Metadaten

Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (6. Band = Niedersachsen, 1. Hälfte, 1. Halbband): Die Fürstentümer Wolfenbüttel und Lüneburg mit den Städten Braunschweig und Lüneburg — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1955

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.30040#0183
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kirchenordnung 1569

Von den kindelbetterinnen oder
sechßwocherinnen.

Wenn ein kindelbetterinne nach gehaltenen
sechs wochen zur kirchen gehet, soll sie nicht,
wie im bapsthumb geschehen 93, der meinung
emgeleitet, aus oder eingesegnet werden, als
were der ehestand ein unreiner stand und kin-
der geberen ein greuel für Gott, das dadurch
ein armes weib von der gemeine Gottes abge-
schnitten würde, sondern es sol allein ein er-
innerung sein der grossen wolthaten, so der
liebe Gott beide, mutter und kinde, erzeiget hat,
und ein vermanung zur danksagung.

Derhalben wenn ein kindelbetterinne aufn Son-
tag oder werktag zur kirchen gehet, soll sie
nach geendigter communion oder predigt für
den altar kommen. Und da soll der kirchendie-
ner uber sie auß etlichen psalmen lesen, unge-
fehr auf diese form und weise:

Weil euch dar der liebe Gott mit leibesfrucht
gesegnet, in kindesnöten mit allen gnaden ge-
holfen, ein lebendigs, gesundes kindlein gegeben
und dasselbige auch mit seiner heiligen taufe
begnadet und euch wiederumb zu euer leibs ge-
sundheit verholfen hat, solt ihr solchen segen,
gabe und wolthat des fromen Gottes erkennen
und ihm dafür von herzen danksagen.

Das ihr nun solchs mit wahrer andacht im
rechtem glauben thun möget, so höret erstlich
Gottes wort.

So schreibt der liebe David im 22. psalm [10 f.]:

Du hast mich aus meiner mutter leibe ge-
zogen, du warest meine zuversicht, da ich noch
an meiner mutter brüsten war. Auf dich bin ich
geworfen aus mutterleibe, du bist mein Gott
von meiner mutter leibe an.

Und im 127. psalm [3 — 5]:

Sihe, kinder seind eine gabe des Herrn, und
leibsfrucht ist ein geschenk. Wie die pfeile in
der hand eines starken, also gerathen die jun-
gen knaben. Wol dem, der seine köcher derselben
voll hat, die werden nicht zuschanden, wenn
sie mit ihren feinden handeln im thor.

93 Vgl. Rit. Rom. P. I, Tit. VII, Cap. III: De
benedictione mulieris post partum, S. 274—276.

Und im 128. psalm [1 ff.]:

Wol dem, der den Herrn fürchtet und auf
seinen wegen gehet. Du wirst dich nehren deiner
hende arbeit, wol dir, du hasts gut. Dein weib
wird sein wie ein fruchbar weinstock umb dein
haus herumb, deine kinder wie die olzweige
umb deinen tisch her. Sihe, also wird gesegnet
der man, der den Herrn fürchtet. Der Herr wird
dich segnen aus Zion, das du sehest das glück
Jerusalem dein leben lang und sehest deine
kindeskinder. Friede uber Jerusalem.

Damach auch im 129. psalm (Ps 139, 14—18]:

Ich danke dir darüber, das ich wunderbarlich
gemacht bin, wunderbarlich seind deine werke,
und das erkennet meine seele wol. Es war dir
meine gebein nicht verholen, da ich im ver-
borgen gemacht ward, da ich gebildet ward
unten in der erden. Deine augen sahen mich,
da ich noch unbereitet war, und waren alle
tage auf dein buch geschrieben, die noch werden
solten und derselben keiner da war. Aber wie
köstlich seind für mir, Gott, deine gedanken.
Wie ist ihr so ein grosse summa. Solt ich sie
zehlen, so würden ihr mehr sein, dann des
sandes.

Hie höret ihr, obwoll von wegen der sünde
uber alle Evae töchter dieser fluch gangen: Ich
will dir viel kummer schaffen, wenn du schwan-
ger wirst, du solt mit schmerzen kinder ge-
beren [Gen 3,16] —, welchs auch noch wehret
zur erinnerung, das die kinder in sünden emp-
fangen und geborn werden, das es gleichwoll
ein sonderlich gnadenwerk der schepfung Got-
tes sey, das ein frau mit leibsfrucht gesegnet,
das kindlein in mutterleibe formiert, erneret
und erhalten, die mutter in grossen engsten und
kindesnöthen entbunden und mit einem frö-
lichen anblick einer lebendigen, gesunden frucht
erfreuet wird, und das wir schüldig sein, solch
gnadenwerk, segen und wolthat des frommen
Gottes in demuth zu erkennen und ihm von her-
zen im namen seines lieben Sons daflir dan-
ken und bitten, das er ihm. auch hinfuro beide,

20*

163
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften