Emder Abendmahlsordnung 1576
doht to myner gedechtnisse ,Item,gyscholendes Hern
dodt vorkündigen, bet dat he kompt! geleret wert.
Unde volget hyrut, dat nicht etlike, sonder alle,
de sick vor jüngere unde lidtmaten Jesu Christi ach-
ten, dit h. nachtmal mit grotem iver, christlike erbe-
dinge 10 und ernstlike danksegginge gebrüken scho-
len, insonderheit dewyle unse Here Christus idt nicht
sinenthalven, sunder unsenthalven hefft ingesettet
up de tydt, alse he sick vor de sünde des ganzen
menschliken geschlechtes wölde upofferen und dit
h. nachtmal alse syn leste testament, darumme he
den gelövigen sick sulvest sampt synes dodes früch-
ten vorsegelt 11, insettede.Wente so tom Galat. 3 [15]
geschreven steit, men eines menschen testament
nicht vorachtet, so sündigen ane twyvel alle de swar-
lick, ja, maken sick der güder desses fröliken testa-
10 = Diensterbietung; vgl. Lasch und Borchling
I, 578.
11 = besiegelt; vgl. Schiller und Lübben V, 440;
Lasch und Borchling I, 920.
12 = in irgendwelcher Weise, irgendwie; vgl. Doorn-
kaat Koolman I, 399; Lasch und Borchling
I, 545.
13 Die folgenden Ausführungen über die im Abendmahl
zu empfangende Speise unterscheiden sich von dem
entsprechenden Vermahnungsteil in den Ordinancien
Microns durch ihre Breite und deutliche Polemik
gegen die lutherische Sakramentslehre (bes. bei Ver-
weisziffer 23); ihrem Lehrgehalt nach entfernen sie
sich von der in Gellius Fabers Bericht beschriebenen
dritten Vermahnung (vgl. Einleitung, oben S. 344),
dieFabers Vermittlungstendenz widerspiegelt (,,...in
welckeren Christus jegenwerdich den botverdigen
spyset unde drenket mit synem waren lyve unde
blode tom ewigen levende... “ ; vgl. dazu Wirdumer
Formel: „das Christus... bey dem abendmahl ist...
und gibt uns seinen wahren leib und blut...“, oben
S. 436, Anm. 32). Auch der Emder Katechismus von
1554, der in der Antwort auf Frage 67 an Formu-
lierungen in Fabers Bericht anklingt (vgl. J. Weerda,
Entstehung, 43), stellt die calvinische Abendmahls-
lehre noch nicht so prägnant heraus (vgl. A. Kuy-
per II, 528ff.) wie unsere Ordnung mit ihrer häu-
figen Gegenüberstellung von leiblicher und geist-
licher Speise und ihrer Distanzierung Christi von den
Elementen (s. bei Verweisziffer 14, 18, 19, 21, 26, 28;
vgl. dazu H. Graß, Die Abendmahlslehre bei Lu-
ther und Calvin 2.1954, 212 ff. Deutlich antilutherisch
ist Microns Norder Katechismus von 1554 - ob man
ihn aber in Emden benutzte? Vgl. Einleitung, oben
S. 331 f., Anm. 63, und unten S. 577 mit Anm. 66).
Enge Beziehungen weist unsere Ordnung hier zum
Abendmahlsbekenntnis der Emder Prädikanten auf,
das Menso Alting 1578 im Streitgespräch den Wie-
dertäufern entgegenhielt (Protokoll des 1578 vom
mentes unwerdich, de dit testament des Sohnes Ga-
des, dat he dorch synen dodt befestiget hefft, enich-
sins 12 vorachten effte unrecht gebrüken.
Sovele nu den 2. punkt anlanget, wat spyse dar
angedenet und entfangen werde, darvan möten de
gelövigen dessen bericht weten 13, dat im h. nacht-
mal twyerlye spyse vorgestellet und entfangen
werde 14; de erste is brodt und wyn, de men van den
dener mit der hand entfanget und mit dem natür-
liken munde et und drinkt, welcke spyse und drank
nicht in ehre substantie und wesende, alse men im
pawestdom lehret 15, sunder alleine im gebrück vor-
andert unde to eim sacrament effte segel 16 vorordent
is, dardorch Godt de Here den gelövigen de gemein-
schop des lyves und blodes Christi vorsegelt 17 und
also den geloven jegen alle anfechtinge sterket und
27. Februar bis 17. Mai abgehaltenen Kolloquiums
zwischen den Emder Predigern und den flämischen
Wiedertäufern im Stadt-A. Emden: 1. Registratur
414; zu den Drucken vgl. J. F. Bertram, Parerga,
134; Borchling und Claußen I, 961. Uns liegt
der Druck von 1579 aus der Bibliothek der Großen
Kirche in Emden vor). Es hat den Anschein, als sei
man bei Abfassung des Bekenntnisses stellenweise
geradezu von unserer Abendmahlsordnung ausgegan-
gen (vgl. die Einzelhinweise).
