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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0253
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bei den z. T. grober Sittenlosigkeit verfallenen Klöstern konnte er, da sie durch die Kapitulation in ihren
z. T. noch katholischen Formen geschützt waren, nur energisch die Sittenlosigkeit abstellen 5.

Stadt und Land Osnabrück waren z. Z. Philipp Sigismunds durchweg evangelisch, das Kirchen-
wesen aber vom katholischen Domkapitel durchwaltet. Uneinheitlichkeit, Unordnung, oft Unentschieden-
heit waren die Folge. Wieweit die KO von 1543 noch benutzt wurde, läßt sich nicht sagen 6. Teilweise
scheint man sich der KO Philipp Sigismunds für das Stift Verden von 1606 bedient zu haben 7.

Die vielen Unklarheiten im osnabrückischen Kirchenwesen, die durch die wechselnden Schicksale
des 30jährigen Krieges noch vermehrt wurden,machten es den Katholiken 1650 möglich, durch den „Vol-
marschen Durchschlag“ 8 zwei Drittel der Kirchen des Landes an sich zu ziehen 9. Die Regierung sollte
jetzt abwechselnd einmal ein evangelischer Bischof, dieser stets aus dem Hause Braunschweig-Lüne-
burg, einmal ein katholischer Bischof innehaben 10. Die Bischöfe waren verpflichtet, sowohl die Katho-
liken als auch die der Augsburgischen Konfession zugetane Bevölkerung bei ungehinderter Religions-
ausübung zu schützen 11. Für die Protestanten wurde die Einrichtung eines geistlichen Konsistoriums
vorgesehen, bestehend aus einem weltlichen Rat, zwei geistlichen Räten und einem Sekretär 12. Die Kon-
sistorialen sollten eine vor der Publikation vom Landesherrn zu genehmigende KO abfassen 13.

Das Konsistorium wurde auch wirklich eingerichtet 14, auch die KO abgefaßt 15. Diese wurde jedoch,
obwohl vom Landesherrn 1670 vollzogen, weder publiziert noch gedruckt, sondern den Geistlichen nur
als Pastoralinstruktion zugestellt 16. Sonst scheint man sich der Lüneburger KO von 1619/43 bedient zu
haben 17.

5 Zur Sittenlosigkeit der Klöster vgl. Geschichtsquellen II, 282f. (D. Lilies Chronik). III, 93. 94. 221. 222 (Iburger
Klosterannalen mit Anm. 492 und 498); zu Philipp Sigismunds Fürsorge für die Klöster Staats-A. Osn. Rep. 100
Abschn. 338 Nr. 11 (Visitationen 1604-1618); ebd. Abschn. 340 Nr. 3 und 4 (Akten betr. die Wiederherstellung
der Zucht im Zisterzienserinnenkloster Rulle 1601-1603); dazu C. Stüve, Hochstift II, 446jf. — Zu Philipp
Sigismund im allgemeinen vgl. Stüve, aaO. 344ff.

6 In der Diözese war die KO noch 1619 im Gebrauch; denn in diesem Jahr baten die Pfarrer und Kirchendiener
der Ämter Meppen, Vechta, Cloppenburg und Wildeshausen Philipp Sigismund, sie bei der Religionsausübung ge-
mäß der Augsburgischen Konfession und der KO des Bonnus zu schützen; vgl. B. A. Goldschmidt, 153.

7 Nachweise bei H. Dühne, 134. 139.

8 Isaak Volmar Freiherr von Rieden († 1662) war einer der kaiserlichen Bevollmächtigten, die an dem Erlaß der
sog. Capitulatio perpetua vom 8. Juli 1650, durch die die besonderen Verhältnisse des Stifts Osnabrück gemäß dem
Westfälischen Frieden geregelt wurden, beteiligt waren. Er schlug am 6. Juli 1649 angesichts der unklaren Kirchen-
verhältnisse einen Vergleich über die Verteilung der Kirchen an die beiden Konfessionen vor, der als „Volmarscher
Durchschlag“ bekannt und als § 21 der Capitulatio perpetua einverleibt ist (so nach der herkömmlichen Auffassung.
Vermutlich bezog sich der eigentliche Vergleichsvorschlag indessen nur auf 14 strittige Pfarren, so daß § 21
der Capitulatio perpetua umfassender wäre als dieser; darüber H. Hoberg, Die Gemeinschaft der Bekenntnisse in
kirchlichen Dingen. 1939, 14.). Vgl. Th. Fachtmann, 4ff.; J. C. Möller, 142ff.; F. Flaskamp, Kirchen-
visitation, 17. Abdruck der Capitulatio perpetua von 1650 in Codex constitutionum I, 2, 1635-1660; bei E. Fink,
Die Drucke der capitulatio perpetua Osnabrugensis, in: MO 46 (1924), 20ff.; dazu ebd. 1ff.

9 Als Normaljahr galt nach dem Westfälischen Frieden das Jahr 1624. In diesem Jahr hatte der Generalvikar Albert
Lucenius auf Befehl des katholischen Kardinal-Bischofs Eitel Friedrich von Hohenzollern (1623-1625), des Nach-
folgers Philipp Sigismunds, seine Kirchenvisitation im Bistum Osnabrück (27. November 1624 — 17. Mai 1625)
begonnen. So wurde das Visitationsprotokoll später maßgeblich für die Regelung der kirchlichen Verhältnisse im
Stift. Das Protokoll mag jedoch oft von der Furcht diktierte Aussagen festgehalten haben, die den wahren Zustand
zu verschleiern oder Unklarheiten im katholischen Sinn hinzustellen versuchten. Wo das Protokoll die Unklarheiten
aufzeigte, konnten die Katholiken, die allein im Besitz des Protokolls waren, sie zu ihren Gunsten deuten. Vgl.
W. Wöbking; das vollständige Protokoll bei M.Bär, Protokoll, 237-282; dazu auch F. Flaskamp, Kirchen-
visitation; Das Wiedenbrücker Verhör, in: Jb des Ver.f. Westfäl. Kirchengeschichte 45\46 (1952/53), 151ff.;
Reformation und Gegenreformation im Hochstift Osnabrück, in: Westfäl. Forschungen 11 (1958), 70ff.

10 Vgl. dazu H. Schwenke, Der Regierungsantritt des ersten ev. Bischofs im Stift Osnabrück, Ernst August I.
Münstersche Diss. 1932; G. Grabenhorst, 176.

11 Capitulatio perpetua § 1ff. 12 Capitulatio perpetua § 5. 13 Capitulatio perpetua § 7.

14 Akten darüber im Staats-A. Osn.: Rep. 100 Abschn. 301 Nr. 2. 3. 4. 5. 6. 7. Vgl. dazu Th. Fachtmann, 6f.;
M. Bär,Verwaltungsgeschichte, 28f. 42. 15 Abdruck der KO bei Th. Fachtmann, Anhang.

16 Vgl. Codex constitutionum II, 1, 292f.; Th. Fachtmann, Anm zur KO. 17 Vgl.O. Dökel, 80ff.

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