Kirchenordnung von 1585.
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Und diesem apostolischen ernst haben die
veter hernach in ihren kirchen mit grossen treuen
fleisse und sorgfeltigkeit gefolget. Euseb. lib. 5,
Eccles. c. 25 schreibet, dass znr zeit des kaisers
Severi ein bischof mit namen Natalius sei in die
ketzereie Theodori gefallen, und gelehret, dass
Christus nur ein pur lauter mensch, und nicht
zugleich gott were. Diesen Natalium hat Victor,
der bischof oder superintendens zu Rom derhalben
aus der christen gemeinschaft ausgeschlossen. Wie
aber gott der allmechtige denselbigen wiederumb
zum rechten glauben bekeret, hat ihn die kirche,
ohne vorgehende öffentliche busse, nicht wiederumb
in ihre gemeinschaft nemen wollen, wegen des
grossen ergernisses, so durch seinen abfall vom
rechten glauben auf die gemeine Christi gekommen
war. Derhalben hat er sich selbst willig zu der
öffentlichen busse erboten und begeben, ein traur-
kleid angezogen, in der aschen für des Zepherini
füssen, der dazumal nach Victoris absterben zu
Rom superintendens worden war, mit tränen zur
erden gefallen, und die ganze kirche mit flehen
und weinenden augen umb Christi willen gebeten,
sich seiner erbarmen zu lassen, und sei darauf
wieder auf und angenommen worden.
Und Sozomenus hist. eccl. 7. cap. 16 schreibet,
wie in den occidentalibus ecclesiis und fürnemlich
zu Rome, bei zeit des heiligen unvorfelschten
evangelii es mit der öffentlichen busse und ab-
solution sei gehalten worden. Und ebener massen
beschreibet auch Cyprianus, wie zu seiner zeit zu
Carthagine, und Tertullianus, wie es in seinen
kirchen, und Origenes an vielen orten, wie es zu
Alexandria damit sei gehalten worden. Und
setzet Eusebius vom keiser Philippo, welcher der
erster christlicher keiser genennet wirt, lib. 6,
histor. eccl. cap. 33, wie auch Nicephorus lib. 5,
c. 25, dass Fabianus, der bischof zu Rom, diesen
keiser nicht habe wollen auf den ostertage, neben
andern christen, zum tische des herrn gehen lassen,
weil er mit ergerlichen öffentlichen sünden die
kirche und heiligen namen gottes vorunehret
hatte, sondern so lange davon habe abgewiesen,
bis dass er neben andern gefallenen und büssen-
den sündern, an einen gewissen ort in der kirchen
öffentliche busse thete, und mit der kirchen seines
gegebenen ergernisses halben ausgesöhnet, und
also wiederumb in die gemeine gottes angenommen
were, darin der keiser williglich gehorsamet.
Und gleicher massen hat es der heilige Am-
brosius, bischof zu Meilan, auch mit dem für-
trefflichen kaiser Theodosio gehalten, wie Sozo-
menus lib. 7, cap. 24, Nicephor. lib. 12 c. 41,
Ambros, tom. 3, sermone funebri de obitu Theo-
dosii zeugen. Denn es hatte sich in der stadt
Thessalonica ein schwer aufruhr erhoben, dadurch
der kaiser Theodosius dermassen ergretzet worden,
Sehling, Kirchenordnungen. V.
dass er aus unordentlicher rachgier und zorn hatte
in die sieben tausent menschen daselbst hernach
jammerlichen, und zwar so wol den unschüldigen
als schüldigen, umb des aufruhrs willen, ermorden
lassen. Hernach kam Theodosius gen Meilan, und
wolte, seiner vörigen gewonheit nach, in die
kirchen zum gebete gehen. Aber Ambrosius, der
bischof, gehet ihm für der kirchthur entgegen
und spricht: Es gezieme ihm mit nichten, von
wegen des begangen wütrigen mordes, davon
seine hende noch blutig weren, an dem orte zu
erscheinen, er hette denn zuvor umb solcher seiner
öffentlichen sünden, mordes und ergernisses willen
busse gethan, darin der keiser ihm auch gehor-
samet, und öffentliche busse gethan hat.
