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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (7. Band = Niedersachsen, 2. Hälfte, 1. Halbband): Erzstift Bremen, Stadt Stade, Stadt Buxtehude, Stift Verden, Stift Osnabrück, Stadt Osnabrück, Grafschaft Ostfriesland und Harlingerland — Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck), 1963

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https://doi.org/10.11588/diglit.30042#0641
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Microns Ordinancien (1554) 1565

es einem jeden zugelassen were, alle ding in der pro-
phecey vorzustellen, sintemal allenthalben viel zen-
kische, halßstarrige, furwitzige und aufgeblassene
menschen sind, durch welche der teufel in alle weg
suchen würd, wie er die gemeine bewegen und end-
lich zerreissen möcht. Damit aber mitlerweil die z ge-
meine ihre freiheit nit verliere oder in einigem zwei-
fel der lere bleiben möcht, so ist einem jeden zugelas-
sen, allen seinen zweifel und gegenwurf den verord-
neten mennern mündlich oder schriftlich zu uber-
geben mitsampt den ursachen seines zweifels und
widersprechens, und das auß dem wort Gottes, auf
daß es durch die deputierte in der prophecey treu-
lich vorbracht werde. Und auf diselbige fragen wird
alsdenn von den dienern volkomlich auß der schrift
geantwortet.

So ist denn die prophecey, so wir in unser gemein
halten, anders nichts denn ein offentliche prob der
lere der predicanten, auß dem wort Gottes genom-
men, durch welche die ganze gemeine in vil wege
treffentlich gebessert a wird. Denn erstlich wird dar-
durch underhalten ein eintrechtige vergleichung der
lere in der ganzen gemein, angesehen, daß es einem
jeden zugelassen ist, seinen zweifel und beschwe-
rung b ordentlich vorzubringen.

Zum andern werden die herzen der gemeine ver-
sichert, daß die lere, so geleret ist, wahr und auf-
f. 43 recht sey, dieweil sie so of|fentlich ans liecht ge-
bracht, geprüfft und mit dem wort Gottes beweret
Johan. 3 [21] wird; dann der die warheit würkt, der kompt ahns
liecht. Es wird auch ein jeder in der ganzen lere der
gemein gesterket wider allen irtumb der c secten, und
vil werden von ihrem irtumb bekeret, in den sie
durch einfalt gefallen waren.

Zum dritten d wird auch den dienern der gemeine
durch diß mittel e der prophecey alle faulheit be-
nommen, und werden zu allem fleiß gezwungen,

z) N + gansche a) gebessert] N: ghesticht

b) N <und beschwerung> c) der] N: ende

d) N <Zum dritten>

e) durch diß mittel] N: doer dese maniere

f) N <oder irrige>

g) Der geist... undertan] N: de gheest der Propheten
moet den Propheten onderworpen sijn

h) nur einmal des jars] N: so veel als een iaer
Cap. XIII i) N <Vom... kindern.>

ihren dienst treulich und weißlich zu volfüren, auf

daß sie der gemeine nicht leichtfertig oder unver-

sehlich einige neue oder irrige f lere vorbringen und

diselbigen hernach halstarrig vertedigen, sonder

müssen durch den gebrauch diser prophecey allezeit

der lere Pauli ingedenk sein, nemlich: Lasset die

andern richten. Item: Der geist der propheten ist 1. Cor. 14 [29.

das den propheten undertang 16. 32]

Diß sind die vornemste ursachen, darumb wir
diese weise der prophecey in unser gemeine erhalten,
insonderheit aber, dieweil die lere unser gemein von
so vilerley menschen gelestert und verdampt wird;
und wo dise einfeltige probe der lere in der römi-
schen kirchen nur einmal des jars h allenthalben
treulich gehalten wurd, one zweifel, es wurd ihre
falsche und abgöttische lere balt geoffenbaret sein;
aber sie verlassen diese rechte mittel, beweisen ihre
sach ohne schrift mit feur und schwert und schreien
uns mitlerweil vor ketzer auß, Gott wolle sie er-
leuchten. Es ist noch ein ander ordnung der prophe-
cey, welche in etlichen gemeinen gebraucht wird,
nemlich daß ein buch der schrift ordentlich erkleret
wird, nit durch den diener des worts allein, sonder
auch durch die eltesten, diaken und andere ge-
schickte menner auß der gemeine, darzu verordnet,
welche, wenn ein ort der h. schrift vorgelesen, eins
nach dem andern erklären, ein jeder nach seiner gabe,
die gemein lerende, vermanende und tröstende 17.

Cap. XIII.

Die form und außspendung des taufs
in der gemeine.

Der tauf wird nit in einem winkel der kirchen, son- Vom tauf der
der allezeit in der gemeinen versamlung unser ge- kindern. i
meine gehalten, nach der predig und dem gemeinen

16 Diese Form der Prophezei scheint speziell der Lon-
doner niederländischen Fremdengemeinde eigen ge-
wesen zu sein. Verwandt ist vielleicht am ehesten
das Katechismusgespräch der Straßburger Gemein-
schaft; vgl. oben S. 564 mit Anm. 90. Zur späteren
vorübergehenden Einführung dieser Prophezei in
Emden s. oben S. 352 mit Anm. 14 u. 14a.

17 Vermutlich ist hier an die Art der Prophezei gedacht,
die die Londoner wallonische Gemeinde nach Genfer
Vorbild hielt; vgl. oben S. 569 mit Anm. 42 f.

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