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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0267
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dann der humanistische Lehrer Adolf Klarenbach, aus Wesel vertrieben, mit einer Schar von Schülern
nach Osnabrück und hielt in einem Privathaus u. a. auch reformatorische Vorlesungen über einzelne
Bücher des Neuen Testaments und über Melanchthons Dialektik, rief die humanistische Jugend Osna-
brücks auf, seiner Verkündigung des Evangeliums zuzuhören und wandte sich gegen die Bilderver-
ehrung 17. In Kürze überzeugte er den Rektor der Domschule, Alexander von Meppen, von der Richtig-
keit der evangelischen Lehre. Als dieser mit Erlaubnis des Kaplans Pollius Weihnachten 1526 im Dom
predigte, schritt das Domkapitel ein. Pollius wurde entlassen, Klarenbach bald darauf mit Zutun des
Bischofs aus der Stadt entfernt. Alexander von Meppen bewahrte der Tod vor der Entlassung. In der
Folgezeit wanderten Horsten, Römeling und Gerhard ab; Missing bekannte sich wieder zum Katholi-
zismus 18. Aber die evangelische Lehre ließ sich nicht mehr aus der Stadt verbannen. Sie gewann
neue Vertreter in dem Vizekuraten der Marienkirche Lütger von Schapen und seinem Kaplan Arnold,
der dann auch die katholischen Zeremonien außer acht ließ. Das Domkapitel drohte Schapen mit Ent-
lassung; 1529 ging er aufs Land zurück 19. Als die evangelische Lehre nach Hüdepolls Tod 1532 20 nur
noch schwach vertreten war, erschien der aus Geldern geflüchtete Prediger Dietrich Buthmann in Osna-
brück, stellte die lutherische Lehre in 44 Thesen 21 der katholischen gegenüber und disputierte darüber
in geschickter Weise. Unter den Bürgern gewann er großen Anhang, so daß das Domkapitel nicht gegen
ihn einzuschreiten wagte und sogar zunächst hinnahm, daß Buthmann entgegen allem Herkommen durch
die Bürgerschaft die Pfarre der Marienkirche übertragen wurde 22 und auch die Katharinen- 23 und die
Johanniskirche evangelische Pastoren erhielten 24. Die nahe Gefahr eines Übergreifens der Unruhen von
Münster schob die Neugestaltung des Osnabrücker Kirchenwesens jedoch noch einmal hinaus. Buth-
mann und andere Prediger mußten, ebenso wie die Wiedertäufer, die Stadt verlassen; Sandfurt wurde
seines Amtes enthoben 25. Der Bischof ließ eine Zeitlang seinen offenbar gemäßigt evangelisch gesonnenen

17 Vgl.H. Hamelmann, 1127f.; Friderici-Stüve III, 21f.;J.H. Schüren, 156ff.; Bratke, RE 3 10, 508f.;
H.Hoyer, 134f.; H. Klugkist Hesse, Adolf Clarenbach (Theol. Arbeiten aus dem wiss. Prediger-Ver. d.
Rheinprovinz NF 25). 1929, 78ff.;E. Mülhaupt, RGG 3I, 1825f.;E. Teufel, Neue dt. Biogr.III (1957). 261f.

18 Zu den Vorgängen 1526ff. vgl. H. Hamelmann, 1126ff.; C.Stüve, Hochstift II, 36f.; H. Hoyer, 135.

19 Zu Lütger von Schapen und seinem Kaplan Arnold vgl. H. Hamelmann, 1129; C. Stüve, Hochstift II, 37. 51;
H.Hoyer, 135. 136. 137; W. Berning, 55, Anm. 60; 157, Anm. 7. Berning korrigiert den von den späteren
Geschichtsschreibern wiederholten Irrtum Hamelmanns, wonach Schapen 1529 gestorben sein soll.

20 Zu Hüdepolls Tod vgl. H. Hamelmann 1129; C.Stüve, Hochstift II, 37. H.Hoyer, 136f., verwechselt Hüdepolls
Todesjahr mit dem vermeintlichen Todesjahr Schapens.

21 Abgedruckt bei H. Hoyer, 148ff. Die Thesen zeigen, daß H. Hamelmann, 1130f., Buthmann falsch beurteilt,
wenn er ihn als Verschwörer und Aufrührer hinstellt; vgl. H. Hoyer, 146ff. 152ff.; J. M. Reu I, 3, 1, 2, 1034 *;
W. Berning, 17, Anm. 37. Noch zu Ende des Jh.s war die Erinnerung an Buthmann als einen lutherischen Be-
kenner und Lehrer in Osnabrück lebendig; vgl. das Schriftstück des Osnabrücker Richters Ernst Fredeleff von 1597
zum Schulstreit, Artikel 15, Staats-A. Osn. Dep. 3b IV Fach 57 Nr. 2; dazu F. Runge in: Geschichtsquellen II,
274, Anm. 1. — L. Hoffmeyer, Chronik I, 67f., hat sich leider wieder an Hamelmann angelehnt.

22 Vgl. Geschichtsquellen II, 274 (D. Lilies Chronik); C. Stüve, Hochstift II, 62; H. Hoyer, 154f. — Der auf
herkömmlichem Wege, nämlich durch das Domkapitel, eingesetzte Pfarrer an St. Marien war Rembert von Kerssen-
brock, der spätere Bischof von Paderborn, der den Pfarrdienst aber nicht selbst versah; vgl. W. Berning, 54ff.
In einem Brief an den Bischof vom 13. Juni 1547 beschwert sich der Rat darüber, daß vor der Reformation keine
der Kirchspielskirchen (zu St. Katharinen vgl. Anm. 23) mit ihren Pastoren besetzt und versorgt gewesen sei, daß
die Mietlinge weder recht gelehrt noch gelebt hätten und die Pfarrhäuser z. T. von unzüchtigen Frauen bewohnt ge-
wesen wären; Orig. im Staats-A. Osn.: Rep. 100 Abschn. 35 Nr. 2, Bl. 15f. Vgl. auch ebd. Rep. 100 Abschn. 367
Nr. 7, Bl. 32ff. (Verhandlungen zwischen Stadt und Domkapitel 1547); darüber Berning, aaO.

23 Inhaber der Pfarre zu St. Katharinen war der sich oft in Geschäften auswärts befindende Everhard Voltelen, der
auch noch andere Benefizien, z. T. außerhalb Osnabrücks, besaß, zuerst in einer Urk. vom 15. September 1520 als
Pfarrer von St. Katharinen erwähnt, † um 1535; vgl. H.Veltman, 248f.; W. Berning, 54ff. 41, Anm. 44. —
Nach Voltelens Tod blieb die Pfarre drei Jahre unbesetzt; vgl. Berning, 54 mit Anm. 55.

23 Zur Neubesetzung von St. Katharinen und St.Johannis vgl.H. Hamelmann, 1129. 1131; C. Stüve, Hoch-
stift II, 62; H. Hoyer, 155, Anm. 1.

25 Vgl. oben S. 214 mit Anm. 33 und 34; Geschichtsquellen II, 274 (D. Lilies Chronik); H. Hamelmann, 1131;
H. Hoyer, 155f. 157.

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