Paulinus Episcopus schreibet in vita Am-
brosii: Dass ein graf sei zu Ambrosii zeiten ge-
wesen, mit namen Stillico, derselbige habe einen
schreiber gehabt, der sei beschüldiget und uber-
zeuget worden, dass er in briefen und hendelen
zu stellen, mit falschem betrug und unwarheit,
den leuten zu grossen schaden und nachtheil, im
schreiben umbginge. Und da Ambrosius solches
gehöret, und auch Stillico davon Ambrosio bericht
gethan, hat er den schreiber als einen betrieger
und felscher für sich bescheiden, und schüldig
gefunden, und bald darauf gesprochen: Dieser
muss dem sathan zu vorderbe des fleisches uber-
geben werden, auf dass hinfurt niemand des-
gleichen zu thunde sich gelüsten lasse; und hat ihn
also in seinen sünden gebunden, und von der ge-
meine Christi ausgeschlossen, und ehe der bischof
solche wort geendiget, ist in demselbigen augen-
blick der sathan in den gottlosen vorbanneten
schreiber gefahren, und für vieler leute augen zu-
sehendes ihn zerzeret und zerrissen.
Lengern und weitleuftigern bericht von diesem
artikel zuthunde, wie wir aus der veter schriften,
kirchenhistorien, auch christlichen vorordnungen
vieler rechtschaffener concilien wol thun könten,
achten wir dissmahl von unnöten. Denn hiraus
klerlich zu sehende, wie diese kirchenzucht viele
gewaltige unleugbare zeugnussen und grunde habe
der heiligen schrift, und vieler exempel bei allen
apostolischen und hernach folgenden kirchen, auch
bei zeiten der heiligen veter, und auch zur er-
bauunge heilsamlich und wol kan gebrauchet
werden.
Es ist aber dieser herrlichen gott gefelligen
disciplin, wie auch der ganzen christenheit lehr
und gottesdiensten im leidigen antichristischen
bapstthumb begegenet, dass ihre rechter gebrauch
gar gefallen, und sie zu schrecklichen missbrauch
und tyranneie ist gezogen worden. Denn hernach
haben die papisten aus dem gehorsam der öffent-
lichen busse ein vordienstlich werch gemacht, als
ob dadurch die büsser für ihre sünde genuch theten
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Und diesem apostolischen ernst haben die
veter hernach in ihren kirchen mit grossen treuen
fleisse und sorgfeltigkeit gefolget. Euseb. lib. 5,
Eccles. c. 25 schreibet, dass znr zeit des kaisers
Severi ein bischof mit namen Natalius sei in die
ketzereie Theodori gefallen, und gelehret, dass
Christus nur ein pur lauter mensch, und nicht
zugleich gott were. Diesen Natalium hat Victor,
der bischof oder superintendens zu Rom derhalben
aus der christen gemeinschaft ausgeschlossen. Wie
aber gott der allmechtige denselbigen wiederumb
zum rechten glauben bekeret, hat ihn die kirche,
ohne vorgehende öffentliche busse, nicht wiederumb
in ihre gemeinschaft nemen wollen, wegen des
grossen ergernisses, so durch seinen abfall vom
rechten glauben auf die gemeine Christi gekommen
war. Derhalben hat er sich selbst willig zu der
öffentlichen busse erboten und begeben, ein traur-
kleid angezogen, in der aschen für des Zepherini
füssen, der dazumal nach Victoris absterben zu
Rom superintendens worden war, mit tränen zur
erden gefallen, und die ganze kirche mit flehen
und weinenden augen umb Christi willen gebeten,
sich seiner erbarmen zu lassen, und sei darauf
wieder auf und angenommen worden.
Und Sozomenus hist. eccl. 7. cap. 16 schreibet,
wie in den occidentalibus ecclesiis und fürnemlich
zu Rome, bei zeit des heiligen unvorfelschten
evangelii es mit der öffentlichen busse und ab-
solution sei gehalten worden. Und ebener massen
beschreibet auch Cyprianus, wie zu seiner zeit zu
Carthagine, und Tertullianus, wie es in seinen
kirchen, und Origenes an vielen orten, wie es zu
Alexandria damit sei gehalten worden. Und
setzet Eusebius vom keiser Philippo, welcher der
erster christlicher keiser genennet wirt, lib. 6,
histor. eccl. cap. 33, wie auch Nicephorus lib. 5,
c. 25, dass Fabianus, der bischof zu Rom, diesen
keiser nicht habe wollen auf den ostertage, neben
andern christen, zum tische des herrn gehen lassen,
weil er mit ergerlichen öffentlichen sünden die
kirche und heiligen namen gottes vorunehret
hatte, sondern so lange davon habe abgewiesen,
bis dass er neben andern gefallenen und büssen-
den sündern, an einen gewissen ort in der kirchen
öffentliche busse thete, und mit der kirchen seines
gegebenen ergernisses halben ausgesöhnet, und
also wiederumb in die gemeine gottes angenommen
were, darin der keiser williglich gehorsamet.