14 Vgl. Calvin, Inst. IV, 17, 11 (CR 30, 1010; COpp
V, 352ff.): Dico igitur... duabus rebus constare sa-
crum coenae mysterium: corporeis signis, quae ob
oculos proposita, res invisibiles secundum imbecilli-
tatis nostrae captum nobis repraesentant: et spiri-
tuali veritate, quae per symbola ipsa figuratur simul
et exhibetur.
15 Die Transsubstantiationslehre wurde auf dem 4. La-
terankonzil 1215 dogmatisiert (Denzinger 30, Nr.
430). Conc. Trid., Sess. XIII, cap. 4 (Denzinger 30,
Nr. 877): ...per consecrationem panis et vini con-
versionem fieri totius substantiae panis in substan-
tiam corporis Christi Domini nostri, et totius sub-
stantiae vini in substantiam sanguinis eius. Quae
conversio convenienter et proprie a sancta catholica
ecclesia transsubstantiatio est appellata. — Vgl. da-
zu E. G. Steitz-F. Kattenbusch, RE 320, 55ff.;
M. Schmaus, Kath. Dogmatik IV, 1 3. 4. 1952,
261 ff.; H. Graß, RGG 3 I, bes. 25f. 33f. (Lit.),
16 = Siegel; vgl. oben S. 124, Anm. 83.
17 Der Emder Katechismus von 1554 läßt auf Frage 65
„ Warto isset denn vernemlicken ingesettet? " antwor-
ten: Tom ersten, dat idt alle gelovigen... betüge, ver-
sekere unde versegele de salige gemeenschup des ly-
ves unde blodes Christi... (A. Kuyper II, 529.531).
Entsprechend auch schon der Gr. Londoner bzw. Em-
der Katechismus (Kuyper II,469. 471). Zur Ver-
siegelungslehre bei a Lasco s. K. Hein, 26ff.;
U. Falkenroth, 31. 34. 45f. - Vgl. auch Calvin,
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doht to myner gedechtnisse ,Item,gyscholendes Hern
dodt vorkündigen, bet dat he kompt! geleret wert.
Unde volget hyrut, dat nicht etlike, sonder alle,
de sick vor jüngere unde lidtmaten Jesu Christi ach-
ten, dit h. nachtmal mit grotem iver, christlike erbe-
dinge 10 und ernstlike danksegginge gebrüken scho-
len, insonderheit dewyle unse Here Christus idt nicht
sinenthalven, sunder unsenthalven hefft ingesettet
up de tydt, alse he sick vor de sünde des ganzen
menschliken geschlechtes wölde upofferen und dit
h. nachtmal alse syn leste testament, darumme he
den gelövigen sick sulvest sampt synes dodes früch-
ten vorsegelt 11, insettede.Wente so tom Galat. 3 [15]
geschreven steit, men eines menschen testament
nicht vorachtet, so sündigen ane twyvel alle de swar-
lick, ja, maken sick der güder desses fröliken testa-
10 = Diensterbietung; vgl. Lasch und Borchling
I, 578.
11 = besiegelt; vgl. Schiller und Lübben V, 440;
Lasch und Borchling I, 920.
12 = in irgendwelcher Weise, irgendwie; vgl. Doorn-
kaat Koolman I, 399; Lasch und Borchling
I, 545.
13 Die folgenden Ausführungen über die im Abendmahl
zu empfangende Speise unterscheiden sich von dem
entsprechenden Vermahnungsteil in den Ordinancien
Microns durch ihre Breite und deutliche Polemik
gegen die lutherische Sakramentslehre (bes. bei Ver-
weisziffer 23); ihrem Lehrgehalt nach entfernen sie
sich von der in Gellius Fabers Bericht beschriebenen
dritten Vermahnung (vgl. Einleitung, oben S. 344),
dieFabers Vermittlungstendenz widerspiegelt (,,...in
welckeren Christus jegenwerdich den botverdigen
spyset unde drenket mit synem waren lyve unde
blode tom ewigen levende... “ ; vgl. dazu Wirdumer
Formel: „das Christus... bey dem abendmahl ist...
