Grafschaft Ostfriesland
der ritterschaft kirchen- und schuellrechten und -ge-
rechtigkeiten in ihren herligkeiten keinen streit hat,
so werden dieselbe bey ihren exercitiis der freyen
kyrch- und schuelbestellungen billig geruhiglich ge-
laßen. Weil auch, soviel burgermeister und raet
sambt gemeiner burgerschaft unser stadt Embden
betrifft, hieruber besondere richtige vorgleichungen
und ordnungen, wie hirunter folgen wird, geschloßen
worden.
Damit dan nicht vonnöten, weitleuftig zu dispu-
tiren, wie eß mit den angezogenen dotationibus,
fundationibus et praescriptionibus der andern städte,
Norden und Aurich,und deß dritten oder haußmans-
Passauischen Vertrags und darauf geschlossenen
religionsfriedens in unstreitiger possession vel quasi
continuirlich hergebracht, nicht aus den händen las-
sen und den untertanen hingehen können. Dessen
haben S. G. grosse erhebliche ursachen, erachten
sich auch, ein solches zu tun, nicht schuldig... dann...
da den untertanen und communen in diesem nach-
gesehen und ihnen zugelassen werden solte, kirchen
und schulen also zu versehen, würde unter andern
diese grosse bedrängniß endlich daraus erfolgen, daß
sie keine andere ehrliche leute bey sich würden ley-
den können, welche in religionssachen mit ihnen nicht
einig, wie man dessen exempel an denen von Emden
leyder! für augen hat... daß aber S. G. das ganze
ius patronatus... den untertanen nicht abtreten kön-
nen oder wollen, lässet es sich wol ansehen, daß es
nicht unbillig der fürnehmste punkt genennet werde;
dann sintemal sacra et leges concludunt ius publi-
cum, wird unter andern dadurch S. G. hoheit und
praeeminenz zuforderst attentirt und deroselben
trefflich, jedoch verdeckter weise, von den unterta-
nen nachgegangen. — Vgl. dazu Apologia, 141 ff. Vom
Landtag zu Leer im März 1598 berichtet die Apo-
logia, 169: Ferners hat er [der Kanzler im Namen
des Grafen] von dem iure patronatus vorgestellet
und die keys. resolution dahin gedeutet, das dassel-
big S. Gn. allein in der stadt und im ganzen lande
(ausgenommen in den gebieten etlicher wenig jun-
keren, so eygene bottmessigkeit hetten) und niemand
anders zugehöre... Ebd. 170f.: Insonderheit aber
hat sich der dritte stand im punkt de iure patronatus
von bestellung der kirchen außtrücklich, wie auch
die andere, erkläret, sie wolten lieber alles, was sie
auf dieser welt hetten, auch, so es nötig, das leben
selbst verlieren, als dasselb, solcher gestalt, wieder der
keyß. resolution rechten verstand, dem herrn graf-
fen nachgeben... - Vgl. dazu noch H. Dirksen, 18.
An Hand einer Instruktion des Grafen an seine
Gesandten in Prag von 1598 berichtet die Apolo-
gia, 180: Ferner solten dieselbe anwälten ... von der
keys. mayt. begeren, das dem herrn grafen das ius
patronatus, welches nit den bauren und untertan,
sonder der hohen obrigkeit nach des h. reichs ab-
standes und deme von ihnen angezogenen seent-
recht 19 allenthalben bewandt sey, alß haben wir
gnedig gewilliget und vorabscheidet, daß erstlich
keiner gemeinde hinfuro jemandes von pastoren,
kirchen- oder schueldiener aufgedrungen werden,
sondern wan sich an einem ort ein kirchen- oder be-
harlicher schueldienst erledigt, daß alßtan die elti-
sten und vornembsten der gemeindte befuegt sein
sollen, sich forderlich zusamen zu begeben und mit
vorhergehender anruffung gödtlichen beystandes zu
beraetschlagen, mit was fur einer person die vaci-
rende stelle nutz- und fruchtbarlich widerumb könne
besetzt werden. Und wan sie sich einer oder mehr
scheid und ufgerichtetem religionsfrieden zukomme,
müge confirmiret werden... Ebd. 182: Das gleich-
fals der herr graf in uber sechszig jaren hero conti-
nuirten und ungezweifelten wolhergeprachten besitz
von der bestallung und ufsicht der kirchen und schu-
len, auch iuris patronatus gewesen sey und derwegen
nit schuldig, in händen der gemeinten dieselbe zu
stellen... — Nach H. Reimers, Kirchenpatronat,
153 ff., müßten die Grafen schon vor der Reforma-
tion Patronatsrechte in beträchtlichem Umfang be-
sessen haben. In einem etwa seit 1548 beim Reichs-
kammergericht anhängigen Prozeß zwischen Johan-
niterorden und Grafenhaus behauptet das Grafen-
haus, das Patronatsrecht nicht nur über alle Ordens-
häuser der Johanniter, sondern auch über alle Pfarr-
kirchen des Landes habe von altersher der Landes-
herrschaft zugestanden. Vom Vertreter der Gräfin
Anna am 24. September 1561 dem Reichskammer-
gericht überreichte Zusatzartikel besagen, daß die
Grafen und ihre Vorfahren über hundert und mehr
Jahre „aller pfarren in dieser grafschaft Ostfriesland
freie administration, collation und presentation ge-
habt“. Bei einer Zeugenbefragung 1563 ergeben sich
u. a. zwei beschworene zustimmende Zeugnisse. Vgl.
