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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0329
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Superintendenten- und Predigerordnung 1610

item Formula Concordiae, anno 1536 aufgerichtet 10,
wie auch denn Smalkaldischen Articulen 11 und im
Großen und Kleinen Catechismo Lutheri 12, dan auch
in Libro Concordiae oder christlichen wiederholeten
einmutigen bekentnuß der weltlichen chur-, fursten
und stette 13 außgelägt und erkleret worden.

Lex 2] Züm zweiten, daß sie sulche lehre in nöt-
tigen, nutz- und dienlichen punkten der gemaind
fein ordentlich, unterscheidlich und ufs allerkurzest,
also daß eß die einfältigen vernemen, begreifen und
behalten mugen, furtragen, alle weitleufigkeit und
unnöttigs schuelgeschwetz abstellen und sonderlich
ihre predigten dermaßen einrichten, daß sie inner-
halb einer stunde geendigt und verrichtet werden
kunnen, seitemal eß den einfaltigen gar weinig oder
nichts frommet, daß weitleufig und mit vielen wor-
ten von einer sachen geredet wurt und der prediger
seine kunst und memoriam ostentirt, sondern viel-
mehr daran gelegen ist, daß mit weinigen und ver-
stendlichen worten die unverstendigen unterwiesen,
die nachläßigen erwecket, die rohen und sichern
ernstlich angegriffen, die blöden und erschrockene
getroistet und also die kirche Gottes erbaut und ge-
beßert werde, sich aber hiebey der hyperbolischen
exclamation uber der großen menge der huren, zau-
berschen, weinwydtigen und anderer böser leute, da-
durch diese ganze stadt bei menniglichen anruchtig
gemacht wurt, mußigen, damit ihnen gleichwoll,
sunde und boßheit gepuerlich zu straffen, keines-
wegs benommen, sondern vielmehr anbefohlen sein
soll.

Lex 3] Züm dritten, daß sie sulche lehre der ge-
maind fein sitsamb, züchtig, nüchtern und in aller
stille furtragen, dabei moderatos gestus fuhren und
sich dergestalt nicht bezeigen, alß wölten sie mit der
kanzel zu den zuhorern heruntersturmen. Sie kun-
nen aber gleichwoll die gemaind, wan eß vonnöten,
mit erhobener stimmen zu fleißiger attention und

10 Vgl. oben S. 265f. mit Anm. 11.

11 Bek. Schr., 407ff. 12 Bek. Schr., 501 ff.

13 Vgl. oben S. 266 mit Anm. 12. Titel des Konkordien-
buches von 1580, Th. Kolde, Historische Einlei-
tung in die Symbolischen Bücher der ev.-luth. Kir-
che. 1907, LXXV: „Concordia... Christliche, Wider-
holete, einmütige Bekenntnüs nachbenanter Chur-
fürsten, Fürsten vnd Stende Augspurgischer Con-
fession...“ (vgl. auch Bek. Schr., 1).

andern behörlichen sachen gepurendermaßen er-
mahnen und aufmuntern.

4] Züm vierten, daß sie ihre predigten also for-
miren und einstellen, daß, waß in dispositione pro-
mittirt, innerhalb obbestimbter stunde gemächlich
praestirt und absolvirt werden kunne und also auch
die zuhörer, wahin sie ihre gedanken dirigiren und
stellen söllen, eigentlich wißen und verstehen und
die predigten mit nutz und frucht anhören mugen.

5] Züm fünften, daß sie ihr predigambt allerding
erbarlich ohne aufruhrigkeit und unchristlichs la-
stern und schelden fuhren und verrichten, auch
nichts uf die kanzel prengen, eß sei dan von ihnen
woll praemeditirt und fleißig abstudirt.

6] Züm sechsten 14, daß sie sunderlich in dieser ge-
maind und an diesem ort, da die pabstische religio
und ceremonien noch zur zeit mit im geprauch sein,
ihr ambt also mit guter bescheidenheit verrichten,
daß eß gereiche zur aufbauung und nicht zur ver-
störung der kirchen und eines christlichen fried-
lichen wesends, auch daß tumbcapittel und cleresey
hieselbst (außerhalb christlicher und in Gottes wort
gegrundeter bußpredigten und gepuerlicher refuta-
tion falscher lehren) in ihrem stand ohngetadelt ge-
laßen werde, damit allerseits guter friedenstand er-
halten pleibe.

7] Züm siebenden 15, daß auch die untersaßen, unß
alß ihrer oberkeit schuldigen und gepuerlichen ge-
horsamb in aller guttwilligkeit zu leisten, durch ihre
predigten immerda erinnert, ermahnet und angeret-
zet [!] werden.

8] Züm achten 16, daß sie, die predigere, unterein-
ander gute einigkeit und frieden haben und halten
und einer sich nicht gedunken laße, daß er beßer,
gelärter und beredeter sey wie der ander. Hat aber
einer mehr gaben, geschickligkeit und verstands alß
der ander, davor danke er Gott, prauche solches
nicht zur hochfart und ärgernuß, sondern zur ehre

14 Dieser Absatz stimmt wörtlich mit dem entspre-
chenden der Ordnung von 1596 überein, beginnt dort
aber „Zum zweiten“; vgl. oben S. 291. Wir wieder-
holen ihn hier um des Textzusammenhangs willen.

15 Vgl. den entsprechenden Absatz der Ordnung von
1596, oben S. 291, dort beginnend „Zum dritten“.

16 Dieser Absatz ist stark erweitert gegenüber dem ent-
sprechenden der Ordnung von 1596, dort beginnend
„Zum vierten“; vgl. oben S. 291.

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