Und gleicher massen hat es der heilige Am-
brosius, bischof zu Meilan, auch mit dem für-
trefflichen kaiser Theodosio gehalten, wie Sozo-
menus lib. 7, cap. 24, Nicephor. lib. 12 c. 41,
Ambros, tom. 3, sermone funebri de obitu Theo-
dosii zeugen. Denn es hatte sich in der stadt
Thessalonica ein schwer aufruhr erhoben, dadurch
der kaiser Theodosius dermassen ergretzet worden,
Sehling, Kirchenordnungen. V.
dass er aus unordentlicher rachgier und zorn hatte
in die sieben tausent menschen daselbst hernach
jammerlichen, und zwar so wol den unschüldigen
als schüldigen, umb des aufruhrs willen, ermorden
lassen. Hernach kam Theodosius gen Meilan, und
wolte, seiner vörigen gewonheit nach, in die
kirchen zum gebete gehen. Aber Ambrosius, der
bischof, gehet ihm für der kirchthur entgegen
und spricht: Es gezieme ihm mit nichten, von
wegen des begangen wütrigen mordes, davon
seine hende noch blutig weren, an dem orte zu
erscheinen, er hette denn zuvor umb solcher seiner
öffentlichen sünden, mordes und ergernisses willen
busse gethan, darin der keiser ihm auch gehor-
samet, und öffentliche busse gethan hat.
Paulinus Episcopus schreibet in vita Am-
brosii: Dass ein graf sei zu Ambrosii zeiten ge-
wesen, mit namen Stillico, derselbige habe einen
schreiber gehabt, der sei beschüldiget und uber-
zeuget worden, dass er in briefen und hendelen
zu stellen, mit falschem betrug und unwarheit,
den leuten zu grossen schaden und nachtheil, im
schreiben umbginge. Und da Ambrosius solches
gehöret, und auch Stillico davon Ambrosio bericht
gethan, hat er den schreiber als einen betrieger
und felscher für sich bescheiden, und schüldig
gefunden, und bald darauf gesprochen: Dieser
muss dem sathan zu vorderbe des fleisches uber-
geben werden, auf dass hinfurt niemand des-
gleichen zu thunde sich gelüsten lasse; und hat ihn
also in seinen sünden gebunden, und von der ge-
meine Christi ausgeschlossen, und ehe der bischof
solche wort geendiget, ist in demselbigen augen-
blick der sathan in den gottlosen vorbanneten
schreiber gefahren, und für vieler leute augen zu-
sehendes ihn zerzeret und zerrissen.
Lengern und weitleuftigern bericht von diesem
artikel zuthunde, wie wir aus der veter schriften,
kirchenhistorien, auch christlichen vorordnungen
vieler rechtschaffener concilien wol thun könten,
achten wir dissmahl von unnöten. Denn hiraus
klerlich zu sehende, wie diese kirchenzucht viele
gewaltige unleugbare zeugnussen und grunde habe
der heiligen schrift, und vieler exempel bei allen
apostolischen und hernach folgenden kirchen, auch
bei zeiten der heiligen veter, und auch zur er-
bauunge heilsamlich und wol kan gebrauchet
werden.
Es ist aber dieser herrlichen gott gefelligen
disciplin, wie auch der ganzen christenheit lehr
und gottesdiensten im leidigen antichristischen
bapstthumb begegenet, dass ihre rechter gebrauch
gar gefallen, und sie zu schrecklichen missbrauch
und tyranneie ist gezogen worden. Denn hernach
haben die papisten aus dem gehorsam der öffent-
lichen busse ein vordienstlich werch gemacht, als
ob dadurch die büsser für ihre sünde genuch theten
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