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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0458
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Grafschaft Ostfriesland

armenvogte bestellet, einzig und allein zu for-
dern.

Alß aber auch hiebei ferner geklagt worden, daß
etlichen gemeinden die pastorn und kirchendiener
wieder ihren willen ufgedrungen, und dahero gesucht
und gebetten, selbigen ufzuerleggen, daß sie sich
dißfals dem iudicio und approbation eines jeden kar-
spells unterwerfen und demselben die behaltung oder
enturlaubung befolen und aufgetragen werden moch-
te 25, wir aber nicht unbillig bedenken getragen, je-
mand seiner einhabenden possession vel q[uasi] de
facto und unerkanten rechtenß zu entsetzen oder zu
gestatten, daß einer in seiner selbst eigenen sache
part- und richterstelle zugleich vortretten möge:

So wollen wir die verordnung tuen, daß vor ein-
nemung der huldigung und bey erledigung der spe-
cialbeschwerungen die klagende gemeinde neben
ihrem pastorn vor unß, unsere land- und hofräte
und andere, so wir in gnaden darzu zu ziehen ge-
meinet, vorgefordert, kegen eynander notturftig ge-
höret, nach befindung der begehrten abdankung hal-
ber die vorfugung getaen werde, damit keine ge-
meinde zue klagen, daß sie gedrungen, ihre seele je-
mand wieder ihren willen zu vertrauwen, noch die
pastorn sich zu beschweren, alß ob sie ihres dienstes
zur ungebuer erlaßen weren.

Und ob wir woll nicht gemeinet, deßwegen große,
weitleuftige process cum forma et strepitu iudicii 26

25 Vgl. E. R. Brenneysen Tom. II, 155. 170.

26 Enno war für den Hausmannsstand durch die
Kommittierten der Generalstaaten gebeten worden,
daß die aufgedrungenen Prediger oder die nicht rein
in Lehre und Leben befunden würden, „sine ulteriori
forma et strepitu iudicii“ „abgeschaffet“ würden.
Vgl. E. R. Brenneysen Tom. II, 170; dazu unten
S. 724, Anm. 71. 74, 75.

27Nach Meinung der Stände war die Einrichtung eines
geistlichen Konsistoriums unnötig und überflüssig;
die Junker wie auch die Stadt Emden verwahrten
sich auch gegen eine Beeinträchtigung ihrer Ord-
nungsverhältnisse durch das Konsistorium. Vgl.
E. R. Brenneysen Tom. II, 156. 167; Apologia,
236/Tatsächlich hatten die Bemühungen des Grafen
um das Konsistorium, wenn er auch an seinem Plan
festhielt, keinen Erfolg; vgl. Einleitung, oben S. 338.
28 Zu Menso Alting, dem bedeutendsten der damaligen
Emder Prediger, vgl. Einleitung, oben S. 333 mit
Anm. 70. - In den Verhandlungen vor Abschluß der
Konkordaten wurde Enno für Emden durch die
Kommittierten der Generalstaaten der Wunsch vor-
getragen, nach Altings Tod möchte wieder einer von

zu gestatten, so gebueret unß doch unsers gewißens
halber und zu vermeidung beschwerlicher nachrede
zu verhueten, daß unnötige verfolgungen vormieden
werden.

Wir erinneren unß bei dem geistlichen werk fer-
ner, daß alles daßjennige, so hieroben mit dem exer-
citio religionis und bestellung deß ministerii, auch
sonsten zu verordnen eingewilligt worden ist, mit
nutz und frucht nicht zu erhalten, woferne nicht ein
gewißes kirchenregiment angestellet, deme die ober-
aufsicht und gubernation der geistlicheit an unser
stadt uber unsere ungemittelte undertanen zu ver-
walten befolen.

Derowegen seind wir entschloßen, ein sonderbar
geistlich gericht oder consistorium ecclesiasticum
anzuordnen 27 und dasselbe mit zweien vornemen
theologen, nemblich hern Mensone Alting 28 und wene
wir ihme sonst zuordnen werden, auch etzlichen po-
liticis und rechtsgelarten, unter denen dan der itziger
burgermeister unserer stadt Embden, Gerhardus
Bolardus 29, einer sein soll, zu bekleiden und mit
raet und zutuen unserer land- und hofräte unß
einer gewißen consistorialordnung zu vergleichen,
kraft welcher die consistorialn daßjennige, so zum
kirchenregiment und erhaltung gutter zucht und
disciplin eigentlich gehörig, beneben deme, was
etwa hiebevor dem official im lande zu verwalten
gebueret, expediren und vorrichten sollen.

den Predigern der Stadt Emden ins Konsistorium
berufen werden. Enno behielt sich jedoch für das
Konsistorium freie Wahl vor. Vgl. E. R. Brenn-
eysen Tom. II, 169. 172.

29 Gerhard Bolardus, reicher und angesehener Bürger,
Ältester der Emder Gemeinde (vgl. unten S. 498,
Anm. 89), 1589 in den Ausschuß der „Vierziger“
(vgl. oben S. 416, Anm. 27) gewählt, 1594 Mitglied
einer Gesandtschaft nach Prag, die im Namen der
Stände beim Kaiser Hilfe gegen den ostfriesischen
Grafen erbitten sollte, führend in der Emder Revo-
lution, 1595 einer der von ihm selbst aufgestellten
Colonellen (vgl. oben S. 417 f., Anm. 38), Bürgermei-
ster 1596, 1597, 1599, 1600 (vgl. Series consulum
florentissimae reipublicae Embdanae..., an: J. F.
Ravinga, Neije Oostfriesische Chronica... Emden
1661), Graf Enno III. zugetan, zeitweise Vizedrost
in Emden, † 28. August 1612; vgl. Apologia, 96 ff.
216. 234; U. Emmius, Vita, 100; E. R. Brenn-
eysen Tom. II, 254f.; Ch. Funck IV, 7, 97ff. 101.
191. IV, 8, 204. 227. 248; H. Loesing, 196. 223.
237f. 257; H. Klugkist Hesse, 108. 357. 392.
395ff. 412. 435. 472.

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