und gibt uns seinen wahren leib und blut...“, oben
S. 436, Anm. 32). Auch der Emder Katechismus von
1554, der in der Antwort auf Frage 67 an Formu-
lierungen in Fabers Bericht anklingt (vgl. J. Weerda,
Entstehung, 43), stellt die calvinische Abendmahls-
lehre noch nicht so prägnant heraus (vgl. A. Kuy-
per II, 528ff.) wie unsere Ordnung mit ihrer häu-
figen Gegenüberstellung von leiblicher und geist-
licher Speise und ihrer Distanzierung Christi von den
Elementen (s. bei Verweisziffer 14, 18, 19, 21, 26, 28;
vgl. dazu H. Graß, Die Abendmahlslehre bei Lu-
ther und Calvin 2.1954, 212 ff. Deutlich antilutherisch
ist Microns Norder Katechismus von 1554 - ob man
ihn aber in Emden benutzte? Vgl. Einleitung, oben
S. 331 f., Anm. 63, und unten S. 577 mit Anm. 66).
Enge Beziehungen weist unsere Ordnung hier zum
Abendmahlsbekenntnis der Emder Prädikanten auf,
das Menso Alting 1578 im Streitgespräch den Wie-
dertäufern entgegenhielt (Protokoll des 1578 vom
mentes unwerdich, de dit testament des Sohnes Ga-
des, dat he dorch synen dodt befestiget hefft, enich-
sins 12 vorachten effte unrecht gebrüken.
Sovele nu den 2. punkt anlanget, wat spyse dar
angedenet und entfangen werde, darvan möten de
gelövigen dessen bericht weten 13, dat im h. nacht-
mal twyerlye spyse vorgestellet und entfangen
werde 14; de erste is brodt und wyn, de men van den
dener mit der hand entfanget und mit dem natür-
liken munde et und drinkt, welcke spyse und drank
nicht in ehre substantie und wesende, alse men im
pawestdom lehret 15, sunder alleine im gebrück vor-
andert unde to eim sacrament effte segel 16 vorordent
is, dardorch Godt de Here den gelövigen de gemein-
schop des lyves und blodes Christi vorsegelt 17 und
also den geloven jegen alle anfechtinge sterket und
27. Februar bis 17. Mai abgehaltenen Kolloquiums
zwischen den Emder Predigern und den flämischen
Wiedertäufern im Stadt-A. Emden: 1. Registratur
414; zu den Drucken vgl. J. F. Bertram, Parerga,
134; Borchling und Claußen I, 961. Uns liegt
der Druck von 1579 aus der Bibliothek der Großen
Kirche in Emden vor). Es hat den Anschein, als sei
man bei Abfassung des Bekenntnisses stellenweise
geradezu von unserer Abendmahlsordnung ausgegan-
gen (vgl. die Einzelhinweise).
14 Vgl. Calvin, Inst. IV, 17, 11 (CR 30, 1010; COpp
V, 352ff.): Dico igitur... duabus rebus constare sa-
crum coenae mysterium: corporeis signis, quae ob
oculos proposita, res invisibiles secundum imbecilli-
tatis nostrae captum nobis repraesentant: et spiri-
tuali veritate, quae per symbola ipsa figuratur simul
et exhibetur.
15 Die Transsubstantiationslehre wurde auf dem 4. La-
terankonzil 1215 dogmatisiert (Denzinger 30, Nr.
430). Conc. Trid., Sess. XIII, cap. 4 (Denzinger 30,
Nr. 877): ...per consecrationem panis et vini con-
versionem fieri totius substantiae panis in substan-
tiam corporis Christi Domini nostri, et totius sub-
stantiae vini in substantiam sanguinis eius. Quae
conversio convenienter et proprie a sancta catholica
ecclesia transsubstantiatio est appellata. — Vgl. da-
zu E. G. Steitz-F. Kattenbusch, RE 320, 55ff.;
M. Schmaus, Kath. Dogmatik IV, 1 3. 4. 1952,
261 ff.; H. Graß, RGG 3 I, bes. 25f. 33f. (Lit.),
16 = Siegel; vgl. oben S. 124, Anm. 83.
17 Der Emder Katechismus von 1554 läßt auf Frage 65
„ Warto isset denn vernemlicken ingesettet? " antwor-
ten: Tom ersten, dat idt alle gelovigen... betüge, ver-
sekere unde versegele de salige gemeenschup des ly-
ves unde blodes Christi... (A. Kuyper II, 529.531).
Entsprechend auch schon der Gr. Londoner bzw. Em-
der Katechismus (Kuyper II,469. 471). Zur Ver-
siegelungslehre bei a Lasco s. K. Hein, 26ff.;
U. Falkenroth, 31. 34. 45f. - Vgl. auch Calvin,
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