im übrigen Einleitung, oben S. 354 f.
19 In den Vorverhandlungen brachten die Stände vor,
es sei ein Mißverständnis, daß sie sich bei den Vo-
kationen der Kirchendiener auf „dotationes et fun-
dationes ohne unterscheid“ herufen haben sollten,
da man sich doch nicht allein darauf, sondern auch
und besonders „aufs herkommen gelehnet“, das mit
Urkunden und dem Sendgerichte zu belegen sei. Vgl.
E. R. Brenneysen Tom. II, 155. Den entsprechen-
den Paragraphen des Emsgauer Sendrechtes s. oben
S. 385, Anm. 38; über die älteren friesischen Rechte
Bartels,Kirchenlasten,53ff.-Schon früher hatten
die ständischen Abgeordneten in Prag vorgebracht,
die Stände hätten selbst die Klöster gestiftet, die
Kirchen gebaut und dotiert, das ius patronatus „nach
gewohnheit der freyen völker secundum leges com-
munes gebrauchet“, auch Bischöfen und dem Papst
nicht gestattet, ihre Freiheit zu beeinträchtigen; vgl.
Apologia, 152 f.
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der ritterschaft kirchen- und schuellrechten und -ge-
rechtigkeiten in ihren herligkeiten keinen streit hat,
so werden dieselbe bey ihren exercitiis der freyen
kyrch- und schuelbestellungen billig geruhiglich ge-
laßen. Weil auch, soviel burgermeister und raet
sambt gemeiner burgerschaft unser stadt Embden
betrifft, hieruber besondere richtige vorgleichungen
und ordnungen, wie hirunter folgen wird, geschloßen
worden.
Damit dan nicht vonnöten, weitleuftig zu dispu-
tiren, wie eß mit den angezogenen dotationibus,
fundationibus et praescriptionibus der andern städte,
Norden und Aurich,und deß dritten oder haußmans-
Passauischen Vertrags und darauf geschlossenen
religionsfriedens in unstreitiger possession vel quasi
continuirlich hergebracht, nicht aus den händen las-
sen und den untertanen hingehen können. Dessen
haben S. G. grosse erhebliche ursachen, erachten
sich auch, ein solches zu tun, nicht schuldig... dann...
da den untertanen und communen in diesem nach-
gesehen und ihnen zugelassen werden solte, kirchen
und schulen also zu versehen, würde unter andern
diese grosse bedrängniß endlich daraus erfolgen, daß
sie keine andere ehrliche leute bey sich würden ley-
den können, welche in religionssachen mit ihnen nicht
einig, wie man dessen exempel an denen von Emden
leyder! für augen hat... daß aber S. G. das ganze
ius patronatus... den untertanen nicht abtreten kön-
nen oder wollen, lässet es sich wol ansehen, daß es
nicht unbillig der fürnehmste punkt genennet werde;
dann sintemal sacra et leges concludunt ius publi-
cum, wird unter andern dadurch S. G. hoheit und
praeeminenz zuforderst attentirt und deroselben
trefflich, jedoch verdeckter weise, von den unterta-
nen nachgegangen. — Vgl. dazu Apologia, 141 ff. Vom
Landtag zu Leer im März 1598 berichtet die Apo-
logia, 169: Ferners hat er [der Kanzler im Namen
des Grafen] von dem iure patronatus vorgestellet
und die keys. resolution dahin gedeutet, das dassel-
big S. Gn. allein in der stadt und im ganzen lande
(ausgenommen in den gebieten etlicher wenig jun-
keren, so eygene bottmessigkeit hetten) und niemand
anders zugehöre... Ebd. 170f.: Insonderheit aber
hat sich der dritte stand im punkt de iure patronatus
von bestellung der kirchen außtrücklich, wie auch
die andere, erkläret, sie wolten lieber alles, was sie
auf dieser welt hetten, auch, so es nötig, das leben
selbst verlieren, als dasselb, solcher gestalt, wieder der
keyß. resolution rechten verstand, dem herrn graf-
fen nachgeben... - Vgl. dazu noch H. Dirksen, 18.
