkeit, seines glaubens und christlichen für-
satzes und gelübdes, rechtschaffener besserung und
gottesfurcht in seinem ganzen leben, des heiligen
abendmals des waren leibes und blutes Jesu
Christi begierig sei.
Die publica poenitentia und absolutio eines
solchen vorrücketen und doch widerkerenden
sünders sol darnach gehalten werden wie folget.

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