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Wolgast, Eike [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Editor]; Sehling, Emil [Bibliogr. antecedent]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0269
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allem Zubehör und allen Gütern innerhalb und außerhalb der Stadt zum Nutzen der Armen. Die noch im
Kloster lebenden Mönche sollten freilich bis an ihr Lebensende dort erhalten werden.

Von den Bürgern wurde der Rat jetzt gedrängt, die Reformation auch hinsichtlich der Zeremonien
nach dem Vorbild anderer Städte durchzuführen. Schließlich willigte auch der Bischof, der hierin an-
fangs noch zögerte, in dieses Vorhaben 39. Zur Ausführung des Planes erbat sich der Rat vom Magistrat
zu Lübeck, der ihn schon früher zur Annahme der Augsburgischen Konfession ermahnt hatte, den dor-
tigen Superintendenten Hermann Bonnus 40. Der Osnabrücker Gesandte wurde am 6. Dezember 1542
abgefertigt; durch Schreiben vom 9. Januar 1543 an den Bischof 41 gewährte der Lübecker Rat die Bitte,
und schon am 25. Januar 1543 traf Bonnus in Osnabrück ein 42, zunächst mit einer Urlaubsgenehmi-
gung bis Palmarum versehen, später jedoch noch länger von Lübeck beurlaubt4 3. Bonnus begann am
2. Februar mit Predigten und Austeilung des Altarsakraments unter beiderlei Gestalt in der Marien-
kirche und fuhr an den folgenden Sonn- und Festtagen ebenso in der Katharinen- und Augustinerkirche
fort; im Barfüßerkloster las er in lateinischer Sprache über den Römerbrief 44. Der Dominikanerkon-
vent widersetzte sich allerdings der Einführung der evangelischen Lehre, woraufhin der Rat die Klein-
odien und Dokumente des Klosters beschlagnahmte und auf das Rathaus bringen und das Kloster die
nächsten fünf Jahre geschlossen halten ließ 45. Bonnus’ wichtigstes Werk in Osnabrück war der Entwurf
einer KO, die dann vom Bischof approbiert und vom Rat bevorwortet wurde. Bis zu einer allgemeinen
Reformation der Christenheit sollte sie im Gebrauch bleiben, mithin nur vorläufig sein. Als Muster für
seine KO hatte Bonnus hauptsächlich die Lübecker KO Bugenhagens von 1531 46 gedient4 7; aber die
Übereinstimmung der beiden KOO erstreckt sich nur auf Inhalt und Tendenz, nicht auf die Form: die
Osnabrücker KO ist viel kürzer als die Lübecker, verzichtet auf eigentlich agendarische Teile, läßt einige
Rubriken überhaupt fort, ändert einiges auch sachlich und ist im ganzen den Verhältnissen der Stadt
Osnabrück angepaßt 48. Nach Inhalt und Tendenz steht sie aber auch mit anderen KOO Bugenhagens
in einer Linie 49, desgleichen mit von den Bugenhagenschen abhängigen KOO, wie die Vorrede darauf
hinweist, daß die KO auch dem Gebrauch in Hamburg 50 und in anderen Städten gleichkomme 51. -
Durch die KO wurden auch das Pfarrbesetzungsrecht und die Jurisdiktion in Ehesachen auf neuer Grund-
lage - unabhängig vom Domkapitel - geregelt. Die Annahme der Pastoren und Kaplane sollte jetzt durch
die Lohnherren-das waren Mitglieder des Rates-und die Kirchgeschworenen bzw. Kirchräte des jewei-

drei Klöster und der beiden Stadtkirchen lautete. Angeblich wäre diese Urkunde einmal beim Gogericht gezeigt
worden. Eine solche Urkunde konnte der Rat jedoch nicht finden. Vgl. unten S. 239f., Anm. 73. Im Zusammenhang
damit ist vielleicht die Urkunde vom Donnerstag nach Oculi 1544: zu sehen, in der der Bischof erklärte, er habe
die Zinsen und Renten der drei Klöster und der beiden Pfarrkirchen dem Rat zur Unterhaltung von Prädikanten,
Schulmeistern und anderen Kirchendienern überwiesen und empfehle dem Rat, dafür zu sorgen, daß die Schuldner
die Zinsen und Renten an die eingesetzten Provisoren auch rechtzeitig zahlten; vgl. F. Runge, Ratsgymnasium, 8f.

39 Vgl. Geschichtsquellen II, 275f. (D. Lilies Chronik). — Daß der Bischof zunächst zögerte, mag seinen Grund darin
gehabt haben, daß er auf Bucer warten wollte; vgl. oben S. 215 mit Anm. 42; auch H. Hoyer, 166f.

40 Zu Bonnus vgl. oben S. 222, Anm. 1.

41 Das Schreiben im Staats-A. Osn.: Dep. 3b IV Fach 43 Nr. 2, Stück 7e (Kopie); abgedruckt bei B. Spiegel,

Bonnus, 181. 42 Vgl. Friderici, 300; B. Spiegel, Bonnus, 82f.; J. C. Möller, 104; W.Schäfer, 13.

43 Der Brief Luthers an Bonnus, datiert vom 5. August 1543, in dem Luther rät, Bonnus möge dem Bischof seine
Hilfe nicht entziehen, betrifft die Verlängerung des Urlaubs. Der Brief: WA Briefe 10, 355; vgl. dazu ebd. 354f.;
B. Spiegel, Bonnus, 82f. H. Hoyer, 168, Anm. 1, bezweifelt die Richtigkeit des Datums angesichts des späten
Termins, weil er verkennt, daß es sich hier gar nicht darum handelt, Bonnus zur Reise nach Osnabrück zu ermuntern.

44 Vgl. Geschichtsquellen IV, 239ff. (Legerbuch, Bericht des Bürgermeisters Hammacher); J. H. Schüren, 187, u.a.
45 Vgl. Beckschäfer, 33f.; W. Berning, 200.

46 Sehling V, 334ff.; dazu W. Jannasch, Geschichte des luth. Gottesdienstes in Lübeck von 1522 bis 1633. 1928,
bes. 13ff. 47 Vgl. die Vorrede der KO; D. Chytraeus, 400; Th. Röling, 57.

48 Vgl. auch B. Spiegel, Bonnus, 86f.; H. Hoyer, 174. 175ff. 179ff.

49 Vgl. auch Stüve in: MO 13 (1886), 229. 50 Die Hamburger KO Bugenhagens von 1529: Sehling V, 488ff.

51 Die Braunschweiger KO Bugenhagens von 1528: Sehling VI, 1, 348ff. - Unter den von Bugenhagens abhängigen
KOO befindet sich auch die von Nikolaus Krage (vgl. zu Krage Sehling VI, 2, 1122; auch unten S. 320 mit
Anm. 76) verfaßte KO der benachbarten Stadt Minden von 1530 (abgedruckt in: Jb des Vereins für Westfälische

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