An Hand einer Instruktion des Grafen an seine
Gesandten in Prag von 1598 berichtet die Apolo-
gia, 180: Ferner solten dieselbe anwälten ... von der
keys. mayt. begeren, das dem herrn grafen das ius
patronatus, welches nit den bauren und untertan,
sonder der hohen obrigkeit nach des h. reichs ab-
standes und deme von ihnen angezogenen seent-
recht 19 allenthalben bewandt sey, alß haben wir
gnedig gewilliget und vorabscheidet, daß erstlich
keiner gemeinde hinfuro jemandes von pastoren,
kirchen- oder schueldiener aufgedrungen werden,
sondern wan sich an einem ort ein kirchen- oder be-
harlicher schueldienst erledigt, daß alßtan die elti-
sten und vornembsten der gemeindte befuegt sein
sollen, sich forderlich zusamen zu begeben und mit
vorhergehender anruffung gödtlichen beystandes zu
beraetschlagen, mit was fur einer person die vaci-
rende stelle nutz- und fruchtbarlich widerumb könne
besetzt werden. Und wan sie sich einer oder mehr
scheid und ufgerichtetem religionsfrieden zukomme,
müge confirmiret werden... Ebd. 182: Das gleich-
fals der herr graf in uber sechszig jaren hero conti-
nuirten und ungezweifelten wolhergeprachten besitz
von der bestallung und ufsicht der kirchen und schu-
len, auch iuris patronatus gewesen sey und derwegen
nit schuldig, in händen der gemeinten dieselbe zu
stellen... — Nach H. Reimers, Kirchenpatronat,
153 ff., müßten die Grafen schon vor der Reforma-
tion Patronatsrechte in beträchtlichem Umfang be-
sessen haben. In einem etwa seit 1548 beim Reichs-
kammergericht anhängigen Prozeß zwischen Johan-
niterorden und Grafenhaus behauptet das Grafen-
haus, das Patronatsrecht nicht nur über alle Ordens-
häuser der Johanniter, sondern auch über alle Pfarr-
kirchen des Landes habe von altersher der Landes-
herrschaft zugestanden. Vom Vertreter der Gräfin
Anna am 24. September 1561 dem Reichskammer-
gericht überreichte Zusatzartikel besagen, daß die
Grafen und ihre Vorfahren über hundert und mehr
Jahre „aller pfarren in dieser grafschaft Ostfriesland
freie administration, collation und presentation ge-
habt“. Bei einer Zeugenbefragung 1563 ergeben sich
u. a. zwei beschworene zustimmende Zeugnisse. Vgl.
im übrigen Einleitung, oben S. 354 f.
19 In den Vorverhandlungen brachten die Stände vor,
es sei ein Mißverständnis, daß sie sich bei den Vo-
kationen der Kirchendiener auf „dotationes et fun-
dationes ohne unterscheid“ herufen haben sollten,
da man sich doch nicht allein darauf, sondern auch
und besonders „aufs herkommen gelehnet“, das mit
Urkunden und dem Sendgerichte zu belegen sei. Vgl.
E. R. Brenneysen Tom. II, 155. Den entsprechen-
den Paragraphen des Emsgauer Sendrechtes s. oben
S. 385, Anm. 38; über die älteren friesischen Rechte
Bartels,Kirchenlasten,53ff.-Schon früher hatten
die ständischen Abgeordneten in Prag vorgebracht,
die Stände hätten selbst die Klöster gestiftet, die
Kirchen gebaut und dotiert, das ius patronatus „nach
gewohnheit der freyen völker secundum leges com-
munes gebrauchet“, auch Bischöfen und dem Papst
nicht gestattet, ihre Freiheit zu beeinträchtigen; vgl.
Apologia, 152 f.
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