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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0351
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Reichsstädte richten wollten nach Maßgabe der Reichsabschiede zu Speyer 63 und zu Augsburg 64. Eine
endgültige Entscheidung sollte ein binnen Jahresfrist erwartetes allgemeines Konzil bringen; anderen-
falls sollte sich einer der Grafen beim Herzog zu neuen Verhandlungen einfinden.

Enno nahm jetzt Verhandlungen mit Herzog Ernst von Lüneburg auf und bat ihn um zwei Pre-
diger, die das Luthertum in Ostfriesland fest gründen helfen sollten 65. Die Hauptarbeit der beiden von
Herzog Ernst entsandten Geistlichen, Martin Ondermarck aus Celle 66 und Matthias Ginderich aus Bar-
dowick 67, die in Ostfriesland auf Widerstand und Anfeindung stießen, war die Abfassung einer KO
(Agende) für die Grafschaft 68. Sie benutzten dabei hauptsächlich die KO für Brandenburg-Nürnberg
von 1533 69, Luthers Taufbüchlein von 1526 70 und Luthers Deutsche Messe von 1526 71. Dazu arbeiteten
sie noch ein umfassendes Ausführungsgutachten zur Regelung der Kirchenverfassung aus, das einige
Zeit später für die ostfriesische Kirche noch bedeutungsvoll werden sollte. Neben dem Superintendemen-
amt ist hier schon eine Art Konsistorium, die jährliche Abhaltung von Synoden der Prediger und die
Durchführung von Visitationen vorgeschlagen 72. Auch wird im Gutachten schon die Aufstellung einer
Polizeiordnung empfohlen.

Das gräfliche Einführungsmandat zur KO in 20 Artikeln berücksichtigt das Gutachten nur in sehr
geringem Maße, nimmt aber außer auf die eigentliche KO von 1535 auch auf die ältere KO von 1529
Bezug. Es gilt jedoch nicht ausschließlich der Einführung der KO, sondern nimmt u. a. auch Bestim-
mungen der Reichspolizeiordnung von 1530 73 auf, ähnlich wie z. B. ein 1531 im Kurfürstentum Sach-
sen ergangenes Ausschreiben 74.

Die KO wurde samt dem Einführungsmandat in alle Teile der Grafschaft geschickt und ihre An-
nahme vom Grafen entschieden gefordert. Nur ein kleiner Teil der Prediger wagte schließlich, Wider-

63 Auch die KO von 1529 berücksichtigte den Reichsabschied zu Speyer von 1529; vgl. unten S. 360 mit Anm. 2.

64 Vgl. den Augsburger Reichsabschied von 1530 bei Koch-Senckenberg, Neue und vollständigere Sammlung der
Reichs-Abschiede. 1747, 2. Th., 306ff.

65 Vgl. E. Beninga, Chronyk, 703; Brief des Herzogs Ernst an Graf Enno vom 15. 1. 1535, in: JbE 7, 2 (1887),
106f.; E.Kochs III, 85ff. (bei Kochs wird auch über das sonstige Wirken der Lüneburger berichtet; doch er-
mangelt die Darstellung der Objektivität).

66 Zu Martin Ondermarck vgl. Sehling VI, 1, 576; auch E. Kochs III, 87, Anm. 1.

67 Matthias Ginderich: 1529-1558 Pfarrer und Superintendent zu Bardowick, † 28. 9. 1558; vgl. Ph. Meyer, Pa-
storen I, 56.

68 Vgl.E. Beninga, Chronyk, 703; Gegenbericht, A VII (H. Garrelts, 104); E. Meiners I, 135f.; H. Rei-
mers, Gestaltung, 45f.; E. Kochs III, 93ff.; J.Weerda, Entstehung, 23f. Die Lüneburger haben die KO an-
scheinend erst nach ihrer Rückkehr ins Fürstentum Lüneburg gänzlich fertiggestellt. In einem Brief an die Grafen
Enno und Johann, „datum Zelle am Sondage Judica anno D. 35“, schreibt Ondermarck: ...dusse byvorwarten
schrifte, welchs datum steyt Dinxtedages nach Letare, hedde ick gerne vorlangest J. G. gesant, overst idt mangelde
my an gewisser bodeschop. Szo sende ick desulvigen nach J. G. by dussen itzigen schriften, darinne ick J. G. allent-
halven myne guden wolmeynunge hebbe angezeigt, twifelns frig, J. G. werde dusse godtlichen sache to herten ne-
men...“; vgl. Staats-A. Aurich, Rep. 135 Nr. 6, Stück 2; Druck in: JbE 7, 2 (1887), 108f. - Hier könnte das
Gutachten zur KO gemeint sein.

69 Sehling XI, 140ff.

70 WA 19, 537ff.; Sehling I, 21ff.; Bek. Schr., 535ff.

71 WA 19, 72ff.; Sehling I, 10ff.

72 Es ist nicht notwendig anzunehmen, daß die Lüneburger diese Vorschläge aus der Schweizer Reformation geschöpft
haben (vgl. E.Kochs III, 103). Ähnliche Einrichtungen kannte auch schon die junge lutherische Kirche; vgl.
die Ausführungen Sehlings zu solchen Einrichtungen im Kurfürstentum Sachsen, auch über den inneren Zusam-
menhang zwischen Visitation und Synode: Sehling I, 32ff.; dazu die KOO ebd. 142ff. Zu frühen Visitationen
im Fürstentum Lüneburg vgl. Sehling VI, 1, 484ff. Über eine Art Konsistorium der Stadt Lüneburg vgl. KO von
1531: „Van predychampt“ (Sehling VI, 1, 648f.).

73 Die Reichspolizeiordnung, verabschiedet auf dem Reichstag zu Augsburg 1530, vgl. bei Koch-Senckenberg,
Neue und vollständigere Sammlung der Reichs-Abschiede. 1747, 2. Th., 332ff.

74 Abgedruckt bei Sehling I, 178ff.

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