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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0249
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reformierte auch noch über die Grenzen des Stifts hinaus in der Diözese Osnabrück, nämlich im Nie-
derstift Münster mit der Grafschaft Delmenhorst und im umstrittenen Kloster Herzebrock 60. Eine gleich-
mäßige Reformation der Stifter Münster, Osnabrück und Minden bzw. gar der Diözesen, wie sie der
Bischof plante, war jedoch nicht durchführbar 61.

Franz hatte die Reformation ohne Zustimmung des Domkapitels, gleichzeitig unter Mißachtung von
dessen Kollations- und Jurisdiktionsrechten, durchführen lassen 63. Bei der zu dieser Zeit starken Po-
sition der Protestanten im Reich konnte das Kapitel auch kaum wagen, dem Bischof energisch entgegen-
zutreten, wenn es auch auf Rat des Domkapitels zu Köln zusammen mit der Ritterschaft am 12. und
31. August 1543 an den Bischof schrieb, er möge mit Veränderung der Zeremonien bis zu einem Konzil
einhalten 63, und obwohl der Kaiser 1544 und 1546 Mandate gegen die Neuerungen im Stift ausgehen
ließ 64. Etliche Adlige und Kapitulare begaben sich aber in den Dienst des reformationsfeindlichen Hein-
rich des Jüngeren von Wolfenbüttel, während der Bischof dessen Gegner Philipp von Hessen unterstützte 65.
Des Bischofs Bemühen um Aufnahme in den Schmalkaldischen Bund scheiterte jedoch, u.a. weil es ihm
nicht gelingen wollte, die Reformation auch im Stift Münster durchzuführen 66. Durch den unglücklichen
Verlauf des Schmalkaldischen Krieges in seiner Stellung wieder gestärkt, verlangte das Domkapitel schon
1547 Beseitigung der reformatorischen Neuerungen im Stift, ließ auch Befehle an die Ge-
meinden ausgehen, den Gottesdienst wieder in katholischer Weise zu halten 67. Den Bischof denunzierte
es bei Papst und Kaiser 68. Franz, der um den Besitz seiner Bistümer fürchtete, gab schließlich nach und

60 Vgl. oben S. 215, Anm. 46; S.216. — Über die Reformation in Delmenhorstberichtet H. Hamelmann, 791. Zu den
Reformationsversuchen im Kloster Herzebrock durch den Grafen von Tecklenburg wie durch den Bischof Franz
vgl. bes. Staats-A. Münster, Msc. I Nr. 274; F. Zurbonsen, Klosterbericht; Urkunden, 306; ferner F. Grosse-
Dresselhaus, 74; F. Flaskamp, Bonnus, 12f. — Die Nonnen widersetzten sich hartnäckig der Reformation.
61 Vgl. Geschichtsquellen II, 284 (D.Lilies Chronik). In Minden war, wie auch Lilie erwähnt, die Reformation schon
vorher eingedrungen. Zusammenfassende Darstellung von H. Rothert, Westfälische Geschichte II. 1950, 56ff.
62 Vgl.die Beschwerdeschrift des Domkapitels vom 4. März 1547; Staats-A. Osn. Rep. 100 Abschn. 367 Nr. 6,
Bl. 38-42; dazu C. Stüve, Hochstift II, 105f.; ferner Kunstdenkmäler der Provinz Hannover IV, 1 u. 2, 118.
158. — Allgemeines zum Streit um die geistliche Jurisdiktion im Bistum Osnabrück im Reformationsjh. bei J. Die-
kamp, Die Archidiakonalstreitigkeiten zwischen Münster und Osnabrück im 16. u. 17. Jh. Phil. Diss. Münster
1942.

63 Staats-A. Osn. Rep. 100 Abschn. 367 Nr. 7, Bl. 6-15; vgl. auch C. Stüve, Hochstift II, 94f.; W. Berning, 238,
Anm. 1.

64 Mandat an die Osnabrücker Stände, nicht den Religionsneuerungen nachzugeben, vom 24. Januar 1544 im Staats-
A. Osn.: Rep. 3 vol. III Nr. 1229 (Orig.), abgedruckt bei B. Spiegel, Bonnus, 208. Das kaiserliche Mandat
vom 7. Januar 1546 an die Stände des Stifts, die Religionsneuerungen abzustellen und die Entscheidung des näch-
sten Reichstags abzuwarten, ebenfalls im Orig. im Staats-A. Osn.: Rep. 3 vol. III Nr. 1247. Das Domkapitel hatte
sich beim Kaiser u. a. der Vermittlung des Dompropstes und Beraters des Erzbischofs zu Mainz und Kardinals
Albrecht von Brandenburg, D. Jodocus Hoetfilter, bedient; vgl. den Brief der Domherren Herbort de Baer und Jo-
hannes Kerssenbrock vom 2. September 1543 und den Brief des Domkapitels vom 7. Februar 1544 an Hoetfilter
sowie Hoetfilters Antwort vom 21. Februar 1544, in der er trotz vieler Arbeit seine Hilfe zusagt, im Staats-A. Osn.:
Rep. 100 Abschn. 367 Nr. 7, Bl. 16-21. In diesem Schriftwechsel ging es auch um die Verleihung des Privilegs
der Regierung sede vacante für das Domkapitel; vgl. oben, Anm. 10. Vgl. auch C. Stüve, Hochstift II, 95;
F. Fischer, 76; H. Hoyer, 187.

65 Vgl. Staats-A. Osn. Dep. 3b IV Fach 43 Nr. 2, Stück 13, 17 und 18 (Schreiben des Bischofs an Domkapitel und
Rat vom Donnerstag nach Omnium Sanctorum 1545; Brief Philipps von Hessen an Domkapitel und Landschaft
des Stifts Osnabrück vom 8. November 1545; Brief Philipps an den Bischof vom 8. November 1545); auch ebd.
Stück 14 (Aufforderung des Bischofs an die Stadt Osnabrück, das Heer der Protestanten mit Proviant zu ver-
sorgen, vom Freitag nach Omnium Sanctorum 1545); C. Schele, 96. 120.

66 Ausführlich darüber F. Fischer, 57f. 63— 162; ferner H. Hoyer, 188ff.; R. Stupperich, aaO. 120; F. Brune,
Der Kampf um eine ev. Kirche im Münsterland. 1953, 50ff.

67 Vgl. das Schreiben des Bonnus an den Rat von Quakenbrück vom Sonnabend nach Bartholomäus 1547, abgedruckt
bei Th. Röling, 81ff.; B.R. Abeken, 67ff.; H. Dühne, 74f.; B. Spiegel, Bonnus, 203f.

68 Vgl. Staats-A.Osn. Rep. 100 Abschn. 367 Nr. 9 (Bericht des Wilhelm von Nuys, gegeben Augsburg Donnerstag
nach Lucie 1547, an das Domkapitel über den Erfolg seiner Sendung bezüglich der Denunziation des Bischofs bei
Papst und Kaiser); C. Stüve, Hochstift II, 112jf.

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